Wir arbeiten zu wenig, besteuern Leistung zu stark, sonst kostet es Wettbewerb und Wohlstand.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo erwartet eine zaghafte Konjunkturbelebung im zweiten Quartal. Die gestiegenen Reallöhne dürften den privaten Konsum ankurbeln. Das Pensionsalter der Österreicher steigt, wenn auch nur zaghaft. Haben Sie Hoffnung, dass es in Österreich nach der Stagnation wirtschaftlich wieder bergauf geht?
Die Hoffnung darf man nie verlieren. Zumal Österreich gemessen am inflationsbereinigten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf seit 2019 die schlechteste Entwicklung aller EU-Länder aufweist. Kein Land in Europa ist in den vergangenen fünf Jahren schwächer gewachsen als Österreich. Dänemark hat in derselben Zeit neun Prozent Wachstum hingelegt. Gleichzeitig ist die Wirtschaft mit den höchsten Lohnstückkosten und einer der höchsten Inflationsraten Westeuropas konfrontiert. Das kostet uns Wettbewerbsanteile.
Was ist falsch gelaufen? Die Beschäftigung steigt doch – aktuell sind mehr als 3,9 Millionen Menschen in Österreich unselbstständig beschäftigt.
Tatsächlich gibt es heute um 30 Prozent mehr Beschäftigte als 1995. Wir haben seither aber keine Vollzeitstellen mehr geschaffen, der Beschäftigungszuwachs entfällt ausschließlich auf die Teilzeit. Generell arbeiten wir immer weniger, die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden liegt unter dem Niveau von 2019. Immer mehr Menschen arbeiten nur an vier Tagen oder nur 30 Stunden. Die Teilzeit steigt – auch bei Frauen ohne Betreuungspflichten, ebenso bei Männern. Teilzeit ist zur Massenbewegung geworden.
Ist das so schlimm?
Für den Staat ist das ein Problem, es erklärt auch die Wachstumsschwäche. Aber wer rechnen kann, arbeitet in Teilzeit. Netto kommt bei Teilzeit pro Stunde mehr heraus als bei Vollzeit. Der Teilzeitboom sorgt auch dafür, dass die Produktivität je Arbeitnehmer sinkt. Das ist besorgniserregend, denn gerade sie ist ausschlaggebend für den Wohlstand des Landes. In der Politik müssten alle Alarmglocken schrillen.
Was schlagen Sie vor?
Das Versprechen „Leistung muss sich lohnen“ mit Leben zu erfüllen. Unsere Volkswirtschaft lebt von jenen, die den Extrameter zurücklegen. Von Arbeitnehmern, die am Donnerstagnachmittag nicht am E-Bike die Gegend unsicher machen, die Auftragsspitzen abdecken. Deshalb müssen die Einkommen entlastet werden. Aber nicht am unteren Ende, sondern ab der Mitte. Dort, wo die Vollzeitbeschäftigten zu Hause sind.
Lässt sich der Sozialstaat noch finanzieren?
Nur mit einem hohen Wirtschaftswachstum. Jährlich müssen 30 Milliarden Euro aus dem Budget zugeschossen werden, um das Defizit im staatlichen Pensionssystem auszugleichen. Das ist ein Viertel des Bundeshaushalts – jedes Jahr. Zudem gibt es noch keinen Plan, die steigenden Pflegeausgaben zu finanzieren.
Wie soll es dann noch Geld für Entlastungen geben?
Indem der Staat seine Ausgaben bremst. So wie die Schweiz. Dort dürfen die Ausgaben nicht schneller steigen als die prognostizierten Einnahmen. Und nirgendwo fällt der Putz von den Decken, weder in den Spitälern noch in den Schulen. Aber in Österreich wird lieber Geld verteilt, als Reformen anzustoßen: Handwerkerbonus, Reparaturbonus, Heizkostenbonus, Vollzeitbonus, Stromkostenzuschuss. Ganz nach dem Motto: Sie haben ein Problem? Alles gut, der Staat schickt Ihnen einen Gutschein.
Und zwar auf Rechnung des Steuerzahlers.
Genau. Das Land krankt an einem Staat, der über hohe Steuern und enorm hohe Sozialabgaben dafür sorgt, dass sich arbeitende Menschen die Arbeit anderer arbeitender Menschen kaum noch leisten können. In Österreich muss ein Installateur fünf Stunden – offiziell – arbeiten, um sich von seinem versteuerten Arbeitseinkommen eine Stunde eines Automechanikers leisten zu können. Das ist verrückt.
Was können die Unternehmer tun?
Sie dürfen den Mut nicht verlieren. Wir brauchen sie, denn der Wohlstand der Bevölkerung entsteht ausschließlich in den heimischen Unternehmen. Das scheint allerdings vielen nicht bewusst zu sein.
Interview mit Franz Schellhorn in der “Kleinen Zeitung” (11.06.2024).
Effizienter organisierte Staaten wie die Schweiz oder auch Schweden heben deutlich mehr Steuern lokal ein. Das sorgt für mehr Kostenwahrheit auf der regionalen Ebene und damit auch für geringere Ausgaben insgesamt.
Dieses muss aber nicht durch neue Steuereinnahmen aufgetrieben werden, sondern könnte durch eine Umstrukturierung der Bildungsausgaben frei werden. Hierzulande wird für die frühen Phasen der Bildungskarriere – im Verhältnis zu fortgeschrittenen Ausbildungsstufen – wenig Geld ausgegeben. Länder wie Dänemark, Schweden oder Estland investier
Bei der Arbeitsmarktbeteiligung älterer Menschen gibt es in Österreich noch viel Luft nach oben. Zwar führte der Personalbedarf bereits in den vergangenen Jahren zu einer steigenden Beschäftigungsquote bei Älteren.
Auf Österreich kommen massive demografische Veränderungen zu. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Menschen über 65 Jahre um rund 50 Prozent steigen, während die Zahl der 20- bis 65-Jährigen deutlich abnimmt.
Österreich ist eine Teilzeit-Republik. Das ist in Zeiten des Arbeitskräftemangels ein großes Problem. Und es wird vom Steuersystem indirekt gefördert, denn Mehrarbeit zahlt sich einfach nicht aus. Wer rechnen kann, stockt daher die Arbeitsstunden nicht auf. In kaum einem anderen Land bestraft das System Vollzeitarbeit so sehr, wie in Österreic
Die Diskussionen rund um die gesetzliche Arbeitszeit reißen nicht ab. Während die einen auf eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich pochen, argumentieren die anderen mit einer Ausweitung der gesetzlichen Vollarbeitszeit. Währenddessen nehmen die tatsächlich durchschnittlich pro Woche geleisteten Arbeitsstunden in Österreich immer weiter
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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