Wirtschaftsjournalist Beat Kappeler blickt in seiner NZZ-Kolumne nach Schweden, wo Regierung und Opposition wiederholt tragfähige Kompromisse schließen. Nicht nur die Schweizer, auch die österreichische Politik sollte sich daran ein Beispiel nehmen.
„Schwedens Opposition wird kein Budget-Chaos veranstalten“, lautete die Schlagzeile vor zehn Tagen. Da waltet Staatskunst – schon wieder. Denn mindestens drei Mal in den letzten 20 Jahren standen Opposition und Regierung zusammen, um in schwieriger Lage gute Lösungen zu finden. Diesmal geht es bloß um das Budget 2016 der sozialdemokratischen Regierung, welche aber im Parlament keine Mehrheit hat. Täten sich die Parteien in der Opposition alle zusammen, könnten sie den Entwurf abstechen. Die Oppositionsführerin der Bürgerlichen, Anna Kinberg Batra, aber bietet Hand zu einer Annahme, weil die Lage wegen der Lasten zugunsten der Flüchtlinge ernst sei.
Viel dramatischer noch war aber die Lage 1992, als Schweden ein Budgetdefizit von 12% des Sozialprodukts einfuhr, als die Krone unter Spekulationsattacken litt und die Einlagen der Banken massiv ins Ausland flohen. Die Sozialdemokraten verloren die Wahlen, weil sie das Schlamassel veranstaltet hatten. Die bürgerliche Regierung fasste einen Sanierungsplan des Schreckens, mit enormen Kürzungen überall. Doch die Sozialdemokraten hatten die Größe, als Oppositionspartei das Sanierungspapier ebenfalls zu unterzeichnen. Sie unterstützten die folgenden Maßnahmen die ganze Zeit, bekamen dafür die volle Einsicht in alle Zahlen, Entwicklungen und Pläne. Innert Wochen stabilisierten sich die Banken, die Krone wurde abgewertet, die Reichsbank wirkte nachher dank der Ruhe an der Heimatfront glaubwürdig gegenüber den ausländischen Kreditgebern.
Hatte sich Schweden im gleichen Horror befunden wie Griechenland 2010 bezüglich Defizit, Kapitalflucht und hoher Schulden, so wandelte es sich zu einem Musterstaat in fiskalischer Hinsicht. Heute sind die Staatsschulden so tief wie jene der Schweiz, die Wirtschaft wächst fast drei mal schneller.
Nach dem Seitenblick auf den vorteilhaften politischen Zusammenhalt Schwedens gegenüber Griechenland darf man diesen Burgfrieden ein drittes Mal nun auch gegenüber der zerstrittenen Schweiz vorzeigen. Denn Schwedens Parteien gestalteten nach 1992-94 die Altersvorsorge in einer Weise nachhaltig, die weltweit bewundert wird. Ein Expertenbericht hatte die unhaltbare frühere Lage aufgezeigt, wie das auch für die Schweizer AHV heute gilt. Alle fünf schwedischen Parteien bildeten eine Arbeitsgruppe, fassten den Reformplan und das Parlament – unterdessen wieder mit sozialdemokratischer Mehrheit – billigte ihn. Bewusst hatte man die Gewerkschaften und Arbeitgeber nicht in die Arbeitsgruppe aufgeboten. Sie konnten nicht dreinreden, trugen aber auch keine „Schuld“ für die Maßnahmen. Die Parteien hatten ausgemacht, die Reform nicht zur einseitigen Profilierung zu missbrauchen. Das neue System lässt die Neurenten wie die laufenden Renten einer Formel folgen, welche das Wirtschaftswachstum, aber auch die längere Lebenserwartung abbildet und die Renten darnach hebt oder senkt. Das Gleichgewicht bleibt gewahrt, was immer passiert.
Dieser politische Zusammenhalt, zwei Mal bei Budgetdramas, einmal zur Rentenreform, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Die Spieltheorie der Politik zeigt die Vorteile gelegentlicher Kooperation. Die kompromissbereite Opposition erwirbt Verhandlungsschulden der anderen Partei. In Schweden geben die Bürgerlichen heute beim Budget nach, 1992 waren es die Sozialdemokraten. Die beiden Parteien sind damit quitt. Konsens kann auch das Gesicht wahren helfen, gerade wenn die nachgebende Partei vorher nicht ganz unschuldig an den Problemen ist. Alle Parteien gewinnen schliesslich gegenüber dem Wähler, welcher Lösungen und nicht Pfauenräder der Parteien verlangt. Sonst verlieren sie an Legitimität überhaupt, wie seit Jahren in den USA. Zwar haben sich die beiden Parteien dort vorgestern endlich auf einen Budgetrahmen verständigt, jedoch mit krassen Mehrausgaben für alle Anliegen. Gespart werden soll ab 2025. Dieser Taschenspielertrick steigert das Ansehen wohl kaum. Und Amerika hat bereits anderthalb mal mehr Staatsschulden als Schweden in der Krise 1992.
Vor 250 Jahren versuchte der Staatsphilosoph Montesquieu die unterschiedlichen Temperamente der Völker und ihrer Regenten zu erklären. Da im Norden die Körper wegen der Kälte sich festigen, hätten die Parteien mehr Selbstvertrauen, weniger Rachedurst, seien offener, ohne List. Die Wärme des Südens hingegen lasse die Körper erschlaffen, den Mut zum Handeln vermissen. Frankreich aber liege ideal zwischen Nord und Süd. Die heute französische Regierung ohne Reformen widerlegt allerdings diese ganze Theorie. Wenn es also nicht an der Wärme oder Kälte liegt, dann könnte ja die neue Legislatur der Schweiz solche Einverständnisse suchen, wie Schweden sie fand.
Die Kolumne erschien am 1.11.2015 in der NZZ am Sonntag, S. 34
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