Warum Österreich eine Schuldenbremse braucht
- 12.10.2017
- Lesezeit ca. 3 min
Statt das Defizit mit wenig durchdachten Beschlüssen zu erhöhen, sollte der Nationalrat heute zumindest eine wirksame Schuldenbremse beschließen. Noch besser wäre eine zusätzliche Ausgabenbremse, so wie in Schweden.
Manchmal bergen Zahlen eine eindeutige Botschaft, so wie im Fall von Österreichs Staatsverschuldung. Die Tatsache, dass diese beständig anwächst, zeigt, dass die heimische Politik in Sachen Budgetdisziplin chronisch überfordert ist. Die bestehenden Gesetze, wonach Bund, Länder und Gemeinden verpflichtet sind, nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben, reichen eben nicht aus. Allein die Schulden des Bundes sind seit 1962 etwa fünfmal schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung (BIP), wie folgende Grafik illustriert:
Die Politik sollte daher in weiser Selbsterkenntnis handeln. „Österreich täte gut daran, zumindest dem Beispiel der Schweiz zu folgen: Dort schreibt die Verfassung vor, dass ein strukturelles Nulldefizit erreicht werden muss“, so Ökonom Dénes Kucsera. Gelingt das nicht, ist das Budget auf verfassungswidrige Weise zustande gekommen – ein Vorwurf, dem sich die eidgenössischen Politiker zumindest bisher nicht aussetzen wollten. Denn bleibt die Staatsverschuldung unter Kontrolle, hat die Regierung budgetären Spielraum, um in konjunkturell schlechten Zeiten mit höheren Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln. Auch wird die Abhängigkeit von den Finanzmärkten nicht zu groß.
Obergrenze für die Ausgaben
Zusätzlich zu einer Schuldenbremse wäre laut Dénes Kucsera freilich eine Ausgabenbremse ratsam, wie sie in Schweden gilt. „Steigen die Ausgaben immer mehr, kann die Regierung immer noch über höhere Steuern für mehr Einnahmen sorgen und so die Verschuldung begrenzen. Die Verfassung würde eingehalten, aber die Steuerlast könnte in noch ungesündere Höhen klettern als schon jetzt“, stellt Kucsera fest. Anders als hierzulande ist bei den Skandinaviern seit 1995 das BIP schneller gewachsen als die Schulden; die schwedische Verschuldung liegt bei nur etwa 42 Prozent des BIP, während sie in Österreich knapp 85 des BIP erreicht. Und dies bei einer ähnlichen Steuerquote.
Schweden hat sich 2010 für den Bund sowie für das Pensionssystem das Ziel gesetzt, über einen Konjunkturzyklus hinweg einen Überschuss von einem Prozent des BIP zu erreichen. Über diese Art von Schuldenbremse hinaus bestimmt das Parlament aber auch eine Obergrenze für die Ausgaben. Ähnliches sollte auch für Österreich gelten: Ein Haushaltsplan für fünf Jahre legt fest, wie viel Geld insgesamt zur Verfügung steht. Das Wachstum der gesamten Ausgaben darf dabei die Inflation nicht übersteigen. Wie die Gelder zwischen den einzelnen bzw. innerhalb der Ressorts verteilt werden, bleibt eine politische Entscheidung.
Schuldenbremse statt Wahlzuckerl
Parlamentssitzungen knapp vor Nationalratswahlen pflegen in budgetärer Hinsicht ja gefährlich zu sein – man erinnere sich an 2008, als der Nationalrat in einer Nacht Gesetze beschloss, die Kosten in Milliardenhöhe verursachten. Mit dem Beschluss einer Schuldenbremse statt von Wahlzuckerln könnte die heutige Sitzung einen erfreulichen Gegentrend setzen.
Mehr interessante Themen
Wie oft die EU-Länder auf Maastricht „pfeifen“
Die Finanzpolitik in Europa steht derzeit unter steigendem Druck. Nicht nur die Jahre der Corona-Pandemie und der Teuerungskrise haben die Schulden steigen lassen. Auch in wirtschaftlich guten Jahren wurde fleißig mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Nun steigen die Zinsen – aber die Staatsausgaben wachsen munter weiter.
Verschuldung im Zeitverlauf
Österreich hat noch immer ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem.
Warum die Zinskosten langfristig zum Problem werden
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) prognostizierte in einer Analyse für das Finanzministerium, dass die Schuldenquote bis 2060 aufgrund der genannten Kostentreiber auf über 120 Prozent des BIP steigen wird, falls die Politik nicht gegensteuert. Das würde die Refinanzierungskosten für Österreich erheblich erhöhen.
Auswirkungen der Zinswende in Italien
Nun ist Österreich noch eines der Länder mit vergleichsweise hoher Bonität unter Kreditgebern. Italien dagegen entging erst vor kurzem knapp einer Bewertung auf Ramschniveau.
Auswirkungen der Zinswende in Österreich
Laut Daten der EZB müssen sowohl Österreich als auch Italien in den kommenden fünf Jahren etwa die Hälfte ihrer Verbindlichkeiten refinanzieren.
Laufzeit der Staatsschulden in der Eurozone
Österreich hat einzelne Anleihen sogar mit einer Laufzeit von bis zu 100 Jahren ausgegeben. Somit wirkt die Zinswende nicht auf einen Schlag.