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Der Bundeskanzler ordnet die amtliche Statistik neu – das hat Einfluss auf den Wissenschaftsstandort Österreich.
Alea iacta est – der Würfel ist geworfen –, bemerkte Cäsar, als er den Rubikon überschritt. Er beschrieb damit jenen Punkt, von dem an es kein Zurück mehr gibt: Das Ergebnis steht bereits fest, ist aber noch unbekannt. Österreichs amtliche Statistik befindet sich zurzeit in einer ähnlichen Situation.
Anfang März endete die Bewerbungsfrist für die Positionen der kaufmännischen und der fachstatistischen Leitung der Statistik Austria. Was nach einem drögen Personalpoker innerhalb der öffentlichen Verwaltung klingt, hat Auswirkungen, die weit darüber hinausreichen. Die Bundesanstalt versorgt nicht nur Politik und Verwaltung mit Tabellen und Auswertungen zu (fast) allen wirtschaftlich und sozial relevanten Themen.
Die Statistik Austria ist auch ein gigantischer Datenspeicher – nicht unähnlich dem Geldspeicher des Dagobert Duck. Und wie der geizige Onkel Dagobert, wacht auch die amtliche Statistik oft eifersüchtig darüber, dass keine Außenstehenden an ihre Schätze kommen. Dadurch entsteht ein riesiger Schaden für Österreich im Generellen und für den Wissenschaftsstandort im Speziellen, der in der aktuellen Covid-19-Krise schmerzlich spürbar wird.
Während in vergleichbaren europäischen Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden jährlich hunderte wissenschaftliche Projekte mit Mikrodaten der amtlichen Statistik durchgeführt werden, herrscht hier in Österreich tote Hose. Die Statistik Austria macht ihre Schätze zu Geld. Sie verschanzt sich hinter einem überzogen restriktiven Statistikgesetz und verkauft Analysen und Statistiken zu Preisen, die sie im Dunkeln selbst festlegt. Oder noch schlimmer: Die Daten werden gehortet und gar nicht veröffentlicht.
Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes begeben sich damit der Möglichkeit, von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus vorhandenen Daten zu profitieren, die einfach brachliegen. Gleichzeitig macht die triste Datenlage Österreich für Wissenschafterinnen und Wissenschafter unattraktiv, sie bringt die heimischen zum Abwandern und schreckt die internationalen davor ab, nach Österreich zu kommen.
Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber endlich die Datenspeicher der Statistik Austria öffnet. Aber das allein reicht nicht. Viel wird auch von der künftigen Führung der Statistik Austria abhängen, die neben der Erfüllung der anderen gesetzlichen Aufgaben der amtlichen Statistik auch mit viel Herzblut die Öffnung der Statistik Austria für die Wissenschaft und die entsprechenden Datenzugänge wird umsetzen müssen. Die Öffnung der Datenspeicher muss auch gelebt werden. Dass sich “namhafte Wissenschafter” für die Leitung der Bundesanstalt beworben haben, wie DER STANDARD berichtete, ist ein gutes Omen.
Ein positives Zeichen für die weitere Entwicklung der amtlichen Statistik in Österreich hat Bundeskanzler Sebastian Kurz bereits gesetzt. Mit Martin Kocher hat er einen hochangesehenen Wissenschafter und Ökonom zum Vorsitzenden des Statistikrates – einem Aufsichtsorgan der Statistik Austria – designiert, der sich immer klar und eindeutig für evidenzbasierte Politik und den dafür erforderlichen Zugang der Wissenschaft zu Daten der amtlichen Statistik starkgemacht hat.
Das aktuelle Regierungsprogramm verspricht Verbesserungen, aber noch ist unklar, ob der Gesetzgeber bereit ist, hinsichtlich des wissenschaftlichen Zugangs zu Daten der amtlichen Statistik zu Vorreitern wie den skandinavischen Ländern oder auch Deutschland aufzuschließen. Die bisherige Evidenz rät hier zu einer leichten Skepsis.
Dem Vernehmen nach wird aber auch weiterhin niemand aus den Life Sciences, also den Biowissenschaften, dem Statistikrat angehören. Dies ist bedauerlich, da auch diese Disziplinen stark von einem Zugang der Wissenschaft zu Statistikdaten profitieren würden. Gleichzeitig zum Statistikrat wurde auch der Wirtschaftsrat – das zweite Aufsichtsorgan der Statistik Austria – neu bestellt.
Der Spitalsmanager und Aufsichtsratspräsident der Staatsholding Öbag, Helmut Kern, leitet zukünftig dieses zweite Aufsichtsgremium von Statistik Austria. Es steht zu hoffen, dass der Wirtschaftsrat gemeinsam mit dem Statistikrat und der neuen Leitung eine starke und aktive Achse für eine moderne amtliche Statistik in Österreich bilden wird.
Ob die anstehenden Personalentscheidungen in der Statistik Austria ebenso geschichtsmächtig werden wie Cäsars Überquerung des Rubikon, wird sich weisen. Cäsar wurde durch seine Entscheidung unsterblich und prägte damit das Imperium Romanum für Jahrhunderte.
Gastkommentar von Monika Köppl-Turyna im „Standard“ (29.04.2020)
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