Warum nicht mal höhere Steuern?
- 08.09.2019
- Lesezeit ca. 4 min
Im laufenden Jahr ist ein Überschuss im Bundeshaushalt kaum noch abzuwenden. Aber keine Sorge: Es handelt sich um ein singuläres Ereignis. Versprochen!
Während in Deutschland nahezu stündlich die Ankunft der Rezession erwartet wird, zeigt sich Österreich noch recht beschwingt. Von einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung ist nichts zu sehen, wenngleich sich die Hinweise auf eine konjunkturelle Abkühlung verdichten. Das ist höchst ungewöhnlich, schließlich hieß es in früheren Jahren stets: „Fängt sich Deutschland einen Schnupfen, bekommt Österreich die Grippe“. Derzeit scheint Österreich ein wenig zu niesen, während Deutschland bereits schwere Bettruhe verordnet wurde. Das alles heißt nur leider nicht, dass der Abschwung einen großen Bogen um Österreich machen wird. Wir sind nur mit vielem etwas später dran, so hat sich auch der nun zu Ende gehende Aufschwung erst mit einiger Verspätung bei uns blicken lassen.
Bemerkenswert an der aktuellen Lage ist jedenfalls, dass im Finanzministerium noch immer Partystimmung herrscht, während allerorts über Rezession oder Abschwung geredet wird. Die Steuereinnahmen boomen, alle im Vorjahr erzielten Rekordwerte wurden im laufenden Jahr weit übertroffen, weshalb sich Finanzminister Eduard Müller nach dem ersten Halbjahr über prallgefüllte Kassen freuen darf. Plus 5,3 Prozent bei der Lohnsteuer, plus 9,6 Prozent bei der Körperschaftsteuer, plus 14 Prozent bei der Einkommensteuer, in Summe liegen die Einnahmen nach sechs Monaten um 1,1 Milliarden Euro über dem Vorjahreszeitraum (bereinigt um Sondereffekte). Neben der brummenden Konjunktur hilft dem Finanzminister auch die kalte Progression, also die Besteuerung der Inflation, die offensichtlich zum Land gehört wie die Panier zum Wiener Schnitzel.
Das alles hat zur Folge, dass heuer im Bundeshaushalt ein Überschuss nicht mehr zu vermeiden sein wird. Es wäre der erste seit 1954, im Staatshaushalt gab es bereits letztes Jahr ein leichtes Plus, allerdings nur dank der Überschüsse in den Ländern, Gemeinden und bei den Sozialversicherungsträgern. Aber keine Sorge, das Plus im Bundeshaushalt wird ein singuläres Ereignis bleiben. Mit den im Vorwahlkampf beschlossenen Mehrausgaben hat die Politik sichergestellt, dass Österreich mit einem milliardenschweren Rucksack an Belastungen in die konjunkturelle Schwächephase startet.
Zu diesen budgetären Mehrbelastungen gehört vor allem einmal die großzügige Anhebung der Pensionen. Diese Woche wird mit der Reduktion der Krankenkassenbeiträge für Geringverdiener nachgelegt. Gegen niedrigere Lohnnebenkosten ist auch nichts einzuwenden. Interessant ist, dass der Einnahmenausfall von mindestens 700 Millionen Euro pro Jahr nicht über Einsparungen bei den Krankenkassen abgefedert, sondern aus dem Bundesbudget gedeckt werden soll. Und das, obwohl die Sozialversicherungsträger auf Reserven von über sechs Milliarden Euro (!) sitzen, wovon der Finanzminister nur träumen kann.
Dazu passt die im Wahlkampf aufgeflammte Steuerdebatte. Das Land hat bekanntermaßen kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Wir wären aber nicht in Österreich, würden nicht alle Parteien das Ausgabenproblem über das Erschließen neuer Einnahmequellen zu lösen versuchen. So dreht sich dieser Tage alles um die Frage, welche neuen Steuern denn nicht dringend zum Wohle der Bevölkerung einzuführen wären. Von der Finanztransaktionssteuer, über Aktiensteuern, die CO2-Steuer, neue Klima-Importsteuern bis hin zu Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern ist alles im Angebot. Nur eines ist im Höchststeuerland Österreich nicht zu haben: Eine Partei, die in ihrem Wahlprogramm keine neue Steuer anzubieten hat.
Vergleichsweise still ist es um die großangelegte Entlastung geworden, die für 2020 geplant war. Schade, denn die überaus hoch belasteten Erwerbstätigen hätten sich eine kräftige Steuersenkung verdient. Nicht diskutiert wird auch darüber, wie heute sicherzustellen wäre, dass in wirtschaftlich guten Jahren immer Überschüsse anfallen. Und was dann mit dem Geld zu passieren hat. Die einen könnten vorschlagen, mit dem Geld die Steuern zu senken, die anderen für die Rückzahlung von Schulden eintreten und Dritte für die Errichtung eines Staatsfonds plädieren. Die dort geparkten Budgetüberschüsse könnten weltweit veranlagt werden, so wie das skandinavische Wohlfahrtsstaaten machen. Mit den Erträgen könnten wahlweise die Folgen des Klimawandels bekämpft, die Pflegekosten bezahlt oder in einigen Jahrzehnten die Finanzierungslücke im öffentlichen Pensionssystem gestopft werden. Letzteres wäre vor allem für jene interessant, die gerade damit beginnen, in das öffentliche Umlagesystem einzuzahlen und in 40 Jahren vor einer gröberen Enttäuschung stehen werden, wenn sie die erste Pension überwiesen bekommen.
All das wäre ein guter Diskussionsstoff für Wahldebatten. In Vorwahlkampfzeiten sicherzustellen, dass in naher Zukunft keine Überschüsse mehr „passieren“, ist vermutlich nicht die beste Strategie.
Schon gar nicht für Länder, deren Schnupfen sich zu einer veritablen Grippe auszuwachsen droht.
Kommentar von Franz Schellhorn im neuen Profil (08.09.2019).
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