Die hohen Steuern und Abgaben zu hinterfragen, kommt hierzulande einem Generalangriff auf den Sozialstaat gleich. Dabei ist das Gegenteil davon der Fall. – Kommentar von Franz Schellhorn
Es gibt Dinge, über die man in Österreich lieber nicht spricht. Zum Beispiel darüber, dass ein Durchschnittsverdiener bis 4. August arbeitet, um alle Steuern und Sozialabgaben bezahlen zu können. Womit nur fünf Monate bleiben, um alle anderen Kosten des täglichen Lebens abzudecken. Von der Miete über Nahrungsmittel, Urlaube, Mobilität, Reparaturen, das Schulgeld bis hin zu Versicherungen und was sonst noch so anfällt. Allein dieses Faktum zu thematisieren, gilt hierzulande als geschickt getarnter Versuch, dem Sozial- und Wohlfahrtsstaat die Existenzberechtigung entziehen zu wollen.
Denn der Staat, so wird gern argumentiert, seien schließlich wir alle. Wir würden das viele Geld also nicht an irgendwelche öffentliche Institutionen zahlen, sondern letzten Endes an uns selbst. Für öffentliche Kindergärten, Schulen, freien Universitätszugang, sozialen Wohnbau, Kranken- und Unfallversorgung, Pensionen, ein ausgebautes Straßen- und Schienennetz, eine sichere Energieversorgung, innere und äußere Sicherheit und vieles andere mehr.
Stimmt, der Staat bietet für die hohe Belastung mit Steuern und Abgaben eine ganze Menge – und nicht das Schlechteste. Auch wenn gern suggeriert wird, dass es den Menschen immer schlechter gehe und ein Abgleiten in die Massenarmut eigentlich unausweichlich sei, ist in kaum einem Land dieser Welt der Massenwohlstand höher als hierzulande. Und so gut wie nirgendwo ist die staatliche Rundumversorgung mit der österreichischen auch nur annähernd vergleichbar.
Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob die eingehobenen Steuern und Abgaben noch im Einklang mit der vom Staat gebotenen Leistung stehen. Es gibt nämlich erdrückende Hinweise, dass dem nicht so ist. Wären nämlich österreichische Durchschnittsverdiener ähnlich stark belastet wie schwedische, blieben ihnen 200 Euro netto mehr im Monat übrig. Wären sie Dänen, hätten sie 500 Euro netto mehr im Monat zur Verfügung. Nun wird niemand behaupten wollen, dass die Leistungen der nordischen Wohlfahrtsstaaten inakzeptabel wären. Auch dort gibt es passable Kindergärten, Schulen, Universitäten, Pflegeheime und Spitäler. Auch dort werden die Pensionen pünktlich ausbezahlt, die Müllkübel regelmäßig entleert, und auch dort haben die Straßen keine Schlaglöcher, auch dort ist die Schieneninfrastruktur völlig in Ordnung, auch dort bekommen Lehrer und Polizisten pünktlich ihre Gehälter überwiesen.
Womit wir bei der zentralen Frage angekommen wären: Hält die Qualität der öffentlichen Gegenleistung mit den rasant steigenden Zahlungen der Bürger noch Schritt? Immerhin wird den Schweden und Dänen nicht nur ein funktionstüchtiges Wohlfahrtsmodell geboten, sondern auch noch ein ausfinanziertes Pensionssystem, ein sanierter Staatshaushalt und eine gegenüber nachkommenden Generationen verantwortbare Staatsverschuldung. In den stark ausgebauten Wohlfahrtsstaaten von Schweden und Dänemark bleibt Arbeitnehmern deutlich mehr Geld von der eigenen Arbeitsleistung übrig, dennoch sind die beiden Staaten nur halb so hoch verschuldet wie der österreichische.
Nun ist es keineswegs so, dass der heimische Staat eine Geldvernichtungsanlage wäre. Aber es ist eben auch keineswegs so, dass jeder in die öffentlichen Kassen eingezahlte Euro bestens angelegt wäre. Das Krankenhaus Wien Nord ist nur ein aktuelles Beispiel dafür. Abgesehen davon werden die Klagen der Steuer- und Abgaben zahlenden „Kundschaft“ allerorts lauter. Es sieht auch nicht besonders gut für einen mit hohem Aufwand betriebenen Sozialstaat aus, wenn Millionen von Bürgern eine Privatversicherung brauchen, um nicht mehrere Monate auf einen Termin bei einem Facharzt oder für eine möglicherweise lebensentscheidende Computertomografie warten zu müssen. Wer sich das nicht leisten kann, darf sich mit der Propaganda vom „besten Gesundheitssystem der Welt“ abspeisen lassen.
Es sieht auch nicht besonders gut für einen mit hohem Aufwand betriebenen Sozialstaat aus, wenn nahezu ein Fünftel der 15-jährigen Pflichtschüler die Grundrechnungsarten nicht beherrschen und fast ebenso viele nicht sinnerfassend lesen können. Und wenn in Wien jeder fünfte Schüler eine Privatschule besucht, dann kommt das einer Bankrotterklärung des österreichischen Wohlfahrtsstaates gleich. Zumal ausschließlich Kindern aus einkommensstärkeren Haushalten die Flucht aus den öffentlichen Schulen gelingt, während die sozial Schwachen von jenen politisch Verantwortlichen im Stich gelassen werden, die dann medienwirksam mit ernsten Mienen die wachsende Ungleichheit anprangern.
Entscheidend ist eben nicht nur, wie hoch die Steuern und Abgaben sind. Entscheidend ist, welche Gegenleistung die Bürger dafür zu erwarten haben. Und die ist nicht mehr wirklich berauschend. Wer also die sozialen Sicherungssysteme für eine gute Sache hält, sollte auch ihre undichten Stellen thematisieren. Auch wenn man darüber in Österreich lieber nicht spricht.
Kommentar von Franz Schellhorn im „profil“, 11.08.2018
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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