Der österreichische Arbeitsmarkt weist ein starkes West-Ost-Gefälle auf. In den westlichen Bundesländern werden jene Arbeitskräfte gesucht, die im Osten keinen Job finden. Ein paar Zahlen aus dem Sommer 2022: Rund 15 Prozent der Arbeitslosen hätten in einem anderen Bundesland offene Stellen in Mangelberufen[1] gefunden. Eine höhere Mobilität hätte also die Zahl der Arbeitssuchenden und der offenen Stellen um rund 43.000 reduziert. Die nächste Regierung wird etwas unternehmen müssen, um diesen regionalen Mismatch zu reduzieren. Dafür gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten: Mehr Druck auf Arbeitslose ausüben und/oder mehr finanzielle Unterstützung beim Wechsel des Wohnortes gewähren. In jedem Fall müssen die Arbeitssuchenden zu den Arbeitsstellen, weil die Jobs meist nicht mobil sind.
Eine Stellschraube für die Politik sind etwa die Zumutbarkeitsbestimmungen. Gegenwärtig gilt ein Job nur dann als zumutbar, wenn die Entlohnung zumindest 80 Prozent des Einkommens im vorherigen Dienstverhältnis beträgt. Erst nach mehr als 120 Tagen in der Arbeitslosigkeit sinkt diese Grenze auf 75 Prozent. Besser wäre eine frühere, stufenweise Absenkung (wie in Deutschland), weil die Chance auf einen neuen Job mit Fortdauer der Arbeitslosigkeit immer geringer wird. Nach einer Arbeitslosigkeit von 240 Tagen sollte die Zumutbarkeitsschwelle auf die Höhe des Arbeitslosengeldes herabgesetzt werden. Darüber hinaus wäre es gut, die zumutbaren Wegzeiten (Hin- und Rückfahrt) von derzeit zwei Stunden pro Tag auf drei Stunden auszuweiten. Nicht zuletzt müsste für Langzeitarbeitslose ein Job grundsätzlich auch dann zumutbar sein, wenn dafür ein Umzug notwendig ist. Natürlich wird es hier Ausnahmen geben müssen, etwa für Menschen mit Familie.
Positive Anreize sind oft besser als Zwang. Eine gute Idee wäre etwa ein Mobilitätsbonus für Arbeitslose, die einen Umzug auf sich nehmen und einen Job in einem Mangelberuf antreten. Sie könnten eine Steuergutschrift analog zum Familienbonus erhalten, die über drei Jahre gilt und sukzessive abschmilzt.
Auch Unternehmen können einiges tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein – etwa mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, der Möglichkeit zum Homeoffice, Mitarbeiterbeteiligung etc. Dazu gehört natürlich auch, Hilfe bei der Übersiedelung und insbesondere bei der Wohnungssuche anzubieten, um die überregionale Mobilität zu erhöhen. Auch Betriebswohnungen bieten eine Möglichkeit, müssten aber steuerlich besser gestellt werden, als das derzeit der Fall ist. Um Saisonarbeitskräfte zu gewinnen oder zu halten, wäre eine ganzjährige Beschäftigung von Vorteil, wobei abseits der Saison dann andere Tätigkeiten ausgeübt werden könnten. Der Gesetzgeber sollte darüber hinaus die Arbeitszeit für Saisoniers flexibilisieren, sodass längere Arbeitszeiten in der Saison in den ruhigeren Monaten ausgeglichen werden können.
Wer in Österreich seinen Job verliert, muss finanziell sofort kürzertreten. Das Arbeitslosengeld in Höhe von 55 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens ist im internationalen Vergleich eher niedrig. Dafür kann die staatliche Unterstützung (nach spätestens 52 Wochen geht das Arbeitslosengeld in die etwas niedrigere Notstandshilfe über) praktisch unbegrenzt bezogen werden. Nach einem Jahr ist die Unterstützung innerhalb der EU nur mehr in Finnland, Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden höher. Nach zwei Jahren zahlt kein Land der OECD mehr als Österreich.[2] In Kombination mit geringfügigem Zuverdienst und der einen oder anderen Tätigkeit am Fiskus vorbei ist das Nettoeinkommen in der Arbeitslosigkeit oft zu attraktiv – gerade im Vergleich zu einer Vollzeitbeschäftigung.
Viele europäische Länder gehen einen anderen Weg als Österreich und zahlen zu Beginn der Arbeitslosigkeit mehr Geld aus. Das soll dem Arbeitssuchenden die Gelegenheit bieten, in Ruhe einen zu seinen Qualifikationen passenden Job zu finden. Lässt er sich allerdings zu viel Zeit, wird die Unterstützung reduziert. Das Arbeitslosengeld hat also einen degressiven Verlauf. Der Vorteil liegt darin, dass sich Betroffene früher bemühen, einen Job zu finden, wenn die Hilfen anfangen zu sinken. Das ist wichtig, weil mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit und Abwesenheit vom Arbeitsplatz Fähigkeiten verloren gehen und eine Neuanstellung deutlich schwieriger werden kann. Die scheidende österreichische Regierung hat lange über ein solches Modell verhandelt, konnte sich aber letztlich nicht einigen. Bis auf Weiteres bleibt alles beim Alten. Der große Nachteil: Wer schon lange arbeitslos ist, hat wenig finanziellen Anreiz, sich wieder einen Job zu suchen.
Ein Vorschlag der Agenda Austria: In den ersten 17 Wochen soll das Arbeitslosengeld bei 65 Prozent des letzten Nettobezugs liegen (statt derzeit 55 Prozent). Die finanzielle Fallhöhe nach dem Verlust der Beschäftigung ist damit geringer, die Suche nach einem adäquaten Job leichter. Danach soll die Ersatzrate wie bisher 55 Prozent betragen. Nach einer Bezugsdauer von insgesamt 35 Wochen würde das Arbeitslosengeld auf 45 Prozent absinken. Nach zwei Jahren entfällt das Arbeitslosengeld und Betroffene landen in der Sozialhilfe, die eine absolute Untergrenze darstellt.[3] Das Existenzminimum kann also nicht unterschritten werden. Die Notstandshilfe wäre nach unserem Modell nicht mehr notwendig. Dies würde auch das Problem der Geringfügigkeitsgrenze bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld entschärfen.
Fußnoten
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