Energie

Weltklimakonferenzen: Ein Nachruf

Wieder ist eine Weltklimakonferenz unbefriedigend zu Ende gegangen. So lässt sich das Klima nicht retten. Nach 27 Wiederholungen ist diese Institution so heillos ramponiert, dass sie mehr schadet als nützt.

Na, das hat sich ja mal wieder ausgezahlt! Überall klebt die Jugend an Bildern und Plätzen, und trotzdem treten die Weltenretter auch in diesem Jahr wieder mit leeren Händen den Heimweg von einer UN-Klimakonferenz an. Die Gesichter sind genauso lang wie die, mit denen sie angereist sind. Es ist amtlich: Weltklimakonferenzen sind nicht mehr der Ort, an dem Lösungen für Probleme gesucht werden. Sie sind nur noch Bühne für Dystopie, Pessimismus und globale Schuldzuweisungen. Reparationsforderungen inklusive. Dass China dabei auf der Empfängerseite stehen will, ist nur einer der vielen Tiefpunkte der COP 27.

Wir wissen, dass die Welt untergeht, wenn wir nichts tun. Doch wir wissen gleichzeitig, dass unsere eigenen Anstrengungen nichts nützen, solange alle anderen nicht mitmachen.

Dabei war die Idee der Klimakonferenzen schon eine gute. Schließlich sitzen wir alle in einem gigantischen Gefangenendilemma fest: Wir wissen, dass die Welt untergeht, wenn wir nichts tun. Doch wir wissen gleichzeitig, dass unsere eigenen Anstrengungen nichts nützen, solange alle anderen nicht mitmachen. Einsame Vorreiter beim Klimaschutz müssen befürchten, dass ihre Anstrengungen ihnen schaden, die Welt am Ende aber leider trotzdem untergeht. Daher ist es für jedes Land nur rational, möglichst wenig zu tun.

Im Lehrbuch ist das Gefangenendilemma nicht so einfach zu überwinden. Sonst wäre es ja kein Dilemma. Es sei denn, man ändert den Spielaufbau. Und hier kommen die Klimakonferenzen ins Spiel: Sie sorgen für Kommunikation und Wiederholung. Kommunikation ist wichtig, weil wir eher zu handeln bereit sind, wenn wir einander glaubhaft versichern können, dass auch alle anderen handeln werden. Umso glaubhafter wird so eine Versicherung, wenn sich die Spieler in der Vergangenheit bereits als glaubwürdig erwiesen haben. Vertrauen wird durch Wiederholung geschaffen.

Im Kern sind Weltklimakonferenzen also eine gute Idee. Jedes Jahr kommen die Karten auf den Tisch. Wer sich verhalten hat wie versprochen, darf sich loben. Die Nachzügler bekommen vor der versammelten Weltpresse eins auf die Finger. Aber nach 27 Wiederholungen ist die Institution der Weltklimakonferenz so heillos ramponiert, dass sie mehr schadet als nützt. Indem die Industrieländer – auch Österreich – ihre selbstgesetzten Ziele wiederholt nicht erreicht haben, konnten die Klimakonferenzen eben kein Vertrauen schaffen, sondern nur den Beweis liefern, dass eine Verhandlungslösung aussichtslos ist. Wen wundert es da, dass viele Länder nicht einmal mehr ernsthafte Versprechungen im Gepäck haben. Auch im Globalen Süden ist man das überhebliche Gehabe des Nordens inzwischen leid und will nun lieber Geld statt Taten sehen.

Die westlichen Industrieländer haben ihr Wirtschaftswachstum immer mehr von CO2-Emissionen entkoppelt.

Die Kasse, aus der Klimaschäden künftig bezahlt werden sollen, ist dann auch allen Ernstes das zentrale Ergebnis des diesjährigen Gipfels. Ganz im Geiste einer typisch österreichischen Finanzausgleichsverhandlung wird inzwischen mit spitzem Bleistift über jeden Cent verhandelt und nur noch am Rande über das Klima. 1,5-Grad-Ziel? Ja, eh.

Es ist ja nicht so, dass die Konferenzen gar nichts gebracht hätten. Wenigstens die Industrieländer konnten einander ein bisschen zum Handeln ermuntern. Selbst die USA emittieren inzwischen weniger CO2 als vor 30 Jahren. Gar nicht zu reden von den großen europäischen Volkswirtschaften, von denen einige ihren Ausstoß seit 1990 um ein gutes Drittel reduziert haben. Die westlichen Industrieländer haben ihr Wirtschaftswachstum immer mehr von CO2-Emissionen entkoppelt. Natürlich gehört aber zur Wahrheit dazu, dass sie die schmutzigste Produktion ausgelagert haben. Wohin? In die Schwellenländer.

Und China? 

Die einzige Sprache, die das Klima jetzt noch retten kann, geht nicht ins Ohr, sondern direkt aufs Bankkonto. Wenn die Chinesen diese Märkte von USA und EU wollen, dann sind sie in einem neuen, transatlantischen Klimaklub, in dem strenge Klimaschutzvorgaben gelten, herzlich willkommen.

Und an dieser Stelle müssen wir über den Panda im Raum reden: China. Fast zwölf Gigatonnen CO2 blasen die Chinesen inzwischen pro Jahr in die Atmosphäre; ein Drittel der weltweiten Emissionen und fast das Fünffache von 1990. Und schlimmer noch: Xi Jinping hetzt inzwischen sogar die G77 gegen den Westen auf. Unter der Knute der Autokraten erstirbt damit jeder Versuch, die Klimakrise durch wiederholte, vertrauensbildende Gespräche zu lösen.

Also Schluss damit! Die einzige Sprache, die das Klima jetzt noch retten kann, geht nicht ins Ohr, sondern direkt aufs Bankkonto. EU und USA mögen zwar die Welt des 20. Jahrhunderts repräsentieren, aber sie machen immer noch fast die Hälfte der Weltwirtschaft aus. Wenn die Chinesen diese Märkte wollen, dann sind sie in einem neuen, transatlantischen Klimaklub, in dem strenge Klimaschutzvorgaben gelten, herzlich willkommen. Wenn nicht, dann wird jedes chinesische Importgut so lange verzollt, bis es mindestens so teuer ist wie ein unter hiesigen Bedingungen hergestelltes Produkt. Der ehemalige Chef des Brüsseler Thinktanks Bruegel Guntram Wolff hat so einen Mechanismus erst kürzlich in der Fachzeitschrift Nature vorgeschlagen. Wenn wir hier freiwillig voranschreiten, dann muss China sich beugen. Doch die Zeit rennt. In den USA wird bald wieder gewählt.

Ach ja, und Österreich? Wird seine Ziele wohl auch nicht erreichen und hat damit zum Misserfolg der Weltklimakonferenzen beigetragen. Zum Glück ist aber Österreich dem Planeten genauso egal wie umgekehrt. Trotzdem: Man bringe den Kleber!

Gastkommentar von Jan Kluge für den “Standard” (25.11.2022).

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