Strenger reguliert werden die Mieten nur noch in Pjöngjang
- 20.02.2023
- Lesezeit ca. 4 min
Für die meisten Wohnungsmieten in Österreich gilt bereits ein Preisdeckel. Wegen der Teuerung will der Staat jetzt noch stärker eingreifen. Das ist keine gute Idee.
Wie man es dreht und wendet, die hartnäckige Teuerungswelle macht einer steigenden Zahl von Haushalten schwer zu schaffen. Manche wissen nicht mehr, wie sie angesichts rasant steigender Preise ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Das gilt vor allem für viele Mieter, deren Quartiergeber demnächst die Tarife kräftig anheben werden. In Österreich ist es nämlich so, dass die Mieten an die Inflationsrate gekoppelt sind. Steigt die Teuerung, erhöht sich mit einer Zeitverzögerung von ein bis zwei Jahren auch die Miete. Angesichts der galoppierenden Preise fordern nun SPÖ, FPÖ und die Arbeiterkammer, dass die Bundesregierung dem unwürdigen Treiben ein Ende setzt und die Mieterhöhungen untersagt. Die ÖVP ist kurz davor, den Forderungen nach weiteren staatlichen Eingriffen nachzugeben.
So plausibel die Forderung nach einer Mietpreisbremse aus der Sicht der Bevölkerung sein mag, so eindeutig sind die negativen Erfahrungen mit derartigen Preisbremsen. In welcher Stadt sie auch eingeführt wurden, überall zeigen sie dasselbe Ergebnis: Sie sind ein Segen für die Besserverdiener und verschärfen die Wohnungsnot für die Einkommensschwächeren. Sobald nämlich die Preisbremsen greifen, werden zahlreiche Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen umfunktioniert und an eine zahlungskräftige Klientel abverkauft. Weil sich das Vermieten nicht mehr lohnt. Das Angebot an Mietwohnungen geht zurück, worunter vor allem jene zu leiden haben, die nach einer leistbaren Bleibe suchen. Entweder, weil sie neu in der Stadt sind, von zu Hause ausziehen, den Arbeitsplatz wechseln oder eine Familie gründen wollen.
Unter Wirtschaftswissenschaftlern ist mittlerweile kaum eine Erkenntnis so unumstritten wie jene, dass Mietpreisbremsen mehr schaden als nutzen. Auf die Theoretiker hört die stimmenmaximierende Politik leider nicht, weshalb sich in der Praxis immer wieder dasselbe Schauspiel wiederholt. Etwa in Spanien, das seit gut einem Jahr die Mieten bremst. Innerhalb dieses Zeitraums ist das Angebot an Mietwohnungen um 20 Prozent eingebrochen. In Berlin hat die rot-rot-grüne Regierung die Mieten vor dreieinhalb Jahren gedeckelt – das Angebot an regulierten Mietwohnungen hat sich innerhalb von zwölf Monaten um 45 Prozent verringert, dafür waren im selben Zeitraum um 25 Prozent mehr Eigentumswohnungen auf dem Markt. Womit sich die Wohnungsnot weiter verschärfte. Sehr zur Freude der Einkommenselite: Obwohl Mieten durch den Preisdeckel auch für Niedrigverdiener leistbarer werden, ziehen diese meist den Kürzeren. Die Vermieter können sich angesichts der hohen Nachfrage ihre Kunden aussuchen – und das Rennen machen weniger überraschend jene mit der höchsten Summe auf dem Lohnzettel.
Strenge Mietpreisbremsen nützen freilich jenen, die bereits eine Wohnung haben. Dabei ist es nicht so, dass diese Bestandsmieter bisher schutzlos dem freien Spiel der Märkte ausgesetzt gewesen wären. Allein in Wien sind neun von zehn Mietverhältnissen längst dem staatlichen Preisdiktat unterworfen. Strenger reguliert sind nur noch Havanna und Pjöngjang. Nun sollen die Vermieter auch noch um die Wertsicherung ihrer ohnehin schon gedeckelten Mieteinnahmen gebracht werden. Obwohl die Einkommen ihrer Mieter laufend mit der Inflation mitwachsen. Während die Tariflöhne zwischen April 2014 und Dezember 2022 um knapp 21 Prozent gestiegen sind, erhöhten sich die Richtwertmieten um 14 Prozent. Höhere Mieten sind für die breite Masse der Erwerbstätigen zwar unerfreulich, aber verkraftbar.
Ganz anders sieht es für jene aus, die studieren, ihren Job verlieren oder bereits seit Jahren erwerbslos sind. Ihre Einkommen können mit der Teuerung nicht mithalten. Um diese Bevölkerungsgruppen sollte sich die Solidargemeinschaft kümmern. Allerdings nicht mit flächendeckenden Mietpreisbremsen, über die sich vor allem die urbanen Besserverdiener in ihren schicken Altbauwohnungen freuen. Sondern mit treffsicherer Sozialpolitik. Etwa in Form von gezielter finanzieller Unterstützung durch erhöhte Wohnbeihilfen. Flächendeckende Mietpreisbremsen hingegen nützen insbesondere jenen, für die sie nicht gedacht sind. Und sie schaden jenen, die bereits unter der akuten Wohnungsnot zu leiden haben.
Kolumne von Franz Schellhorn für die “Presse” (18.02.2023).
Mehr interessante Themen
Verdienen sich Vermieter eine goldene Nase?
Viele Österreicher sehen in der Mietentwicklung der letzten Jahre eine reine Zumutung. Mit der Inflation wurden viele Mietverträge teurer. Für die meisten ist die Ursache der Missstände völlig klar: Nicht die lockere Geldpolitik, nicht die Regierung mit ihrer verfehlten Wohnbaupolitik sind die Schuldigen. Sondern die Gier der Miet-Haie, sie tr
Die gefühlte Wohnkosten-Explosion
Aufgrund der hohen Inflationsraten in Österreich ist auch das Thema Wohnen auf die politische Bühne zurückgekehrt. Die Bundesregierung hat eine Mietpreisbremse beschlossen, die KPÖ hat mit dem Thema Bürgermeisterwahlen gewinnen können, zumal sich eine wachsende Zahl von Bürgern von den steigenden Wohnkosten regelrecht überrollt fühlen. Die
Einkommensverteilung der Haushalte in geförderten und ungeförderten Mietwohnungen
Zusätzlich zu den Verteilungen der tatsächlichen Haushaltseinkommen zeigen die gepunkteten Linien die virtuellen Einkommen, wenn jeweils die gesparte Miete hinzugefügt wird.
Große Mietvorteile im geförderten Wohnbau
Die Grafik zeigt, dass auch die Besserverdienerhaushalte in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung kräftige Förderungen erhalten. Auch ihre Wohnungen wären am freien Markt erheblich teurer.
Mietwohnungen in Österreich und Wien
In Österreich fallen die allermeisten Wohnungen unter eine der oben genannten Regulierungsmöglichkeiten. Nach unserer Schätzung – zu Daten und Methode kommen wir noch – sind in Österreich nur rund 19 Prozent der Mietwohnungen am freien Markt vermietet; in Wien sind es sogar nur 11 Prozent.
Baubewilligungen im freien Fall
Hohe Baukosten, gestiegene Zinsen und die erschwerten Kreditvergaberichtlinien machen dem Wohnungsbau in Österreich schwer zu schaffen. Die Baubewilligungen sind seit 2022 stark rückläufig, wie eine Auswertung der Agenda Austria zeigt. Rund 2,5 Quadratkilometer Wohnfläche wurden im vergangenen Jahr österreichweit in neuen Wohngebäuden bewilli