Wie wir den Arbeitsmarkt wieder ankurbeln

Download PDF

Herausforderung #3: Das ungenutzte Potenzial am Arbeitsmarkt

Auf Österreich kommen massive demografische Veränderungen zu. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Menschen über 65 Jahre um rund 50 Prozent steigen, während die Zahl der 20- bis 65-Jährigen deutlich abnimmt. In Kombination mit der stagnierenden Produktivität und dem Trend zur Teilzeit wird das zu noch größerer Personalnot führen.

Abbildung 4: Anteil der offenen Stellen im EU-Vergleich

Dabei ist die Lage in Österreich schon jetzt kritisch: In keinem anderen Land der EU ist der Mangel an Arbeitskräften so ausgeprägt wie bei uns, nirgendwo sonst ist die Rate an offenen Stellen in Relation zu allen Arbeitsplätzen so hoch wie hierzulande (vgl. Abbildung 4). Wir müssen also – neben den schon genannten Maßnahmen – möglichst alle noch im Arbeitsmarkt schlummernden Potenziale heben.

>> Empfehlungen, um die Möglichkeiten am Arbeitsmarkt voll auszuschöpfen

Arbeitsmarktbeteiligung im Alter erhöhen

Bei der Arbeitsmarktbeteiligung älterer Menschen gibt es in Österreich noch viel Luft nach oben. Zwar führte der Personalbedarf bereits in den vergangenen Jahren zu einer steigenden Beschäftigungsquote bei Älteren. Aber da geht noch wesentlich mehr, wie andere Länder zeigen (vgl. Abbildung 5). Würden in Österreich anteilig genauso viele 55- bis 64-Jährige arbeiten gehen wie in Schweden, stünden dem Arbeitsmarkt mehr als 275.000 Menschen zusätzlich zur Verfügung. 

In einem ersten Schritt sollte das gesetzliche Pensionsantrittsalter erhöht und an die zunehmende Lebenserwartung gekoppelt werden. Damit wir zumindest ab dem Jahr 2033 das gleiche Antrittsalter bei Männern und Frauen haben, müsste der Anpassungspfad für Frauen entsprechend nachjustiert werden. Diese Maßnahmen würden zu einer Verhaltensänderung und dadurch zu steigenden Beschäftigungsraten im Alter führen, wie das Beispiel Schweden gezeigt hat.  

Wichtig wäre zudem, das Senioritätsprinzip in vielen Branchen weiter zu lockern und die Entlohnung stärker an der Produktivität als am Alter festzumachen. Damit würden die Unterschiede in den Arbeitskosten zwischen den Altersgruppen sinken und die Beschäftigungschancen Älterer erhöht. 

Abbildung 5: Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen im EU-Vergleich

Wie ältere Menschen erfolgreich im Arbeitsmarkt gehalten werden können, zeigen auch die Niederländer: Sie setzten auf sogenanntes „Experience Rating“.[1] Dabei wird die gesundheitspolitische Verantwortung gleichermaßen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber verteilt. Die Beiträge zur Krankenkasse werden in einen fixen und einen unternehmensspezifischen Anteil gesplittet. So müssen Betriebe mit vielen Ausfällen höhere Beiträge bezahlen. Im Ergebnis investieren Arbeitgeber präventiv mehr in die Gesundheit, entlasten damit das Sozialsystem und binden die Mitarbeiter länger an sich.  

Nicht zuletzt müssten auch Menschen, die nach dem – in Hinkunft an die Lebenserwartung angepassten – Pensionsantrittsalter weiterarbeiten, stärker profitieren. Für das erzielte Erwerbseinkommen sollte künftig bis zur Höchstbeitragsgrundlage eine Flat Tax in Höhe von zehn Prozent gelten;[2] Arbeitseinkommen würden von Sozialversicherungsbeiträgen befreit, auf die Pensionseinkünfte wären Krankenversicherungsbeiträge und wie bisher Lohnsteuern zu entrichten. Sowohl für den Staat als auch für die arbeitswilligen Älteren eine Win-win-Situation. 

Zuwanderer besser integrieren

Österreichs Bevölkerung wächst nur noch durch Zuwanderung. Umso wichtiger ist es, die neuen Landsleute so gut wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In diesem Sinn muss nicht nur für Kinder die Sprachausbildung verbessert werden, sondern auch für erwachsene Zuwanderer aus Drittstaaten. Für die erfolgreiche Integration ist es wichtig, dass sich keine Parallelgesellschaften bilden, in die alle Zuwanderer gleicher Herkunft strömen. 

Österreichs Bevölkerung wächst nur noch durch Zuwanderung. Umso wichtiger ist es, die neuen Landsleute so gut wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. 

Daher braucht es für Asylberechtigte eine Residenzpflicht wie in Dänemark, die erst nach erfolgreicher Integration fällt.[3] In der jeweiligen Gemeinde sollte dann binnen vier Wochen nach der Ankunft ein verpflichtender Deutschkurs im Ausmaß von fünf Stunden pro Tag beginnen.[4] Parallel dazu würden alle einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, wobei bis zum Spracherwerb auf dem Niveau von B1[5] die Sprachkurse weiterhin obligatorisch wären. Sozialleistungen sollten bei Integrationsverweigerung auf das rechtliche Minimum reduziert werden.[6] 

Nach der erfolgreichen Absolvierung der Sprachkurse müssten im Gegenzug alle Hürden auf dem Arbeitsmarkt fallen und Zuwanderer in der Jobvermittlung den inländischen Arbeitssuchenden gleichgestellt werden. Sozialleistungen und Weiterbildungsangebote sollten über das AMS harmonisiert abgewickelt werden. Sprachkurse sind regional und den Bedürfnissen entsprechend durch das AMS zu realisieren, um so einen organisierten Alltag und bestmögliche Integration zu erreichen. Bei Schutzsuchenden sollte die Verteilung regional ausgewogen erfolgen und sich an der jeweiligen Arbeitsmarktsituation orientieren. Wie auch bei Langzeitarbeitslosen sollte eine Arbeitsvermittlung in andere Gemeinden zumutbar sein. 

Zuwanderung von Fachkräften forcieren  

Österreich bemüht sich schon länger darum, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, ist damit aber nicht allein unterwegs und muss sich dem inter­nationalen Wettbewerb stellen. Da trotz Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte die bürokratischen Hürden hoch, die Anerkennung von Qualifikationen langwierig und die (Netto-)Einkommensperspektiven überschaubar sind, muss auch hier nachgeschärft werden. Länder wie Dänemark, Finnland, Norwegen, Spanien oder Schweden bieten Zuwanderern eine zeitlich begrenzte Steuer­vergünstigung an.[7] Das wäre auch für Österreich eine Option. So könnten qualifizierte Zuwanderer in Mangel­berufen [8] beispielsweise in den ersten fünf Jahren eine Flat Tax von zehn Prozent in Anspruch nehmen. Anschließend gelten die gleichen Steuersätze wie für Inländer. 

Bei der Suche nach Fachkräften im Ausland ist es natürlich sinnvoll, zu Beginn den Fokus auf bestimmte Mangelberufe[9] und jene Herkunftsländer zu legen, mit denen Österreich in engen Beziehungen steht und deren Migranten schon in Österreich integriert sind. 

Die nächste Regierung hat es also in der Hand, das Arbeitsmarktpotenzial voll auszuschöpfen. Grundstein dafür ist eine finanzielle Entlastung, damit sich Arbeit wieder lohnt. Nur so wird sich Österreich in Zukunft von seinem Image als Teilzeitrepublik verabschieden können.


Fußnoten

  1. Vgl. z. B. Mayrhuber & Rocha Akis (2013).
  2. Einkommen darüber hinaus sind wie alle anderen Einkommen zu versteuern.
  3. Die Integrationsleistung ist erbracht, sobald die Person fünf Jahre ununterbrochen in Österreich in Beschäftigung gewesen ist.
  4. Die Kosten dafür liegen allerdings nur bei einem Bruchteil dessen, was eine verfehlte Integration verursacht.
  5. Gleichbedeutend mit dem Verständnis der Hauptpunkte bei Verwendung einfacher Sprache, beim Lesen und Hören beziehungsweise, dass die Verständigung im Alltag möglich ist.
  6. Als Verweigerung ist auch zu werten, wenn das Sprachniveau nach zwei Jahren nicht erreicht wird.
  7. Folgende Steuervergünstigungen existieren in den genannten Ländern: Dänemark: 27 Prozent, maximal sieben Jahre; Finnland: 32 Prozent, maximal sieben Jahre; Norwegen: 25 Prozent, maximal ein Jahr; Spanien: 24 Prozent, maximal fünf Jahre; Schweden: 25 Prozent, maximal sieben Jahre.
  8. Damit keine inländischen Arbeitnehmer verdrängt werden.
  9. Vgl. z. B. Böheim & Christl (2022).
"Grafik der Woche" abonnieren

Jetzt anmelden und jeden Montag die beliebte Grafik der Woche mit erhellenden Daten, Fakten und aktuellen Analysen aus Wirtschaft und Politik erhalten.

Immer up-to-date

GRAFIK DER WOCHE & NEWSLETTER

Wissen was passiert: Unsere "Grafik der Woche" bekommen Sie pünktlich jeden Montag, außerdem informieren wir Sie über aktuelle Events, Vorträge, Themen in unserem Umfeld.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google reCAPTCHA. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen '
'

Mit dem Absenden des Formulars nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Datenschutzhinweise und Cookiebestimmungen

NEWSLETTER
Vielen Dank für Ihre Anmeldung! Sie erhalten nun eine Bestätigungs-E-Mail (bitte prüfen Sie auch Ihren Spam-Ordner) mit einem Link zur Bestätigung der Anmeldung.
Sollte sich Ihre E-Mail-Adresse bereits in unserem System befinden, erhalten Sie stattdessen eine E-Mail mit einem Link um Ihre Einstellungen anzupassen.

Immer up-to-date

ANMELDUNG ZU VERANSTALTUNGEN

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google reCAPTCHA. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen '
'

Mit dem Absenden des Formulars nimmst Du die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Datenschutzhinweise und Cookiebestimmungen

ANMELDUNG ZU VERANSTALTUNGEN
Vielen Dank für Deine Anmeldung! Du erhältst nun eine Bestätigungs-E-Mail (bitte prüfen auch Deinen Spam-Ordner) mit einem Link zur Bestätigung der Anmeldung.
Sollte sich Deine E-Mail-Adresse bereits in unserem System befinden, erhältst Du stattdessen eine E-Mail mit einem Link um Deine Einstellungen anzupassen.

Immer up-to-date

Jetzt zum Newsletter anmelden
und ein kostenloses Exemplar der Grafiksammlung erhalten!

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google reCAPTCHA. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen '
'

Mit dem Absenden des Formulars nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Datenschutzhinweise und Cookiebestimmungen

NEWSLETTER
Vielen Dank für Ihre Anmeldung! Sie erhalten nun eine Bestätigungs-E-Mail (bitte prüfen Sie auch Ihren Spam-Ordner) mit einem Link zur Bestätigung der Anmeldung.
Sollte sich Ihre E-Mail-Adresse bereits in unserem System befinden, erhalten Sie stattdessen eine E-Mail mit einem Link um Ihre Einstellungen anzupassen.

Agenda Austria – der erste unabhängige Thinktank Österreichs.

Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.

Lernen Sie uns kennen