Die EZB entscheidet am Donnerstag über den weiteren geldpolitischen Kurs. Franz Schellhorn, Direktor der Agenda Austria, warnt vor einem weiteren Zuwarten der EZB.
Die EZB entscheidet am Donnerstag über den weiteren geldpolitischen Kurs. Zuletzt mehrten sich Stimmen, dass man mit Zinserhöhungen trotz steigender Inflation noch zuwarten sollte. Zurecht?
In Hinblick auf den Krieg in der Ukraine werden wohl leider keine allzu raschen Zinserhöhungen erfolgen, die wären aber dringend notwendig. Auch das ist eine Rechnung für die Sünden aus der Vergangenheit.
Welche?
Man hat in den vergangenen Jahren ohne Not – also in Zeiten starker Konjunktur – an dieser expansiven Geldpolitik festgehalten. Die Märkte wurden durchgehend mit billigem Zentralbankgeld überflutet. Das hat die Nachfrage nach oben getrieben. Das zeigt sich auch in der gegenwärtigen Krisensituation, ohne das Billiggeld wäre das nicht möglich gewesen. Und das treibt auch die Preise.
Aber hat dieser Krieg die Vorzeichen für einen Ausstieg aus dieser Geldpolitik nicht tatsächlich verändert?
Das Hauptproblem ist, dass man immer einen Grund finden wird, warum gerade jetzt kein Ausstieg erfolgen kann – irgendwo wird sich immer eine Krise auftun, die dann als Argument herangezogen wird.
Die EZB muss aus Ihrer Sicht also trotz des Krieges und den damit verbunden wirtschaftlichen Verwerfungen handeln?
Ja. Die EZB muss endlich eine wichtige Frage für sich klären: Was ist ihr zentrales Mandat? Das ist nun einmal die Sicherung der Geldwertstabilität und dieses Ziel gerät jetzt wahnsinnig weit aus dem Blickfeld. Schon vor dem Überfall von Russland auf die Ukraine hatten wir Preissteigerung von fünf Prozent plus in der Euro-Zone. Für heuer sind sechs Prozent Inflation und mehr zu erwarten.
Rechnen Sie mit entsprechenden Entscheidungen?
Die leichteste Variante, und die wählt die EZB jetzt seit vielen, vielen Jahren, ist die, nichts zu tun. Gelddrucken in rauen Mengen und hoffen, dass das schon irgendwie gut geht. Aber es hat in der Vergangenheit noch nie funktioniert, Probleme mit gedrucktem Geld zu lösen. Je länger man zuwartet, desto größer wird der Schaden sein.
Die Rufe nach staatlichen Ausgleichsmaßnahmen werden lauter, beispielsweise in Form eines Preisdeckels für bestimmte Produkte, wie das einige Länder vormachen. Wird dieser Druck auch in Österreich zunehmen?
Ja, dieser Druck wird zunehmen – es wird hier in den nächsten Wochen und Monaten nicht an Forderungen mangeln. Das schlimmste, was man machen könnte, wäre aber politischer Aktionismus. Preisdeckel wären ein schwerer Fehler, sie kommen letztlich immer wahnsinnig teuer, weil das Preissignal künstlich ausgeschaltet wird. Es kommt zu weiteren Verknappungen, die dann erst recht die Konsumenten zu spüren bekommen. In Kalifornien haben sie vor gut 20 Jahren zu Verknappungen des Angebots und rollierenden Blackouts geführt.
Interview von Franz Schellhorn mit der “Kleine Zeitung” (09.03.2022).
Kredite im Euro-Raum werden wieder billiger. Hoffentlich ist das nicht der nächste schwere Fehler der Europäischen Zentralbank.
Die Finanzpolitik in Europa steht derzeit unter steigendem Druck. Nicht nur die Jahre der Corona-Pandemie und der Teuerungskrise haben die Schulden steigen lassen. Auch in wirtschaftlich guten Jahren wurde fleißig mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Nun steigen die Zinsen – aber die Staatsausgaben wachsen munter weiter.
Das Niedrigzinsumfeld hat den Regierungen europaweit Zeit erkauft, strukturelle Reformen durchzuführen und Schuldenstände zu reduzieren. Passiert ist das Gegenteil. Schulden mit hohen Zinsen wurden mit neuen Schulden und niedrigen Zinsen refinanziert, um immer mehr Schulden aufzunehmen. So ist die Schuldenquote in Österreich im Zeitverlauf immer
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) prognostizierte in einer Analyse für das Finanzministerium, dass die Schuldenquote bis 2060 aufgrund der genannten Kostentreiber auf über 120 Prozent des BIP steigen wird, falls die Politik nicht gegensteuert. Das würde die Refinanzierungskosten für Österreich erheblich erhöhen.
Nun ist Österreich noch eines der Länder mit vergleichsweise hoher Bonität unter Kreditgebern. Italien dagegen entging erst vor kurzem knapp einer Bewertung auf Ramschniveau.
Laut Daten der EZB müssen sowohl Österreich als auch Italien in den kommenden fünf Jahren etwa die Hälfte ihrer Verbindlichkeiten refinanzieren.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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