Innenpolitik

Wie viel Gewinn darf’s denn sein? Die Arbeiterkammer klärt auf!

Während in Wien die Gebühren für Fernwärme, Wasser, Kanal und Müll nach oben schießen, propagieren AK und SPÖ Preisdeckel und eine „Übergewinnsteuer“.

Viele Bürger wissen nicht, wie sie ihre Strom- und Gasrechnungen bezahlen sollen, während sie dabei zusehen müssen, wie die Gewinne der Energieversorger durch die Decke gehen. Man muss kein eingefleischter Sozialdemokrat sein, um derartige Vorgänge für anstößig, wenn nicht gar unmoralisch zu halten. Was läge näher, als erzielte „Krisengewinne“ dem Staat zuzuführen? Nichts, meinen Arbeiterkammer und SPÖ. In gewohnter Eintracht propagieren sie eine Strafsteuer auf vermeintliche Krisengewinne. Die AK wähnt gar „galaktisch gute Argumente“ auf ihrer Seite. Das macht neugierig.

Die Bundesregierung sollte dem populistischen Abschöpfungssozialismus widerstehen.

„Hunderttausende drohen aufgrund hoher Energiepreise, in die Armut abzurutschen“, behauptet die Kammer. Genau das ist eben nicht der Fall. 90 Prozent der Haushalte bekommen heuer zumindest 1000 Euro vom Staat überwiesen, um mit den hohen Preisen zurechtzukommen, die ärmeren noch etwas mehr. Wie eine aktuelle Studie der Agenda Austria zeigt, werden die untersten 15 Prozent der Einkommenspyramide „überkompensiert“ – die staatlichen Entschädigungen übersteigen also die Kosten durch die Teuerung. Gut so. Warum die AK so tut, als gäbe es keinen Sozialstaat, bleibt deren Geheimnis.

Argument Nummer zwei: „Die Steuer ist notwendig, der Staat braucht jetzt die finanziellen Mittel.“ Finanzminister Brunner würde sich zweifellos über milliardenschwere Mehreinnahmen freuen. Der Staat schwimmt aber schon im Geld: Im ersten Halbjahr sprengten nicht nur die Gewinne der Energieversorger alle Rekorde, sondern auch die Steuereinnahmen des Staates. 2022 dürften sie erstmals die 100-Milliarden-Euro-Marke knacken. Es fehlt also keineswegs an Geld, um die Ärmsten vor hohen Preisen zu schützen.

„Die Steuer ist gerecht.“ Das ist zu bezweifeln, die propagierte Sondersteuer trifft nämlich die Falschen. Blendend verdient wird derzeit mit erneuerbaren Energien. Bestes Beispiel dafür ist der Verbund mit seinen vielen Wasserkraftwerken. Ganz anders sieht die Sache für die Wien Energie aus, die zur Stromerzeugung viel Gas einsetzt. Nach Meinung der AK soll die Regierung also den „grünen“ Verbund mit einer Sondersteuer schröpfen, um die Kunden der „fossilen“ Wien Energie schadlos zu halten. Was daran soll „gerecht“ sein?

Das Signal an alle Investoren ist klar: Geht woanders hin!

„Die Sondersteuer ist verfassungskonform.“ Hm. In zivilisierten Ländern schützt der Staat Bürger und Unternehmen vor Willkür, statt selbst einen Akt der politischen Willkür zu setzen. Genau das passiert aber mit einer nachträglich eingeführten Sondersteuer auf Gewinne einer einzelnen Branche. Das Parlament hat darüber zu entscheiden, wie hoch die Steuersätze auf die Gewinne aller Unternehmen sind. Die Politik sollte aber nicht darüber befinden, welche Gewinnhöhen moralisch vertretbar sind. Alle noch profitablen Unternehmen werden sich fragen, wer als Nächster an der Reihe ist. Die Nahrungsmittelfabrikanten, die Wärmepumpenproduzenten oder die Impfstoffhersteller? Das Signal an alle Investoren ist klar: Geht woanders hin! Sie sind zwar herzlich willkommen, ihr Geld zu schicken. Läuft ihr Investment aber richtig gut, schöpft der Staat den willkürlich definierten „Übergewinn“ ab. Dabei kassiert die öffentliche Hand schon in Normalzeiten kräftig: Von jedem ausgeschütteten Euro gehen 46 Cent an den Staat.

„Auch andere Staaten haben Übergewinnsteuern beschlossen.“ Stimmt. Österreich sollte sich aber an der Mehrheit der Vernünftigen orientieren, die die Steuer nicht eingeführt haben. Weil sie wissen, dass die volkswirtschaftlichen Kosten höher sind als der kurzfristige parteipolitische Ertrag. Ronald Reagan hat die US-Ölproduzenten in den 1980er-Jahren mit einer Sondersteuer belegt. Wenig überraschendes Ergebnis: Die Förderung wurde gedrosselt, es musste mehr Öl importiert werden.

Die Bundesregierung sollte dem populistischen Abschöpfungssozialismus widerstehen. Und sich stattdessen darauf konzentrieren, die Ärmsten sicher durch den harten Winter zu bringen. Das ist das Wichtigste. Sollte das Steuergeld dafür nicht reichen, kann der Staat bei den allesamt öffentlichen Stromversorgern höhere Gewinnausschüttungen durchsetzen, statt willkürlich eine Sondersteuer einzuheben, die das Vertrauen in das Steuersystem und den Standort schwächt. Zumal die „Übergewinne“ fast ausschließlich in staatlichen Unternehmen eingefahren werden.

Kolumne von Franz Schellhorn in “Die Presse” (19.08.2022).

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