Statt auf die Top-Gagen einiger Manager zu skandalisieren, sollten wir uns fragen, warum sich selbst gutverdienende Beschäftigte kaum Vermögen aufbauen können.
Das neue Jahr hat mit einer schockierenden Botschaft begonnen: Wie die Arbeiterkammer errechnete, haben die Topmanager der heimischen ATX-Unternehmen schon am 8. Jänner 2024 so viel verdient wie ein Beschäftigter im gesamten Jahr. Die Vergütung der Spitzen der österreichischen Wirtschaft sei 75-mal so hoch wie die eines „normalen“ Beschäftigten. Um der Dramatik ein wenig auf die Sprünge zu helfen, zeigt sich die AK rechnerisch von ihrer großzügigen Seite. Das beginnt schon einmal damit, dass sie Vorstandsbezüge inklusive aller Boni und Aktienoptionen den Einkommen aller Beschäftigten in Österreich gegenüberstellt. Also auch geringfügig beschäftigen Teilzeitkräften, die nur ein paar Stunden in der Woche arbeiten. Um die Lücke noch ein wenig zu vergrößern, wird bei den Vorstandsbezügen der (höhere) Durchschnitt angesetzt, bei den Arbeitnehmern hingegen der (niedrigere) Medianwert.
Nicht ganz uninteressant wäre es, die Bezüge der Vorstände mit den Einkommen der Vollzeitbeschäftigten in der eigenen Branche zu vergleichen. Also beispielsweise die Voest-Führung mit den Voest-Arbeitern, am besten nach Steuern und Transfers. Die Einkommenslücke wäre immer noch beträchtlich und nach dem Geschmack vieler Bürger wohl auch immer noch zu groß. Aber deutlich niedriger und näher an der Realität als der von der AK hochgerechnete Wert. Warum die Arbeitnehmervertreter von einer sachlichen Darstellung wenig halten, zählt nicht gerade zu den großen Rätseln der Menschheitsgeschichte: Die der SPÖ nicht kilometerweit fernstehende Arbeiterkammer macht Stimmung für die von der SPÖ getrommelte „Reichensteuer“. Schockierende Meldungen über vermeintliche Abzocker in den Chefetagen helfen dabei, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren, indem so getan wird, als stopften sich ein paar Spitzenverdiener auf Kosten der Arbeiterschaft die Taschen voll. So etwas regt die Leute auf, auch wenn hohe Vorstandsbezüge in privaten Unternehmen eigentlich nur deren Eigentümer auf die Palme bringen müssten.
Dabei wissen allen voran die Sozialdemokraten, dass Österreich zu den Ländern mit der niedrigsten Einkommensungleichheit weltweit zählt. In fast keinem Staat ist die Einkommenslücke nach Steuern und Transfers geringer als hierzulande. Das hat sehr viel mit dem umverteilenden Sozialstaat zu tun, dessen Existenz wiederum ein großer Verdienst der Sozialdemokratie ist. Statt ein kräftiges Loblied auf diesen ausgleichenden Sozialstaat anzustimmen, tun ausgerechnet seine größten Befürworter so, als gäbe es ihn nicht. Sie blenden seine Meriten aus und zeichnen ein Bild der sozialen Ungleichheit, das man nur aus Entwicklungsländern kennt. Was nicht heißen soll, dass es hierzulande keine Armut gäbe. Eine wachsende Zahl von Menschen hat größte Schwierigkeiten, mit den hohen Preisen zurecht zu kommen. Aber die Betroffenen werden damit weder alleingelassen, noch handelt es sich um ein Massenphänomen. Denn kaum ein Land auf dieser Welt verhindert Armut so effizient wie Österreich.
Das alles spielt in der politischen Debatte keine Rolle. Bekämpft wird in Österreich nicht die Armut, bekämpft wird der Reichtum. Dieser Kampf scheint auch gerechtfertigt, wenn man nicht auf die Verteilung der Einkommen, sondern auf jene der Vermögen schaut. Einer aktuellen Auswertung der EZB zufolge ist es in kaum einem anderen Land auf so wenige Menschen konzentriert wie in Österreich. Die wichtigste Information der EZB-Auswertung: Fast nirgendwo in Europa hat die untere Hälfte der Bevölkerung so wenig Vermögen wie im reichen Österreich. Fast nirgendwo schaffen also so wenige Menschen den finanziellen Aufstieg wie hierzulande.
Das liegt nicht an gutverdienenden Managern heimischer ATX-Konzerne. Sondern an der bescheidenen Performance des staatlichen Bildungssystems und der überschießend hohen Besteuerung der Arbeitseinkommen. Wer hierzulande mit Arbeit ein wenig ins Verdienen kommt, wird umgehend vom Steuerstaat „rasiert“. Dass sich hunderttausende hart arbeitende und durchaus passabel verdienende Menschen kein bescheidenes Vermögen aufbauen können, scheint die Arbeiterkammer weniger zu stören als die hohen Gagen einiger weniger Vorstände. Geht es nämlich um die überfällige Entlastung der Arbeitnehmer, steigt ausgerechnet die AK als erste auf die Bremse. Niedrigere Steuern und Sozialabgaben würden dem Staat die dringend benötigten finanziellen Mittel entziehen und so den solidarischen Zusammenhalt gefährden. Und das in einem Land, das 30 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für den sozialen Ausgleich ausgibt.
Womit alles beim Alten bleibt: Die Verteilung der Einkommen bleibt nach dem Eingriff des Steuerstaates höchst egalitär, während der Großteil der Bevölkerung weitgehend vermögenlos bleibt. Daran ändert sich auch nichts, wenn man Vermögenden mehr wegnimmt, sondern indem der Staat seinen Ausgabenrausch beendet und der Bevölkerung den Aufbau von Vermögen über niedrigere Steuern und Sozialabgaben ermöglicht.
Die Kolumne von Franz Schellhorn im “Profil” (13.01.2024).
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