Beschäftigung

Verteilen, was nicht erwirtschaftet wurde

Während die SPÖ die 32-Stunden-Woche propagiert, glauben frühere Spitzenpolitiker der Sozialdemokratie, dass wir eher länger arbeiten müssen.

Es gibt Gedanken, die man hierzulande besser nicht denkt und schon gar nicht ausspricht. Zum Beispiel folgenden: „Wir werden in Zukunft eher mehr als weniger arbeiten müssen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen.“ Mit dieser Aussage hat Europaministerin Karoline Edtstadler nicht nur die Gewerkschaften getriggert, sondern auch die eigene Partei aufgeschreckt. Nichts fürchtet die ÖVP mehr, als vor den Wahlen als herzlose Wirtschaftspartei durch den politischen Kakao gezogen zu werden. Dabei ist die Europaministerin mit ihrer Sicht der Dinge nicht allein. „Die Frage ist: Wie schaffen wir es, den Wohlstand in Europa zu halten? Was einem wirklich Sorgen bereiten muss, ist, dass wir heute glauben, mit Arbeitszeitverkürzung oder indem wir es ein bisserl ruhiger angehen, wird das funktionieren.“ Das sagt nicht etwa der Generalsekretär des manchesterliberalen Gedächtnisvereins, sondern der frühere sozialdemokratische Bundeskanzler Christian Kern in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ Anfang dieser Woche.

Ähnlich pointiert meldete sich in jüngster Zeit auch der langjährige Vorsitzende der SPD Sigmar Gabriel zu Wort. Er ruft seine Landsleute auch dazu auf, sich wieder mehr ins Zeug zu legen. Vor einem Vierteljahrhundert sei die Verkürzung der Arbeitszeit mit der seinerzeit steigenden Arbeitslosigkeit erklärt worden, heute aber hätten wir genau die gegenteilige Entwicklung zu beklagen: „Uns fehlen Menschen für die Arbeit, weil die Babyboomer in Rente gehen und danach der Pillenknick kommt.“ In Deutschland werden bis 2030 fünf Millionen mehr Menschen in Pension gehen, als in die Arbeitsmärkte nachrücken. Mit Zuwanderung werde diese demografische Lücke nicht zu schließen sein, deshalb müssten die Deutschen wieder mehr arbeiten. Zumal Europas größte Volkswirtschaft nicht dauerhaft mit 75 Prozent Einsatz gegen Anbieter konkurrieren könne, deren Arbeitnehmer 150 Prozent leisten.

An dieser Stelle wenden amtierende Sozialdemokraten und deren Vorfeldorganisationen gerne ein: Ja, aber die Produktivität! Die ist doch massiv gestiegen, während die gesetzliche Arbeitszeit seit den 1980er-Jahren unverändert bei 40 Stunden die Woche verharre! Stimmt, die Produktivität ist deutlich höher als früher. Deshalb schaffen heute viele Beschäftigte in kürzerer Arbeitszeit mehr als ihre Vorgängergeneration. Die erzielten Produktivitätszuwächse wurden allerdings nicht irgendwo angespart, sie wurden den Arbeitnehmern im Zuge der Lohnverhandlungen gemäß der Benya-Formel ausgezahlt. Vollzeitbeschäftigte verdienen heute inflationsbereinigt um rund ein Drittel mehr als vor 50 Jahren.

Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit liegt im Schnitt bei 33,5 Stunden die Woche – so wenig wie fast nirgendwo in Europa.

Was nichts daran ändert, dass die gesetzliche Arbeitszeit noch immer so hoch ist wie vor 40 Jahren. Jedenfalls in der Theorie – im gelebten Arbeitsalltag ist sie sukzessive gesunken. Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit liegt im Schnitt bei 33,5 Stunden die Woche – so wenig wie fast nirgendwo in Europa. Die geleistete Jahresarbeitszeit hat sich in den vergangenen 50 Jahren um knapp 300 Stunden reduziert. Den Spitzen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft geht das aber noch nicht weit genug. Sie wollen eine Höchstarbeitszeit von 32 Stunden die Woche für alle Beschäftigten, und das bei vollem Lohnausgleich.

Womit wir zurück bei Christian Kern wären: „Verteilen, was noch nicht erwirtschaftet wurde, ist ein Trend der Zeit. Aber bevor wir uns günstigere Arbeitszeiten leisten können, müssen wir uns fragen: Wie werden wir als Volkswirtschaft produktiver, damit wir unsere soziale Infrastruktur finanzieren können?“ Genau das ist der Punkt, zumal die gesamtwirtschaftliche Produktivität in Österreich kaum noch wächst. Je geleisteter Arbeitsstunde tut sie das zwar noch, aber je Beschäftigtem passiert schon seit der Finanzkrise nicht mehr viel. Der Grund dafür ist nicht schwer zu erraten: Es ist der ungebrochen starke Trend zur Teilzeit. Zu viele Menschen arbeiten schlicht und ergreifend zu wenig. Das ist zwar ihr gutes Recht, die meisten von ihnen können es sich schließlich leisten. Der Staat sollte aber möglichst rasch damit aufhören, die Teilzeit über steuerliche Anreize zu subventionieren. In den vergangenen Jahren wurde vor allem am unteren Ende entlastet, mit dem Ergebnis, dass der Nettostundenlohn in der Teilzeit höher ist als jener in der Vollzeit.

Für den großzügig ausgebauten Wohlfahrtsstaat ist das keine gute Nachricht. Bereits in sechs Jahren haben nur noch 1,5 Erwerbstätige einen Pensionisten zu erhalten. Schon heute müssen die Steuerzahler jährlich 30 Milliarden Euro ins staatliche Pensionssystem zuschießen, um es vor dem finanziellen Zusammenbruch zu retten. Wie das mit einer immer kleiner werdenden Gruppe von Beschäftigten, die noch dazu immer weniger arbeitet, finanziert werden soll, können nicht einmal gestandene Sozialdemokraten wie Christian Kern oder Sigmar Gabriel nachvollziehen.

Kolumne von Franz Schellhorn im “Profil” (05.05.2024). 

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