Restaurants haben nur noch tageweise geöffnet, Gemüsebauern lassen Erntehelfer aus Vietnam einfliegen. Am heimischen Arbeitsmarkt läuft einiges gewaltig schief.
Wer dieser Tage in den Urlaub fliegt, wird vermutlich schon ein wenig aufgeregt sein. Nicht nur wegen der Vorfreude auf die lang ersehnten Ferien. Sondern vor allem wegen der steigenden Ungewissheit, ob der Flieger auch tatsächlich abheben wird. Es fehlt nämlich am Boden wie in der Luft am nötigen Personal. Damit stehen die Airlines keineswegs alleine da. Wer sein Auto in die Werkstätte bringt, braucht vor allem Geduld. Supermärkten geht das Personal aus, in heimischen Tourismushochburgen öffnen viele Lokale nur noch tageweise, weil sie keine Mitarbeiter finden. Oberösterreichische Gemüsebauern erweisen sich als höchst kreativ, sie lassen Erntehelfer aus Vietnam einfliegen. Weil sich unter den rund 300.000 Arbeitssuchenden im Inland niemand mehr findet, der sich für derart niedrige Dienste hergeben würde. Nicht einmal vorübergehend.
Während die Gewerkschafter noch etwas von den schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen murmeln, hat sich der Arbeitskräftemangel längst zum flächendeckenden Problem ausgewachsen. Vom Bäcker über den Handwerker bis hin zum bestens zahlenden Industriebetrieb gibt es kaum noch ein Unternehmen, das nicht händeringend nach Mitarbeitern suchte. Irgendwas läuft hier gewaltig schief. Auch in der Bevölkerung fragen sich immer mehr Menschen, wohin all die Arbeitskräfte verschwunden sind, die es vor der Pandemie offensichtlich noch gegeben hat.
Für das Arbeitsmarktservice ist die Antwort schnell gefunden. Die Leute haben sich nirgendwo versteckt. Sie arbeiten. Aufgrund der boomenden Wirtschaft fehlen nun eben Arbeitskräfte. Zudem seien viele osteuropäische Arbeitskräfte nicht mehr als Saisonniers nach Österreich zurückgekehrt, weil sie zu Hause eine Vollzeitstelle gefunden haben, wodurch sich eben der Arbeitskräftemangel insbesondere in der Gastronomie verstärkt habe.
Das klingt alles recht einleuchtend, ist aber nicht die einzige Erklärung. Die plausibelste These lautet: Viele Beschäftigte sind aus den Lockdowns nicht mehr Vollzeit ins Arbeitsleben zurückgekehrt. Es stimmt, wir haben Rekordbeschäftigung in Österreich – derzeit arbeiten mehr Menschen als im Hochkonjunkturjahr 2019. Aber die Wirtschaftsleistung hat inflationsbereinigt gerade einmal das Vorkrisenniveau erreicht. Entweder ist hierzulande jede Menge Produktivität verloren gegangen – oder die Menschen arbeiten einfach weniger Stunden. Vieles spricht für Letzteres.
Das Dilemma an der ganzen Sache ist, dass keine Besserung in Sicht ist. Ganz im Gegenteil, wir stehen erst am Anfang eines drastischen Arbeitskräftemangels. Die Pensionierungswelle geburtenstarker Jahrgänge hat gerade erst begonnen, sie wird erst gegen Ende des Jahrzehnts ihren Höhepunkt erreichen. Und von den Jungen kommen deutlich weniger nach – und wenn, dann sind es nicht so sehr jene Mitarbeiter, die jede Überstunde dankend annehmen, um sich das neueste iPhone oder das erste Auto leisten zu können. Sondern eher jene, die auf das „Chillaxen“ nicht ganz vergessen. Das neueste iPhone haben sie nämlich schon.
Was also tun? Die Regierung steht in der Pflicht, den Menschen die richtigen Signale auszusenden. Nicht zuletzt jenes, dass der Staat nicht dauerhaft alle finanziellen Folgen externer Ereignisse ausgleichen kann. Und den Bürgern die klare Botschaft zu übermitteln, dass die kommenden Jahre alles andere als einfach werden. Wer aus den turbulenten Zeiten finanziell unbeschadet hervorgehen will, wird auch selbst etwas dafür tun müssen. Mehr arbeiten zum Beispiel. Und vor allem länger. Über ein höheres Pensionsantrittsalter will die Bundesregierung aber nicht einmal nachdenken. Das ist bedauerlich.
Damit der Personalmangel nicht zum nächsten wirtschaftlichen Dämpfer wird, muss allerdings etwas geschehen. Arbeitsminister Martin Kocher wird sich überlegen müssen, wie der Staat mehr heimische Arbeitslose dazu bringen kann, sich rasch einen Vollzeitjob zu suchen. Wenn man bei 250.000 offenen Stellen keinen Arbeitsplatz findet, wann dann? Das geht nur über erhöhten Druck oder über Anreize. Letztere wären zielführender. Etwa mit der Gewährung steuerfreier Überstunden oder der Streichung der Lohnsteuer für jene, die das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreicht haben, aber weiterarbeiten wollen. Zudem wird die Regierung auch darüber nachdenken müssen, die Grenzen für arbeitswillige Ausländer zeitlich befristet zu öffnen. Etwa für Menschen aus den Ländern des Westbalkans, die von anderen europäischen Staaten bereits umworben werden. Österreich hält sich hier vornehm zurück.
Die Unternehmen sollten sich wiederum nicht auf den Staat verlassen. Sondern die Möglichkeiten neuer Technologien noch schneller umzusetzen. Soll heißen: Digitalisieren, was das Zeug hält. Jeden möglichen Arbeitsgang von Algorithmen erledigen lassen. Denn nur so können die nicht mehr nachkommenden Arbeitskräfte ersetzt werden. Auch wenn die Vorstellung eines unbemannten Ferienfliegers noch höchst gewöhnungsbedürftig ist.
Kolumne von Franz Schellhorn für den “profil” (30.07.2022).
Der Wahlsieg Donald Trumps bringt die europäischen NATO-Staaten in finanzielle Nöte. Der wiedergewählte US-Präsident drängt die Europäer, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Erster Adressat für diese Botschaft ist Deutschland, das sich eigenen Angaben zufolge nur zwei Tage verteidigen kann, bevor der größten Volkswirtschaft E
Österreich steckt in der längsten konjunkturellen Flaute seit den 1950er Jahren, die wirtschaftliche Schwächephase schlägt sich nun auch mit voller Wucht auf dem heimischen Arbeitsmarkt nieder:
Um unser Sozialversicherungssystem werden wir vielerorts beneidet – der Staat garantiert unter anderem eine Mindestsicherung, eine Mindestpension (die höher ist als die Durchschnittspension in anderen Ländern Europas) und eine Arbeitslosenunterstützung, die dauerhaft bezogen werden kann. Dazu kommt noch eine Fülle anderer Wohltaten wie etwa d
Enorme Kosten werden bald mit der Pflege auf den Staat zukommen. Die Zahl der über 75-Jährigen wird von derzeit rund 900.000 auf über 1,6 Millionen im Jahr 2050 steigen. Die preisbereinigten Kosten für die Pflege so vieler alter Menschen – gemessen als Anteil am BIP – dürften sich bis 2050 in etwa verdoppeln.
Betrugen die Staatsausgaben 2019 noch unter 49 Prozent des BIP, schossen sie im Folgejahr auf fast 57 Prozent.
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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