Geld war gratis und in jeder Menge verfügbar. Die Quittung kommt jetzt – mit Rekordinflation und dem größten Wohlstandsverlust seit Jahrzehnten.
Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der dramatischen Rückkehr der Inflation wird es Zeit, sich von einigen Illusionen zu befreien. Etwa von jener, dass die Freiheit nach dem Zusammenbruch des Kommunismus auch unbewaffnet zu haben sei. Oder von jener, dass sich Wohlstand gefahrlos in den Kellern der Notenbanken drucken lasse. Das exzessive Gelddrucken hat Europa in eine Wohlstandsillusion versetzt, die jetzt ein jähes Ende findet. Die Bürger der Eurozone erleiden derzeit den größten Wohlstandseinbruch der jüngeren Geschichte. Und der hat gerade erst begonnen. Höchste Zeit also für ein paar Einordnungen.
1. Es ist zu viel billiges Geld im Spiel. Für die Verfechter der „völlig gefahrlosen“ Gratisgeldpolitik ist sonnenklar, warum die Preise jetzt durch die Decke gehen: Wegen der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine. Also aufgrund zweier Ereignisse, mit denen niemand wirklich rechnen konnte. Diese beiden „Events“ haben die Preise zweifellos weiter nach oben getrieben. Die Wurzel allen Übels aber ist, dass viel zu viel billiges Geld geschaffen wurde, das nun im Zusammenspiel mit Lieferengpässen und wachsender Unsicherheit seine toxische Wirkung entfaltet. Gäbe es Engpässe nur für einzelne Produkte, würden die Preise nur für diese Produkte steigen. Doch die Teuerung vollzieht sich auf breiter Front. Knapp acht von zehn Gütern des gesamten Warenkorbs weisen eine jährliche Teuerung von über zwei Prozent auf.
2. Wir stehen erst am Anfang. Wer den „Das-ist-doch-alles-nur-vorübergehend“-Propheten glaubte, wird sich ärgern. Die Teuerungswelle nimmt immer mehr an Fahrt auf. Viele Preiserhöhungen sind zwar schon sichtbar, aber noch nicht bei den Verbrauchern angekommen. Nicht nur die Rechnungen für Strom und Gas werden sich verteuern, sondern eine ganze Reihe von Produkten und Dienstleistungen. Das ist nicht einer ungünstigen Sternenkonstellation zu entnehmen, sondern den „Erzeugerpreisen“. Das sind jene Preise, die Betriebe für den Einkauf ihrer Vorprodukte zahlen müssen. Und diese liegen um 25 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Nun droht ein weiterer Angebotsschock: Aufgrund des Lockdowns in Shanghai warten tausende Schiffe vor der Küste Chinas bzw. liegen in den Häfen fest. Hier braut sich eine höchst unerfreuliche Großwetterlage zusammen.
3. Die Staaten stimulieren am falschen Ende. Viele Ökonomen und Politiker argumentieren unverdrossen, dass der Staat gegensteuern müsse, um die private Nachfrage anzukurbeln. Denn nur so könnten mehr Arbeitsplätze entstehen. Diese Botschaften scheinen aus der Zeit gefallen. Keine industrialisierte Volkswirtschaft leidet derzeit an zu geringer Nachfrage. Das Problem ist ein zu schwaches Angebot an Waren und Dienstleistungen. Zudem muss kein Industrieland neue Jobs schaffen, allerorts werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Je stärker aber die Inflation steigt, desto mehr Geld wird gedruckt, mit dessen Hilfe die Staaten gegensteuern. Das Paradoxe daran: Je mehr Geld die Regierungen im Volk verteilen, desto stärker treiben sie die Nachfrage und damit die Preise in die Höhe. Die Politik der staatlichen Stimuli zerschellt gerade an der harten geldpolitischen Realität.
4. Die Globalisierung ist nicht unser Feind. Besonders gefährlich ist in der aktuellen Lage die wachsende Beliebtheit der Anti-Globalisierungsbewegung. Obwohl sich derzeit höchst eindrücklich zeigt, wie unschön eine „lokalisierte“ Wirtschaft aussieht. Sollte es tatsächlich gelingen, ausfallende Lieferungen aus asiatischen Werkshallen künftig im teuren Europa herzustellen, sind weitere Preisschübe die Folge. Gelingt das nicht, bleiben Lieferungen aus, womit sich das Angebot zusätzlich abschwächt und der Druck auf die Preise weiter steigt. Mit anderen Worten: Es wird teurer, so oder so. Ohne die Globalisierung wären die Hochkostenländer Europas übrigens schon in den vergangenen Jahren von einer Teuerungswelle nach der anderen überrollt worden.
5. Die Inflation kennt auch Gewinner. Während die Bevölkerung unter stark steigenden Preisen stöhnt, zaubert sie Vertretern des Staates ein Lächeln auf die Lippen. Allen voran Finanzminister Magnus Brunner. Mit den Preisen steigen die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Zudem werden Arbeitnehmern bei den Lohnverhandlungen die Inflationsraten abgegolten – was zu höheren Bruttoeinkommen und folglich zu steigenden Einnahmen aus der Lohnsteuer führt. Den Berechnungen meiner Kollegen von der Agenda Austria zufolge darf der Fiskus heuer und nächstes Jahr mit Zusatzeinnahmen von 7,5 bis elf Milliarden Euro rechnen. Je nachdem, wie hoch die Teuerung ausfällt.
Nach all den bitteren Erfahrungen der letzten Monate wird uns hoffentlich eine Lehre ein Leben lang begleiten: Krisen lassen sich nicht von der Notenbank wegdrucken. Der Weg zu hohem Wohlstand führt nicht über die Notenpresse. Sondern über einen harten Aufstieg, der nur mit Anstrengung, Einsatz und Mut zu schaffen ist.
Kolumne von Franz Schellhorn für “profil” (22.04.2022).
Langsam, sehr langsam nimmt der Inflationsdruck in Österreich ab. Die Statistik Austria hat am Freitag die erste Schnellschätzung für Mai veröffentlicht: 3,3 Prozent waren es noch im Vergleich zum Vorjahr.
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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