Außenhandel

Vier Jahre CETA und kein Chlorhuhn im Regal

Corona, Klima, Terror: Fake-News werden überall als Problem erkannt. Nur, wenn es um Freihandel geht, nicht. Da gedeihen sie wie eh und je.

Vor fünf Jahren war Österreich dem Untergang geweiht. Damals verhandelte die EU mit den Kanadiern über ein Freihandelsabkommen.

Angst ist kein guter Ratgeber. Fake News auch nicht. Am allerschlimmsten sind Fake News, die Angst produzieren. Außer es geht um wirtschaftliche Themen. Wie etwa Freihandel. Da ist alles erlaubt, scheint es.

Vor fünf Jahren war Österreich dem Untergang geweiht. Damals verhandelte die EU mit den Kanadiern über ein Freihandelsabkommen. Das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA) geriet schnell in eine emotionsgeladene Schlacht. Als „schwarzen Tag für einen fairen internationalen Handel“ bezeichnete die Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl das Abkommen. Durch CETA bekämen Konzerne privilegierte Sonderklagerechte, mahnte der heutige Vizekanzler Werner Kogler. In einer Broschüre warnte die Arbeiterkammer: „Es ist zu befürchten, dass durch eine gegenseitige Anerkennung oder Harmonisierung wichtige Verbote oder Regelungen zum Schutz der Gesundheit, der ArbeitnehmerInnen oder der Lebensmittelsicherheit gelockert oder gar aufgehoben werden.“ 

Wasserversorgung, Müllentsorgung, öffentliche Verkehrsmittel, Krankenhäuser: Alles sei gefährdet. Alles werde privatisiert. Politik würde nicht mehr von der Regierung und dem 

Nichts davon ist eingetreten. Seit vier Jahren gilt das CETA-Abkommen nun. Entgegen allen Prophezeiungen hat kein kanadisches Unternehmen die EU verklagt, um bestimmte Sektoren zu liberalisieren und Unternehmen zu privatisieren.

Nationalrat gemacht, sondern in den Hinterzimmern kanadischer und europäischer Bürokraten in Form der Regulierungszusammenarbeit. 

Nichts davon ist eingetreten. Seit vier Jahren gilt das CETA-Abkommen nun. Entgegen allen Prophezeiungen hat kein kanadisches Unternehmen die EU verklagt, um bestimmte Sektoren zu liberalisieren und Unternehmen zu privatisieren. Wir haben in Österreich noch immer eine staatlich organisierte Gesundheitsversorgung, öffentliche Verkehrsbetriebe oder sonstige Dienstleistungen der staatlichen Vorsorge. Auch die Gasgewinnung durch Fracking hat es nicht durch die Hintertür nach Österreich geschafft. Auch haben sich keine amerikanischen Chlorhühner über die kanadische Grenze bis zu uns ins Tiefkühlregal verirrt. Wir genießen hierzulande weiterhin den weltweit höchsten Konsumenten-, Umwelt- oder Arbeitnehmerschutz. Statt in eine Privatisierungswelle zu fallen, ist die öffentliche Hand heute aktiver als je zuvor. 

Aber: In diesen vier Jahren haben sich die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Kanada intensiviert. Es ist genau das eingetreten, was sich die Befürworter des Abkommens erwartet haben. Die österreichischen Exporte in den Norden Amerikas erhöhten sich seither um mehr als ein Viertel. Mehr als doppelt so stark wie die Exporte in den Rest der Welt. Die größere globale Vernetzung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit, die Wirtschaftsleistung und Beschäftigung in Österreich. 

Der Außenhandel ist Quelle des österreichischen Wohlstands.

Der Außenhandel ist Quelle des österreichischen Wohlstands. Jeder zweite Euro wird im Ausland erwirtschaftet, knapp eine halbe Million österreichische Arbeitsplätze hängen am Handel mit Ländern außerhalb der EU. Statt von lokalen Wertschöpfungsketten zu träumen, sollte die Politik die Weichen stellen, damit auch kommende Generationen diesen Wohlstand genießen können. 

Gerade das kleine Österreich hat allen Grund, sich zum Freihandel zu bekennen. Als Exportnation dürfen wir nicht tatenlos zusehen, wie Protektionismus weltweit neue Blüten treibt und unseren Wohlstand gefährdet. Gerade dort, wo die USA sich aus Handelsverträgen zurückziehen, kann Europa aktiv werden. Vor allem müssen die Befürworter von Freihandel und Globalisierung endlich aus der Defensive kommen. Es braucht ein klares Bekenntnis zu globalen Handelsketten. Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass nationalistische Tendenzen ins Nichts führen. Schranken reißen sich nicht von allein nieder. Aber Angst ist jedenfalls ein schlechter Ratgeber. 

Gastkommentar von Hanno Lorenz in der „Presse” am 29.09.2021

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