Staatshaushalt

Wie der Staat an der Inflation verdient

Die Teuerung ist die heimliche Geliebte von Vater Staat. Je höher die Inflation, desto stärker sprudeln die Steuereinnahmen. Das muss ein Ende haben.

Die Bürger dieses Landes werden von einer Preislawine überrollt, die noch vor wenigen Monaten niemand für möglich gehalten hätte. Insbesondere ärmere Haushalte wissen oft nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Die Preise steigen auf breiter Front, weshalb die Bundesregierung schon die nächsten Hilfspakete schnürt. Dabei ist es noch keinen Monat her, dass zwei Milliarden Euro auf den Weg geschickt wurden, um die Folgen der Inflation zu mildern.

Ginge es nach dem Willen der Bevölkerung, braucht es auch nicht mehr Wettbewerb.

Jeder bekommt vom Staat großzügig Geld zugesteckt, vom Bedürftigen bis zum Spitzenverdiener wird niemand vergessen. Es gab Zeiten, in denen der Freigabe derartiger Summen noch nächtelange Debatten im Nationalrat vorangingen. Heute werden astronomische Beträge widerstandslos durchgewunken, als würden sie von Dagobert Duck bezahlt.

Staatliche Preisdeckel verstärken die Inflation

Das Problem an der ganzen Sache: Der liebe Onkel Dagobert wird die Rechnung höchstwahrscheinlich nicht übernehmen. Zumal wir erst am Anfang einer unerfreulichen Entwicklung stehen. Viele Preise sind zwar schon kräftig gestiegen, eine ganze Reihe von Produkten und Dienstleistungen werden aber noch folgen. Viele Unternehmen sind selbst mit hohen Kostensteigerungen konfrontiert, sie zahlen für diverse Vorprodukte um ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr.

Diese höheren „Erzeugerpreise“ werden die Unternehmen an ihre Kunden weiterzugeben versuchen. In wettbewerbsfreien Zonen wird dies widerstandslos gelingen – und an solchen kuscheligen Nischen fehlt es in Österreich ja nicht. Der Wettbewerb war eben nie so unsere Sache, und über Nacht lässt er sich auch nicht einführen.

Ginge es nach dem Willen der Bevölkerung, braucht es auch nicht mehr Wettbewerb. Gewünscht wird eine noch stärkere Hand des Staates: Einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie & Datenanalyse zufolge sind verblüffende 89 Prozent der Befragten dafür, dass der Staat im Energiebereich Preisobergrenzen einzieht, um die Bürger vor weiteren Kaufkraftverlusten zu schützen. Das ist eine herzige Idee, nur lässt sich die Realität leider nicht „wegdeckeln“. Steigende Preise sind ja nicht das Problem, sie sind vielmehr die Überbringer einer wichtigen Nachricht.

Im konkreten Fall zeigen sie, welche Güter gerade sehr stark gefragt sind und knapp zu werden drohen. Werden diese Signale ausgeblendet, ändert sich am Grundproblem nichts. Die Wurzel allen Übels: Es ist noch immer viel zu viel billiges Geld im Spiel, das auf ein zu knappes Angebot an Waren und Dienstleistungen trifft und so seine zerstörerische Wirkung entfaltet.

Allein innerhalb eines Jahres hat die Währung gegenüber dem Dollar um 12 Prozent an Wert verloren.

Hinzu kommt der schleichende Wertverlust des Euro. Bei seiner Einführung der Bevölkerung noch als Hartwährung verkauft, zeigt er sich seit geraumer Zeit von seiner butterweichen Seite. Allein innerhalb eines Jahres hat die Währung gegenüber dem Dollar um 12 Prozent an Wert verloren. Das wäre nicht weiter tragisch, würden Rohöl und Treibstoffe nicht in Dollar gehandelt – womit die Euroländer mehr bezahlen müssen. Wir importieren also Inflation, und das in großem Stil. Die Europäische Zentralbank sieht dem Treiben mit beeindruckender Gelassenheit zu.

Ein Milliardengeschäft für den Staat

Dabei müsste die EZB längst mit voller Kraft gegensteuern und die Zinsen erhöhen, um den Wert des Euro zu stärken und die Verbraucher zum Sparen anzuregen. Die Politik stimuliert aber unverdrossen am falschen Ende, indem sie die Bevölkerung mit „Anti-Teuerungspaketen“ schadlos zu halten versucht. Je mehr Geld die Regierung im Volk verteilt, desto stärker treibt sie die Nachfrage an und damit auch die Preise. Dabei leidet keine industrialisierte Volkswirtschaft derzeit unter einer zu schwachen Nachfrage – sondern vielmehr an einem zu niedrigen Angebot.

Während die Bevölkerung unter der Teuerung stöhnt, zaubert sie Finanzminister Magnus Brunner ein Lächeln auf die Lippen. Die Inflation ist nämlich so etwas wie die heimliche Geliebte von Vater Staat. Allein in den kommenden zwei Jahren verschafft sie dem Bund bis zu elf Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen. Mit den Preisen steigen die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, mit den Löhnen jene aus der Lohnsteuer.

Der Staat hat zwar auch höhere Aufwände zu verkraften; abgesehen von den Gehältern der öffentlich Bediensteten sowie den Pensionen sind viele staatliche Leistungen aber nicht an die Inflation gekoppelt – etwa das Arbeitslosengeld, die Sozialhilfe oder die Familienleistungen. Unter dem Strich ist die Inflation für den Staat also ein Milliardengeschäft.

Inflation heißt Steuererhöhung

Als hätte die Bevölkerung nicht schon genug mit den steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen, bestraft der Staat auch noch die Inflationsanpassung der Löhne und Gehälter. Ein österreichischer Arbeitnehmer, der im vergangenen Jahr 2.500 Euro brutto verdiente und in den fünf Jahren zuvor nur einen Inflationsausgleich erhalten hatte, bekam 2021 um acht Prozent mehr Lohn als 2016. Dieselbe Person zahlte aber um elf Prozent mehr Lohnsteuer. Dieses Phänomen einer höheren Steuerleistung bei gleichbleibender Kaufkraft nennt man gemeinhin „kalte Progression“.

Unter dem Strich ist die Inflation für den Staat also ein Milliardengeschäft.

Sie entsteht, weil zwar die Einkommen mit der Inflation mitwachsen, nicht aber die Grenzen, ab denen die jeweiligen Steuersätze greifen. Der Eingangssteuersatz liegt wie vor fünf Jahren noch immer bei 11.000 Euro. Wäre er mit der Inflation gestiegen, begänne die Steuerpflicht erst bei rund 12.200 Euro. Einkommen darunter blieben steuerfrei. Dasselbe spielt sich in den höheren Tarifstufen ab, auf deren Anhebung der Staat ebenso vergisst.

Jetzt muss man nicht zwangsläufig ein Anarcho-Liberaler sein, um diese Inflationssteuer für eine dreiste Unverschämtheit zu halten. Zumal wir in einem Land leben, in dem bereits einem Durchschnittsverdiener nach Abzug aller Steuern und Abgaben wenig mehr als die Hälfte seines Gehalts übrigbleibt. Dennoch finden sich immer noch Ökonomen, die gegen eine Abschaffung der kalten Progression argumentieren.

Sie meinen, die Regierung brauche das Geld, um sich budgetäre Spielräume zu schaffen. Regierungen von zivilisierten Volkswirtschaften schaffen sich solche Spielräume üblicherweise aber nicht über einen geheimen Griff in die Taschen der Bürger, sondern über solides Haushalten. Vergleichbare Länder wie die Schweiz oder Schweden haben die kalte Progression längst abgeschafft, ohne ihren „budgetären Spielraum“ zu verlieren oder ihre Staatshaushalte „kaputt zu sparen“.

Großflächig Steuern senken

Soll die Politik die Teuerungswelle also ignorieren? Keineswegs. Aber statt jedem Bürger ein paar Hunderter zuzustecken, sollte der Staat gezielt den ärmsten Haushalten helfen. Dafür ist der Sozialstaat da. Zudem könnte sich die Regierung der wettbewerbsfreien Zonen im heimischen Energiemarkt annehmen. Und beispielsweise der Frage nachgehen, warum ein großer staatlicher Stromanbieter, der seine Energie zu 100 Prozent aus Wasserkraft gewinnt, die Preise im selben Ausmaß erhöht wie ein kalorisches Kraftwerk. Donauwasser gehört zu den wenigen Dingen, die nicht teurer geworden sind. Warum nützt der Konzern seine günstigen Produktionsbedingungen nicht, um den heimischen Strommarkt „aufzurollen“?

Und wenn der Staat schon vorhat, den Inflationsgewinn zu reinvestieren, bieten sich als einfachste Lösung großflächige Steuersenkungen an. Die Erhöhung der Kaufkraft über niedrigere Steuern ist jedenfalls eine deutlich bessere Idee als die Einführung von Preisgrenzen. So traurig es sein mag: Die Realität lässt sich nicht deckeln.

Kommentar von Franz Schellhorn für den “Pragmaticus” (25.05.2022).

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