Ein Sparpaket würde nur das zarte Wachstum gefährden, warnen Experten. Seltsamerweise ist der Zeitpunkt für höhere Steuern stets perfekt.
Wann immer in Österreich von Einsparungen die Rede ist, setzt sich eine interessante Argumentationsspirale in Gang: Am Beginn sind sich alle Experten einig, dass wir in einem Hochsteuerland leben, das nicht an zu niedrigen Einnahmen laboriert, sondern an zu hohen öffentlichen Ausgaben. Wer nun glauben sollte, dass der beleibte Staat mit einer fettarmen Schonkost in die Spur zu bringen wäre, arbeitet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in keinem der großen Wirtschaftsforschungsinstitute. Zahlreiche Ökonomen schlagen nämlich vor, das Problem überschießender Staatsausgaben mit höheren Steuern aus der Welt zu schaffen. Das ist ungefähr so, als würde man einem kurz vor dem Herzinfarkt stehenden Patienten nahelegen, sich weniger zu bewegen und etwas mehr zu rauchen.
Am Ende jeder Einsparungsdebatte stehen in Österreich deshalb immer höhere Steuern und Staatsausgaben. Auch jetzt sei für Einsparungen des Staates wieder einmal der völlig falsche Zeitpunkt, wie Experten seit Wochen mit traurigem Blick zu Protokoll geben. Etwa der knallrote Volkswirt Kurt Bayer, demzufolge niedrigere Staatsausgaben die Nachfrage verringern und die Rezession weiter verschärfen würden. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein, auch politisch weniger punzierte Ökonomen wie WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sehen das so: „Jetzt ist nicht die Zeit für ein Sparpaket“, sagte er gegenüber den „Salzburger Nachrichten“.
Stimmt, der Zeitpunkt ist nicht ideal, aber es gibt leider keinen besseren. Läuft es gut, denkt niemand ans Sparen. Läuft es schlecht, sind die Staatsausgaben anzuheben, damit wir aus der „Krise herauswachsen“. Auch wenn das mit dem Herauswachsen nie so richtig funktionieren will: Obwohl die Staatsausgaben mit 54,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich höher liegen als im Jahr 2019 (49,1 Prozent), ist die Wirtschaftsleistung je Bürger heuer um 1,7 Prozent niedriger als im erwähnten letzten Vorkrisenjahr. Und jetzt soll mit noch mehr Staatsgeld auf Pump auf einmal Wachstum erzeugt werden?
Während der Zeitpunkt für niedrigere Staatsausgaben denkbar schlecht sei, dürfte er für höhere Steuern geradezu perfekt sein. Seit Wochen überschlagen sich die Ökonomen aus dem WIFO mit Ideen, wie der Staat den Bürgern noch ein paar Tausender aus den Taschen ziehen könne. Über höhere Tabak-, Alkohol- und Mineralölsteuern zum Beispiel. Oder über eine erhöhte Grundsteuer, die ohnehin viel zu niedrig sei. Wir lernen: Die Bürger werden rasiert, damit der Staat und seine Beschäftigten geschützt bleiben. Die Kaufkraft der Bürger darf zu jeder Tag- und Nachtzeit geschmälert werden, damit der Staat und seine Beschäftigten den Gürtel auch nicht ein Loch enger schnallen müssen.
Dabei wäre Österreich gerade in dieser Hinsicht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zu beginnen wäre mit einer Nulllohnrunde für jene Staatsdiener, deren Jobs vor Kündigung geschützt und mit großzügigen Pensionsversprechen gepolstert sind. Danach sind die staatlichen Subventionsexzesse einzustellen, die Unternehmensförderungen auf Vorkrisenniveau zu senken und die jüngsten vorwahlbedingten Segnungen ersatzlos zu streichen. Das geht vom Handwerkerbonus über die staatliche Förderung von Falträdern bis hin zur Strompreisbremse. Bei den aktuellen Energiepreisen braucht kein Hersteller von Wärmepumpen und kein Betreiber von Windkraftanlagen auch nur einen Cent an öffentlichen Förderungen.
Eine nicht zu verpassende Kürzungschance bietet die Eliminierung der Bildungskarenz, die längst zu einer von der Allgemeinheit finanzierten Auszeit für Besserverdiener umfunktioniert wurde. Die Weiterbildung von Arbeitnehmern ist Aufgabe von Unternehmen, nicht des Sozialstaates. Es ist eine gute Sache, wenn die Einnahmen aus dem Klimabonus nicht im Budget versickern, sondern den Bürgern refundiert werden. Es werden aber um 400 Millionen mehr zurückgezahlt als eingenommen. Diese Überförderung ist zu kürzen. Dasselbe gilt für das Klimaticket, das soll nur noch für die ärmsten Menschen subventioniert werden. Mit einer Absenkung der öffentlichen Werbeausgaben auf das Vor-Corona-Niveau wären weitere 200 Millionen Euro zu holen. Allein diese kleinen Einschnitte würden den Steuerzahlern schon deutlich über drei Milliarden Euro ersparen – ohne dass damit das (ohnehin nicht vorhandene) Wachstum gefährdet wäre. Das genaue Gegenteil wäre der Fall.
Kolumne von Franz Schellhorn für “Die Presse” (01.11.2024)
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