Eine Einjahresbilanz: Nicht alles, was die neue Regierung auf den Weg gebracht hat, war schlecht. Aber auch längst nicht alles gut. Der Versuch einer wirtschaftspolitischen Einordnung.
Wirklich leicht hat es die Politik ja nicht, die doch recht sportlichen Erwartungen der Bürger dieses Landes zu erfüllen: Wurde über Jahre hinweg der Stillstand der großkoalitionären Regierung beklagt (allen voran von vielen Medien), scheint nun der Umbau des Landes vielen viel zu schnell und noch dazu in die völlig falsche Richtung zu gehen (allen voran vielen Medien). Ganz nach dem Motto: “Es muss endlich etwas geschehen, aber es darf nichts passieren”. Nichts könnte die Zerrissenheit des politisch bewegten Österreichers besser illustrieren als dieser eine Franz Grillparzer zugeschriebene Satz. Was aber ist in den vergangenen zwölf Monaten tatsächlich geschehen? Und was ist passiert? Aus wirtschaftspolitischer Sicht war es doch einiges. Allen voran der ganz große Aufreger, die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Seit September darf in Ausnahmefällen zwölf Stunden pro Tag gearbeitet werden, in einem Zeitraum von 17 Wochen die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden aber nicht überschritten werden.
Zwölfstundentage und 60-Stunden-Wochen können also nicht zum Normalfall werden.
Das wissen auch die Vertreter von Gewerkschaft und Arbeiterkammer, was sie nicht daran hinderte, einen PR-Coup zu landen und dem ganzen Land erfolgreich einzureden, ins arbeitsrechtliche Mittelalter zurückgeworfen worden zu sein. In vergleichbaren Sozialstaaten wie Schweden und Dänemark gibt es übrigens überhaupt keine tägliche Höchstarbeitszeit, dort greift die von der EU vorgeschriebene Mindestruhe von elf Stunden.
Warum es die Regierung verabsäumt hat, die Bevölkerung für diese Gesetzesänderung zu gewinnen, bleibt ein Rätsel. Eine offene Volkswirtschaft mit einem stark ausgebauten Sozialstaat kann sich den Luxus nicht leisten, Aufträge zu Spitzenzeiten abzulehnen. Das wusste auch die von der SPÖ geführte Vorgängerregierung, die den Sozialpartnern Anfang 2017 den Auftrag erteilte, sich auf flexiblere Arbeitszeiten zu verständigen und einen Mindestlohn auszuhandeln. Der Mindestlohn war im Nu paktiert, die ausverhandelte Arbeitszeitflexibilisierung blieb in den herannahenden Nationalratswahlen stecken. Die neue Regierung hat das gemacht, was bereits die alte angekündigt hat: das Gesetz selbst dem Nationalrat vorzulegen, sollten die Sozialpartner scheitern. Und das sind sie nun einmal.
Wahrlich kein Fehler ist die Fusion der Sozialversicherungen. Abgesehen von den Beschäftigten und den Funktionären der betroffenen Institutionen wird niemand behaupten wollen, dass es 21 Sozialversicherungsträger samt Verwaltungsapparaten braucht, um die Bürger erfolgreich gegen Krankheit, Unfälle, Arbeitslosigkeit und Altersarmut abzusichern. Unverständlich bleibt auch in diesem Fall die Art der Erzählung. Wie viel Geld eingespart wird, ist keineswegs unwichtig. Entscheidend ist, dass es ein faires und transparentes Versicherungssystem für alle Bürger gibt. Eine öffentliche Sozialversicherung, in der jeder eingezahlte Euro dieselbe Leistung auslöst. Davon ist die Regierung zwar noch weit entfernt, auch in der neuen Struktur werden einzelne Berufsgruppen wie Beamte privilegiert behandelt. Aber ein erster Schritt in die richtige Richtung ist gesetzt.
Und wer sollte etwas dagegen einwenden, dass Mindestsicherungsbezieher mehr Geld am Arbeitsmarkt dazuverdienen dürfen?
Es gibt keinen besseren Schutz als den Arbeitsmarkt. Die finanzielle Unterstützung an die Bereitschaft zu knüpfen, die Sprache des neuen Landes zu erlernen ist eine Selbstverständlichkeit. Wer Deutsch fordert, muss aber auch ausreichend Deutschkurse anbieten, sonst wird die Sache zynisch.
Wenn aber Caritas und Co kritisieren, dass für das dritte Kind nur noch unmenschliche 43 Euro Mindestsicherung pro Monat gezahlt werden, dann unterschlagen sie bewusst die Information, dass es für drei Kinder in Summe 388 Euro Mindestsicherung und 613 Euro Familienbeihilfe gibt. Macht 1001 Euro pro Monat allein für die Kinder. Das ist nicht fürstlich, aber alles andere als unmenschlich.
Geradezu ein Drama ist, dass die Absicherung des öffentlichen Pensionssystems auch unter der neuen Regierung ausbleibt. Am gesetzlichen Pensionsantrittsalter wird nicht gerüttelt, die Umverteilung von Jung zu Alt geht munter weiter. Dabei übersteigen die Auszahlungen an die Pensionisten die Einzahlungen der Aktiven bereits um rund 20 Milliarden Euro im Jahr. Das ist mehr als eine Hypo Alpe Adria pro Jahr oder ein Viertel des Bundeshaushalts. Tendenz steigend.
Die Zahl der über 65-Jährigen wird bis zum Ende des Jahrhunderts um 1,3 Millionen steigen, das ist ein Plus von 86 Prozent. Während die Zahl der Erwerbsfähigen bis dahin um etwas mehr als hunderttausend gesunken sein wird. Man muss kein beeideter Versicherungsmathematiker sein, um den Handlungsbedarf zu erkennen. Dabei müssten wir alle nur etwas später in Frühpension gehen, um das staatliche Umlagesystem zu stabilisieren.
Ohne Pensionsreform lässt sich auch der Staatshaushalt nicht nachhaltig sanieren. Nun ist zweifellos richtig, dass die Budgetkonsolidierung voranschreitet und andere Länder noch schlechter dastehen als Österreich. Das ändert aber nichts daran, dass diese Regierung mit dem Versprechen angetreten ist, der immerwährenden Schuldenpolitik ein Ende zu setzen.
Trotz boomender Wirtschaft und sinkender Arbeitslosenzahlen erwartet der Finanzminister auch heuer ein Budgetdefizit. Das wäre das 64. in Folge – in einem konjunkturell derart hervorragenden Jahr wie diesem schon fast ein Kunststück. Zum Vergleich: Deutschland erwirtschaftet seit 2014 Überschüsse, Schweden seit 2015 und selbst Griechenland seit 2016.
Sollte hierzulande heuer doch noch eine “schwarze Null” gelingen, dann läge das nicht an der Reformarbeit der Regierung, sondern an den enorm hohen Steuerleistungen der Bürger. Auch die neue Regierung hat den Ausgabenrausch der öffentlichen Hand nicht unter Kontrolle gebracht, das wird vor allem im kommenden Jahr sichtbar werden, wenn sich die Konjunktur von einer deutlich weniger freundlichen Seite zeigt. “Stabilisierend” für das Budget werden dann nur die hohen Lohnabschlüsse aus dem heurigen Herbst wirken. Von denen profitiert der Staat nämlich mehr als die Arbeitnehmer.
Ungeachtet dessen ist in den vergangenen zwölf Monaten wirtschaftspolitisch einiges geschehen.
Auch wenn noch nicht viel passiert ist – aber es den Bürgern in diesem Land recht zu machen ist wie gesagt alles andere als einfach.
Kommentar von Franz Schellhorn in „derstandard.at“, 20.12.2018
Die ÖVP möchte bei den Förderungen den Rotstift ansetzen. Laut Eurostat flossen 2023 rund 33 Milliarden Euro oder 6,9 Prozent des BIP in Förderungen, während der EU-Durchschnitt bei 6,3 Prozent liegt. Vor der Pandemie lag die Förderquote in Österreich bei rund fünf Prozent, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt. Allein im Jahr 2023 h
Effizienter organisierte Staaten wie die Schweiz oder auch Schweden heben deutlich mehr Steuern lokal ein. Das sorgt für mehr Kostenwahrheit auf der regionalen Ebene und damit auch für geringere Ausgaben insgesamt.
Länder wie die Schweiz und Schweden zeigen, wie ein Staat auch ohne laufende Defizite bestens funktionieren kann. Seit Einführung der Schuldenbremse konnten etwa die Schweizer ihre Schuldenquote im Bund um knapp zehn Prozentpunkte sowie im Gesamtstaat um fast 20 Prozentpunkte in Relation zum BIP senken.
Dieses muss aber nicht durch neue Steuereinnahmen aufgetrieben werden, sondern könnte durch eine Umstrukturierung der Bildungsausgaben frei werden. Hierzulande wird für die frühen Phasen der Bildungskarriere – im Verhältnis zu fortgeschrittenen Ausbildungsstufen – wenig Geld ausgegeben. Länder wie Dänemark, Schweden oder Estland investier
Bei der Arbeitsmarktbeteiligung älterer Menschen gibt es in Österreich noch viel Luft nach oben. Zwar führte der Personalbedarf bereits in den vergangenen Jahren zu einer steigenden Beschäftigungsquote bei Älteren.
Auf Österreich kommen massive demografische Veränderungen zu. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Menschen über 65 Jahre um rund 50 Prozent steigen, während die Zahl der 20- bis 65-Jährigen deutlich abnimmt.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
Lernen Sie uns kennenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen