Einkommen

Von der Herbstlohnrunde zum Kreativworkshop

In der Haut der Verhandler möchte man bei der diesjährigen Herbstlohnrunde nicht stecken.

Die Gewerkschaften der Metaller haben bei den Arbeitgebervertretern eine Forderung von schlanken 11,6 Prozent deponiert. Aus ihrer Sicht ist das nur verständlich; immerhin liegt allein die relevante Inflationsrate bei 9,6 Prozent und über den Herbst wird man etwas Verhandlungsmasse noch gut brauchen können.

Indem der Staat auf seine „Zufallsgewinne“ verzichtet, sorgt er für Spielraum am Verhandlungstisch; bei den nächsten Verhandlungen müsste das dann mitgedacht werden.

Aufseiten der Arbeitgeber hatte man zwar noch Schlimmeres befürchtet, aber trotzdem dürfte man sich wie im falschen Film vorkommen. Übergewinne? Gierflation? Zweifellos haben viele Unternehmen prächtig an der Entwicklung des letzten Jahres verdient, aber die Industrie gehörte eher nicht dazu. Während die Gewinne bei den Energieversorgern sprudelten, sah es in der Industrie eher düster aus. Tatsächlich ist die Industrie bereits in einer Rezession und segelt stürmischen Zeiten entgegen. Und nun soll sie noch den Steigbügel halten für satte Abschlüsse in anderen Branchen?

Beide Seiten werden sich in den kommenden Wochen giftig beflegeln. Um den Sack zuzukriegen, braucht es vielleicht einen dritten Spieler am Tisch. Natürlich hat der Staat in Lohnverhandlungen nichts zu suchen, aber schließlich war er es, der durch seine ausufernden Hilfsprogramme zumindest dazu beigetragen hat, dass die Inflation hierzulande höher ist als andernorts. Es wäre nur folgerichtig, wenn er nun auch Teil der Lösung wäre. Die ausgestreckte Hand der Regierung versteckt sich in § 124b Z 408 EStG und heißt Teuerungsprämie. Die Gewerkschaften lehnen die abgabenfreie Einmalzahlung ab, weil sich „einmal“ nur schwer als Erfolg verkaufen lässt. Dabei wäre es genau das: Indem der Staat auf seine „Zufallsgewinne“ verzichtet, sorgt er für Spielraum am Verhandlungstisch; bei den nächsten Verhandlungen müsste das dann mitgedacht werden.

So oder so: Mehr Kreativität als im Vorjahr werden die Sozialpartner dieses Jahr jedenfalls brauchen.

Gastkommentar von Jan Kluge für die “Kleine Zeitung” (03.10.2023).

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