Geldpolitik

Weniger Wien, mehr Frankfurt!

Endlich wieder einstellig: Die Inflationsrate ging im März deutlich zurück. Ist die Teuerungswelle schon vorbei? Wohl kaum.

Die Inflationsrate ist auf Talfahrt. Im März lagen die Preise in Österreich nur noch um geschmeidige neun Prozent höher als im gleichen Monat des Vorjahres. Doch wenig überraschend hält sich die Erleichterung darüber in engen Grenzen.

Den Schlüssel zur Inflationsbekämpfung hält weiterhin die EZB in der Hand.

Denn dieses Phänomen war zu erwarten: Die heurige Märzinflationsrate vergleicht die Preise mit einem Vorjahresmonat, in dem in der Ukraine schon Krieg herrschte und die Energiepreise noch einmal deutlich angezogen hatten. Im Jänner und im Februar bezogen sich die Vergleiche noch weitgehend auf Vorkriegszeiträume mit niedrigeren Energiepreisen. Statistik Austria nennt dann aktuell auch Treibstoffe und Heizöl als inflationsdämpfend. Wenn die ursprünglichen Preistreiber die Preise also nicht mehr treiben, die Inflationsrate aber immer noch bei neun Prozent liegt, dann hat sich die Teuerung offenbar derart in die Wertschöpfungsketten hineingefressen, dass in Frankfurt alle Alarmglocken schrillen müssen.

Vermutlich tun sie das auch. Es wäre für die EZB nämlich ein Leichtes gewesen, eine weitere Zinserhöhung mit Blick auf die dräuende Bankenkrise abzusagen. Hat sie aber nicht. Die Leitzinsen stiegen im März noch einmal um je einen halben Prozentpunkt. Höhere Zinsen helfen, die Nachfrage zu senken und den Euro zu stärken. Beides soll inflationsdämpfend wirken. Doch mit Blick ins Lehrbuch ist die EZB mit dem aktuellen Zinsniveau wohl immer noch nicht da, wo sie sein sollte. Jetzt rächt sich, dass sie zu lange die Füße stillgehalten hat. Was steht zu befürchten, wenn sie jetzt das Bremspedal durchtritt: Dass den Banken ihre Anleihebestände um die Ohren fliegen? Oder doch eher, dass einige Länder Probleme mit dem Schuldendienst bekommen? Natürlich hat die Eurozone nie zu einer nachhaltigen Fiskalpolitik gefunden. Zu verlockend waren die niedrigen Zinsen. Die Sorgen sind also nicht ganz unberechtigt. Aber welche guten Alternativen zu weiteren Zinserhöhungen gibt es schon, wenn die Kerninflationsrate in der Eurozone weiterhin von einem Allzeithoch zum nächsten eilt?

Zum Glück sind das Themen, mit denen man sich im beschaulichen Österreich nicht zu belasten braucht. Hierzulande diskutiert man gern etwas kleinteiliger: Ob eine Mietpreisbremse die Inflation gedämpft hätte oder ob der Wohnkostenzuschuss die Teuerung anheizen wird. Dabei sind wohl beide Effekte kaum der Rede wert. Der Glaube, dass Regierungen nachhaltig die Inflation bekämpfen könnten, hält sich aber wacker. Dabei können sie nur versuchen, die Lasten umzuverteilen und dabei möglichst wenig Öl ins Feuer zu gießen. Wenigstens beim Umverteilen ist die österreichische Regierung besser als zum Beispiel die spanische, deren Versuche, die Inflation in die Tube zurückzudrücken, derzeit viele als wegweisend empfinden. Auf dem Papier sieht das erst einmal gut aus – doch sinkende reale Haushaltseinkommen und die höchste Arbeitslosenquote der EU sprechen eine ganz andere Sprache.

Den Schlüssel zur Inflationsbekämpfung hält weiterhin die EZB in der Hand. Die Regierungen können nur entscheiden, ob sie ihr das Leben leichter oder schwerer machen wollen. Christine Lagarde warnt immer wieder, dass die Scheckbücher in den europäischen Hauptstädten zu locker sitzen. Sie stehen auf dem Gas, während man in Frankfurt nach der Bremse sucht: Nein, diese Teuerungskrise ist noch lange nicht vorbei.

Gastkommentar von Jan Kluge in der „Presse“ (13.04.2023).

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