Innenpolitik

Rote Bastion gegen schwarze Festung

Die Nationalratswahlen 2024 sind geschlagen, einen Grund zur Freude haben aber weder die ÖVP noch die SPÖ. Die einstigen „Großparteien“ verloren so viele Stimmen, dass sie im Nationalrat nur noch eine hauchdünne Mehrheit hinter sich vereinen. An fehlender Unterstützung durch die Kammern lag das schlechte Abschneiden jedenfalls nicht. Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer bemühten sich redlich, im Wahlkampf Stimmung für SPÖ und ÖVP zu machen. Ist diese Parteizuschreibung unfair? Nein, die AK versteht sich selbst als „rote Bastion“, die WKO als „schwarze Festung“. Allerdings gilt in beiden Institutionen Zwangsmitgliedschaft – und das macht deren parteipolitische Agitation schon ein wenig seltsam.

So gab beispielsweise die WKO wenige Tage vor der Nationalratswahl eine Pressekonferenz, in der vor dem Niedergang des Wirtschaftsstandortes und steigenden Kosten für Unternehmer gewarnt wurde. Bis hierher kann man das noch als vertretbare Positionierung im Interesse der Unternehmen, also der WKO-Mitglieder, verstehen. Rein zufällig wiesen die aufgestellten Forderungen aber eine hohe Übereinstimmung mit dem Wahlprogramm der ÖVP auf. Für FPÖ und NEOS, die ebenfalls auf Wählerpotenziale in der Wirtschaft setzten, war es wohl auch ein Affront, dass Kammerpräsident Harald Mahrer nach der Wahl medienwirksam zusammen mit dem ÖVP-Bundesparteivorstand auftrat. Wer sich die Auftragsstudien der Kammer ansieht, wird ebenfalls eine hohe Übereinstimmung mit den Positionen der Türkisen finden.

Auch die AK ist in dieser Hinsicht alles andere als ein Kind von Traurigkeit. Dass die Kämmerer eine gewisse Sympathie für Politiker zeigen, die für mehr Arbeitnehmerrechte kämpfen, wird niemanden überraschen. Schwieriger wird es schon bei der AK-Unterstützung für Vermögenssteuern, die mit dem eigentlichen Auftrag der Kammer eigentlich nichts zu tun hat. Aber diese Vorliebe ist zumindest nicht neu. Wenn aber in der Hochphase des Wahlkampfes eine von der Arbeiterkammer in Auftrag gegebene Studie präsentiert wird, wonach eine Vermögensteuer super für alle Österreicher wäre, hat das eine unangenehme Schlagseite. Findet man darin auch noch Berechnungen, die einen Geldregen in Milliardenhöhe just für den SPÖ-Vorschlag versprechen (was die meisten Experten in unterschiedlichsten Funktionen als unrealistisch einschätzen), ist es mit der Neutralität endgültig vorbei. Was man der AK nicht vorwerfen kann, ist, dass sie aus ihrer Parteilichkeit eine Mördergrube macht: Auf der Unterstützerliste von SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Babler finden sich viele prominente Kammerfunktionäre. Und von der AK finanzierte Einrichtungen schickten in der Wahlwoche noch im Akkord Wahlempfehlungen für die SPÖ aus.

Die Rolle von AK und WKO ist aus zwei Gründen höchst problematisch: Alle wahlwerbenden Parteien müssen sich bei den Wahlkampfkosten an ein festgesetztes Limit halten. Die Kammern hingegen sind von den Vorgaben nicht betroffen und verfügen dank der Beiträge ihrer Pflichtmitglieder über eine üppige Kriegskasse. Außerdem erfreuen sich die Kammern deutlich höherer Vertrauenswerte als die Parteien. Mit schamloser Wahlwerbung missbrauchen sie dieses Ansehen.

Die Kammern sollten sich deshalb zumindest in den sechs Monaten vor einer Wahl nicht mehr parteipolitisch äußern. Sind sie dazu nicht bereit, müssten die Bürger die Möglichkeit haben, sich der Pflichtvertretung zu entziehen. Denn wie kommen Wähler der NEOS, der FPÖ oder der Grünen dazu, den Kampf gegen ihre eigenen Interessen auch noch mitzufinanzieren?

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