Was hat Österreich in der Pandemie falsch gemacht?
- 20.03.2023
- Lesezeit ca. 5 min
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Fast alle Corona-Maßnahmen sind beendet, der Alltag läuft wieder wie vor der Pandemie. Was noch fehlt, ist eine seriöse Bilanz. Haben sich die strengen Maßnahmen gelohnt? Wie gut hat Österreich Corona alles in allem gemeistert? Nicht gut, sagt der Ökonom Martin Halla, der die Einschränkungen und deren Wirkung in Österreich, Deutschland, der Schweiz und in Schweden miteinander verglichen hat. Über die Details der Studie und über seine persönlichen Eindrücke in den vergangenen drei Jahren erzählt er im aktuellen Podcast der Agenda Austria.
Strenger und sehr viel teurer, aber im Endeffekt nicht besonders erfolgreich: So lässt sich die österreichische Coronapolitik für Martin Halla zusammenfassen. „Das viel kritisierte Schweden mit seinen lockeren Pandemiemaßnahmen ging aus der Pandemie mit der geringsten Übersterblichkeit hervor“, sagt der Ökonom. Spitze war Österreich dafür bei den Kosten: „Für Unternehmensförderungen haben wir 2020 pro Person fast 1500 Euro ausgegeben. In der Schweiz waren es 82, in Schweden und Deutschland jeweils rund 500 Euro. Wir sind da also in einer ganz anderen Liga.“
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Zahl der Tage mit geschlossenen Schulen: „Wir haben die meisten Schließtage, die Schweiz hatte in meinem Vergleich am wenigsten. In Schweden gab es einen Unterschied zwischen Unter- und Oberstufe; Distanzunterricht hatten nur die älteren Kinder. Und selbst in Deutschland waren die Schulen weniger lange geschlossen als bei uns.“ Besonders absurd fand Familienvater Halla, wie stark die Realität von der politischen Erzählung abwich. „Mein Sohn war eigentlich ständig in der Schule, es wurde nur nicht unterrichtet, sondern es gab lediglich eine Betreuung. In seiner Klasse herrschte fast normaler Betrieb.“
Dass die Schulen auf den Verlauf der Pandemie relativ wenig Einfluss hatten, wussten die Schweden – im Gegensatz zu den Österreichern – schon früh: „In Schweden hatte die Oberstufe Fernunterricht, die Unterstufe ganz normalen Unterricht. Dann haben sie sich angeschaut, wie die Infektionsraten unter den Lehrern, Schülern und Eltern waren – und keinen Unterschied festgestellt. Wieso? Weil sich die Kinder ja auch privat treffen.“
Halla kritisiert, dass die Pandemie in Österreich zu einer enormen Umverteilung zwischen den Generationen führte, dieser Umstand aber kaum thematisiert wurde: „Die einschränkenden Maßnahmen dienten vor allem dem Schutz von älteren Menschen und anderen vulnerablen Gruppen. Die Kosten tragen aber die Jungen. Natürlich kann man zu dem gesellschaftlichen Konsens kommen, dass man das so machen will. Aber ich finde, dieser Umstand hat zu wenig Beachtung gefunden. Auch jetzt, wo es um die Aufarbeitung geht, könnte die Politik mal ein Zuckerl für die Jungen beschließen.“
Fast Weltspitze war Österreich beim Testen. Insgesamt kosteten die Coronatests rund fünf Milliarden Euro. Ob das alles etwas nützte, oder im Gegenteil vielleicht sogar kontraproduktiv war, wollte nie jemand wissen.
„Das Testen hat uns gefallen, weil wir nicht passiv sein mussten“, meint Halla. „Wir konnten etwas tun. Der Fehler war, das nicht zu evaluieren.“
Bis heute sei es mitunter sehr schwierig, an belastbare Fakten zu kommen, sagt der Experte. Und zwar auch dann, wenn es sich nicht um Details handelt, die vielleicht dem Datenschutz unterliegen könnten. Noch bevor die unselige Impfpflicht beschlossen wurde, hatten etwa die Bundesländer Briefe an alle Ungeimpften verschickt, in denen diesen ein fixer Impftermin mitgeteilt wurde. Aus Sicht der Politik wäre es doch nicht uninteressant zu wissen, ob diese simple Maßnahme funktionierte oder nicht, meint Halla. „Ich versuche gerade mit einem Kollegen von der WU, das zu evaluieren. Wir bräuchten die Info, welcher Bezirk wann diese Briefe verschickte und wie viele Menschen sich daraufhin dort impfen ließen. Leider ist es eine irrsinnig mühsame Kleinarbeit, diese Information zu bekommen – obwohl wir die Auswertung natürlich gratis machen würden. Aber da sind wir wieder beim Thema: Man schaut nicht, ob etwas funktioniert hat oder nicht.“
Wie bereits erwähnt, hatte Schweden über die gesamte Pandemie die geringste Übersterblichkeit der vier von Martin Halla verglichenen Länder. Österreich hatte die höchste. Woran das lag? Es gebe wohl mehrere Gründe, die zusammenwirkten, meint der Ökonom. Wesentlich mitverantwortlich war aus seiner Sicht die Strenge der Lockdowns. „Vor allem in der ersten Welle waren österreichische Krankenhäuser faktisch geschlossen. Man sieht ganz deutlich, wie stark die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen sowie der Krebsbehandlungen und -diagnosen in dieser Zeit nach unten ging. Es ist plausibel, dass hier Kollateralschäden entstanden sind.“
Auch wenn die Pandemie jetzt vorbei ist, wirken die Coronajahre nach, glaubt Halla. „Das Vertrauen in den Staat ist gesunken. Das war überall so, besonders stark aber in Österreich. Viele Menschen haben den Glauben an die Politik verloren.“ Auch deshalb sei es nun wichtig, diese Zeit gründlich aufzuarbeiten.
Zur Person:
Martin Halla, 43 Der Oberösterreicher studierte Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz. Nach der Promotion war er Gastwissenschafter an der Stockholm University und an der University of California in Berkeley. Seit Herbst 2017 leitet er die Abteilung für Wirtschaftspolitik am Institut für Volkswirtschaftslehre an der JKU. Halla ist Experte für angewandte Mikroökonometrie und gut gebuchter Gastautor in österreichischen Medien.
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