Innenpolitik

Warum Österreich das neue Griechenland werden sollte

Das einstige Sorgenkind Griechenland entpuppt sich als Wachstumskaiser und Budgetkönig. Während Österreich in den roten Zahlen versinkt.

Griechenland zeigt uns Österreichern, wie es ginge: Das einstige Krisenland glänzt dieses Jahr mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum und einem Budgetüberschuss von über 13 Milliarden Euro, während Österreich in den roten Zahlen versinkt und die heimische Wirtschaft das dritte Jahr in Folge zu schrumpfen droht.

Das ist beachtlich, war Griechenland vor nicht allzu langer Zeit ja noch so etwas wie ein Synonym für den wirtschaftlichen Niedergang. Jahrelang waren die Zeitungen voll von Berichten über die verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen im Land der Götter. Darüber, wie das Land von der Troika systematisch kaputtgespart werde. Sie erinnern sich bestimmt noch an das gefürchtete Dreigestirn aus EU-Kommission, Europäischer Zentral-bank und Internationalem Währungsfonds, das den Regierungen schlingernder Staaten öffentlichkeitswirksam die Leviten liest. Insbesondere die Athener Regierung durfte sich einiges anhören: Die öffentlichen Ausgaben sprengten alle Grenzen der Vernunft, der Staatsapparat war heillos aufgebläht, das Pensionssystem zählte neben dem österreichischen zu den luxuriösesten der Welt, die Schattenwirtschaft war der einzige noch boomende Sektor des Landes, die Kündigung von Mitarbeitern so etwas wie ein Staatsakt.

Das einstige Krisenland glänzt dieses Jahr mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum und einem Budgetüberschuss von über 13 Milliarden Euro, während Österreich in den roten Zahlen versinkt.

Wie Griechenland die Wende geschafft hat? Ganz einfach: Der sozialistische Regierungschef Alexis Tsipras wurde aus dem Amt gejagt und im Jahr 2019 durch den konservativen Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis ersetzt. Der neue Premier hat aufgehört, die Probleme seines Landes mit immer höheren Staatsausgaben und Unternehmenssteuern zuzudecken, stattdessen hat er Griechenland tiefgreifend modernisiert: Die Steuerverwaltung wurde digitalisiert, die Schwarzarbeit zurückgedrängt. Staatsbetriebe wurden privatisiert, Genehmigungsverfahren beschleunigt, Arbeitszeiten flexibilisiert, die Steuern für Unternehmen und Arbeitnehmer gesenkt und die öffentlichen Ausgaben unter Kontrolle gehalten. Um den grassierenden Arbeitskräftemangel zu lindern, wurde die Sechs-Tage-Woche eingeführt – auf freiwilliger Basis und mit hohen steuerlichen Anreizen für die Mehrarbeiter. Ein Akt mit hoher Symbolkraft.

Jetzt werden die Früchte dieser „neoliberalen“ Wirtschaftspolitik geerntet: Die Stimmung in der Wirtschaft ist blendend, das Vertrauen in den Standort kehrte zurück, ausländische Firmen wie Microsoft, Google, Pfizer oder Boehringer-Ingelheim investieren wieder in Griechenland. 

In Österreich passiert das genaue Gegenteil. Das Vertrauen in den Standort erodiert. Wer heute noch Optimist ist, hat das ausschließlich der unkontrollierten Einnahme stimmungsfördernder Psychopharmaka zu verdanken. Die Gründe dafür können nur noch jene überraschen, die ihr ganzes Berufsleben im fein gewärmten Staatssektor verbracht haben und Unternehmen bestenfalls von einstündigen Betriebsbesuchen kennen.

Während Österreich von einer sagenhaften Pleitewelle überrollt wird, drängt die SPÖ auf kürzere Arbeitszeiten und Vermögensteuern.

Und so kommt es, wie es kommen musste: Statt eine entschlossene Modernisierung des Landes voranzutreiben und die Staatsausgaben auf ein erträgliches Maß zurückzuführen, suchen die Regierungsverhandler nach neuen Einnahmen. Etwas höhere Grundsteuern hier, ein wenig mehr Tabak- und Alkoholsteuer dort. Nicht zu vergessen saftige Strafsteuern für die Banken, um allen noch gutverdienenden Branchen zu signalisieren, dass sie als nächstes dran sind, wenn sie in den Augen der Arbeiterkammer zu hohe Gewinne schreiben. Und während Österreich von einer sagenhaften Pleitewelle überrollt wird, drängt die SPÖ auf kürzere Arbeitszeiten und Vermögensteuern.

Aber selbst nicht-linke Politiker vertrauen hierzulande auf sozialistische Narrative: Die Wirtschaft müsse mit hohen Staatsausgaben aus der Krise herauswachsen, eine entschlossene Digitalisierung des Staatssektors gilt nicht zuletzt in den Reihen der ÖVP als potenzieller Jobkiller für den öffentlichen Dienst – und über Privatisierungen trauen sich die Liberalen nicht einmal mehr hinter verschlossenen Türen nachzudenken. Kein Wunder, halten selbst honorige Wirtschaftsforscher wie Wifo-Chef Gabriel Felbermayr EU-Defizit-verfahren für kein Malheur, weil Österreich damit mehr Zeit zur Sanierung seines maroden Staatshaushalts bekäme.

Vielleicht könnten Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger nach den Feiertagen ja noch schnell für ein paar Tage nach Athen jetten, um sich von Kyriakos Mitsotakis erklären zu lassen, wie man einen heruntergewirtschafteten Staat saniert. Und was Österreich tun muss, um das neue Griechenland zu werden.

Kolumne von Franz Schellhorn für “Die Presse” (21.12.2024) 

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