Effektivste Maßnahme zur Kostensenkung ist eine Ausgabenbremse, die der jeweiligen Regierung automatisch Grenzen setzt. Aber auch die Bürger sollten sich Gedanken über die vermeintlichen Geschenke der Politik machen: Der Staat hat keine eigenen Mittel – er kann nur das Geld der heutigen oder zukünftigen Steuerzahler umverteilen. Wollen wir uns wirklich einen Handwerkerbonus, einen Reparaturgutschein, eine Großelternkarenz leisten oder einen Übernachtungseuro für die Landwirte zahlen? Wäre es nicht besser, wenn der Staat den Leuten mehr von ihrem selbst verdienten Geld überließe und diese eigenverantwortlich entscheiden können, welche Risiken sie eingehen wollen? Hochwasserschäden kann jeder, der im Hochwassergebiet lebt, selbst versichern. Dasselbe gilt für die Ernteausfälle der Landwirte. Wer das Kind von den Großeltern betreuen lassen will, muss dafür keinen Obolus von der Gesellschaft einfordern. Will die Regierung, dass wir häufiger zum Schuhmacher gehen, muss sie nur die Steuern auf dessen Tätigkeit sowie auf die Arbeitsleistung des Kunden senken.
Auch andere Sozialleistungen müssen überdacht werden: Die Bildungskarenz bzw. das Weiterbildungsgeld etwa wird dermaßen zweckentfremdet – zum Beispiel für eine Verlängerung der in Österreich ohnehin schon überaus langen Elternkarenz oder für Sprachurlaube –, dass diese Leistung am besten abgeschafft werden sollte.[1]
Enorme Kosten werden bald mit der Pflege auf den Staat zukommen. Die Zahl der über 75-Jährigen wird von derzeit rund 900.000 auf über 1,6 Millionen im Jahr 2050 steigen. Die preisbereinigten Kosten für die Pflege so vieler alter Menschen – gemessen als Anteil am BIP – dürften sich bis 2050 in etwa verdoppeln (vgl. Abbildung 8).
Österreich braucht daher eine Pflegeversicherung, damit nicht schon wieder die Steuerzahler für die zusätzlichen Ausgaben geradestehen müssen. Anders als bei der Kranken- oder der Pensionsversicherung sollten in diesem Fall aber nicht nur staatliche, sondern auch private Anbieter zum Zug kommen dürfen. Da eine solche Maßnahme notwendigerweise höhere Lohnnebenkosten bedeutet, müssten andere Nebenkosten dementsprechend sinken.
Bei der Valorisierung diverser Hilfen ist die Regierung übers Ziel hinausgeschossen. Mit der Teuerungskrise wurden viele Leistungen an die Inflation gekoppelt. Besonders gefährlich ist das, wenn erwerbslose Einkünfte schneller steigen als jene der Arbeitnehmer, wie es zuletzt der Fall war. Der Sozialstaat kann auf Dauer nur überleben, wenn Leistung honoriert wird. Daher sollte die Regierung zukünftig darauf verzichten, vor dem Start der Herbstlohnrunde die Pensionen und die Sozialleistungen anzupassen. Zukünftig sollte die Indexierung erst im November nach den Lohnverhandlungen erfolgen. Gleiches gilt für die Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Sozialleistungen sollten in Hinkunft daher maximal mit dem Anstieg des allgemeinen Tariflohnindex angepasst werden.
Schon Bruno Kreisky wusste, dass ein gut ausgebauter Sozialstaat nur dann funktionieren kann, wenn die Anreize auf Leistung gestellt sind und das System dies mit Aufstieg belohnt. Zugunsten der sozialen Absicherung ist man – nicht nur durch die jährlichen Inflationsanpassungen – von diesem Weg aber deutlich abgekommen.
Eine wachsende Zahl an Menschen hat mittlerweile beschlossen, nur mehr einen Teil ihrer Arbeitskraft aktiv einzubringen. Das kann in der persönlichen Lebensplanung eine gute Entscheidung sein, gesellschaftlich handelt es sich aber um eine Aufkündigung des Solidaritätsprinzips: Zu viele Teilzeitbeschäftigte – besonders jene ohne Betreuungspflichten – stellen ein Problem für all jene dar, die nicht in der Lage sind, mehr zu leisten. Jede freiwillige Teilzeitbeschäftigung raubt arbeitsunfähigen Menschen ein Stück gesellschaftlicher Teilhabe. Immer mehr Situationen treten auf, in denen sich Arbeit nicht mehr lohnt und Menschen finanziell besser aussteigen, wenn sie nicht arbeiten. Teilzeit sollte daher nicht auch noch staatlich begünstigt werden, wie das derzeit leider der Fall ist. Eine Besteuerung auf Stundenbasis würde dem entgegenwirken.
Auch die gegenwärtig heiß diskutierten Probleme mit Österreichs System der sozialen Absicherung in Notlagen sind nicht neu. Die Agenda Austria hat bereits 2016 auf nötige Reformen hingewiesen, um die Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern. Anfang August 2024 kochte das Thema am Beispiel einer syrischen Großfamilie medial erneut hoch. Es gibt aber genug andere Beispiele, wo Familien auch ohne Migrationshintergrund die vom Staat gesetzten Anreize gerne akzeptieren und mit Sozialleistungen besser aussteigen als andere, die sich jeden Tag dem harten Arbeitsalltag stellen.[2] So ein System kann nicht dauerhaft funktionieren. Wir sehen den Leistungsgedanken in Österreich bereits bei der jährlich geleisteten Arbeitszeit erodieren. Eine Reform ist auch hier notwendig, damit sich Arbeit wieder lohnt.
In einem ersten Schritt gilt es die längst beschlossene und eigentlich verpflichtende Sozialhilfe in allen Bundesländern umzusetzen. Denn diese sieht durchaus Verbesserungen bei den Arbeitsanreizen gegenüber der früheren Mindestsicherung vor: So wurden die Geldleistungen für Erwachsene in einer Haushaltsgemeinschaft in Höhe von 175 Prozent der Sozialhilfe eines Singlehaushalts oder 2.023 Euro monatlich gedeckelt.[3] Dass die Beispiele aus Wien weit über die Obergrenze hinausschießen, liegt daran, dass das Burgenland, Tirol und Wien für sich entschieden haben, das beschlossene Gesetz nicht vollständig umzusetzen. Um die Reformbegeisterung auch in die Hauptstadt und die anderen beiden Bundesländer zu tragen, sollte in den Finanzausgleich eine Sanktionsklausel eingebaut werden, wonach ein Teil der Überweisungen vom Bund einbehalten wird, solange die Reform nicht gesetzeskonform umgesetzt wird. Besonders in Wien wäre das dringend notwendig, gilt die Stadt doch wegen der hier nach wie vor ausgezahlten Mindestsicherung für viele als besonders attraktiv. Sollten Bundesländer künftig höhere Leistungen auszahlen wollen, müssen sie diese durch lokale Steuern finanzieren. Eine Querfinanzierung über das Budget ist damit ausgeschlossen.
Für Großfamilien mit vielen Kindern besteht allerdings weiter Reformbedarf. In der dann flächendeckend einheitlichen Sozialleistung sollten sämtliche Ansprüche vereint werden. Zusätzliche Leistungsansprüche wie Mietbeihilfe oder Familienleistungen[4] gehen in den Sozialleistungen auf. Das vereinfacht das System und verhindert, dass – wie derzeit – verschiedene Politikbereiche geradezu gegeneinander arbeiten. Die Familienbeihilfe steigt zum Beispiel mit der Zahl der Kinder an; die Kinderzuschläge in der Sozialhilfe nehmen dagegen ab. Tatsächlich sollte die Gesamtleistung äquivalisiert, also nach Haushaltsgröße gewichtet werden. Damit würde die Leistungshöhe pro zusätzlichem Kind absinken.
Die Sozialhilfe sollte weitgehend – insbesondere wenn es Leistungen für Kinder betrifft[5] – in Form von Sachleistungen bereitgestellt werden. Der Grund ist einfach: Wie viele Kinder man haben möchte, ist für die Eltern eine freie Entscheidung, für die sie die Gesellschaft nicht verantwortlich machen können. Die Kinder haben diese Entscheidung aber nicht. Kein Kind sollte gefährdet sein, in die Armut abzurutschen, weil die Eltern nicht für sie sorgen können oder wollen. Es ist daher durchaus Aufgabe der Allgemeinheit, sicherzustellen, dass die Kinder die bestmögliche Versorgung erhalten. Mit Sachleistungen gelingt dies am effizientesten.
In der Sozialhilfe gilt der Grundsatz der Arbeitsbereitschaft. Jeder ist verpflichtet, sich um eine Arbeit und damit die Selbstversorgung zu bemühen. Fehlt diese Bereitschaft, kann einem Erwachsenen die Sozialhilfe schon heute gestrichen werden.[6] Bei der Auferlegung der Strafen ist Österreich aber häufig milde. Daher sollte das AMS, das bereits bei fehlendem Arbeitswillen in der Arbeitslosenhilfe sanktioniert und damit Erfahrung hat, die Abwicklung der Sozialhilfe übernehmen. Zugunsten der Bezieher sieht die Sozialhilfe die Möglichkeit vor, dass bei der Arbeitsaufnahme vorübergehend ein Teil der Transferleistungen weiterbezogen werden darf.[7] Zusätzlich sollte der Fairness halber eine Wartefrist eingeführt werden, die Menschen belohnt, die bereits einen Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaates geleistet haben.[8] Nur wer fünf Jahre lang Vollzeit ins System eingezahlt hat, hat Anspruch auf die volle Sozialleistung.[9] Die meisten Sozialhilfeempfänger sind sogenannte Aufstocker; sie bekommen die Differenz zwischen Arbeitseinkommen und Sozialhilfe vom Staat „aufgestockt“. Genau für diese Gruppe würde der Arbeitsanreiz steigen, einer Tätigkeit mit möglichst hohem Stundenausmaß nachzugehen, um zukünftig im Bedarfsfall die volle Sozialleistung zu beanspruchen.[10]
Asylberechtigte sollten in Österreich auf alle Bundesländer verteilt werden und dort einer Residenzpflicht unterliegen. Diese kann durch den Nachweis der erfolgreichen Integration (fünf Jahre ununterbrochene Beschäftigung) wegfallen. Dafür sind der jeweiligen Gemeinde vom AMS die Leistungen bereitzustellen, wobei erneut weitgehend auf Sachleistungen gesetzt werden sollte. Um die Residenzpflicht umzusetzen, sollten Geldleistungen mittels Bezahlkarte ausgehändigt werden, die nur im gleichen Bundesland einsetzbar ist.
Fazit: Eben weil der Sozialstaat so wichtig ist, verdient er regelmäßige Pflege und Instandhaltung. Ein paar Reformen würden das System zukunftsfit machen und gewährleisten, dass auch heute junge Menschen eines Tages eine sichere Pension bekommen. Vom Nanny-Staat, der bei jedem kleinen Ärgernis sofort mit Geld zur Stelle ist, sollten wir uns aber schleunigst verabschieden.
Fußnoten
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