Außenhandel

Wer braucht schon Freihandel?

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Aus Sicht vieler Umweltschützer und Global­isierungsgegner hat die Corona-­Pandemie auch ihr Gutes. Das Virus tötet nicht nur Hunderttausende von Menschen und Unternehmen, sondern auch den verhassten Klassenfeind: den Freihandel. Dieser ist aus Sicht seiner Kritiker nicht nur für die Ausbeutung der Ärmsten der Armen verantwortlich zu machen, sondern auch für die Verschmutzung des Planeten. Die Unmengen an Billigwaren, die tagtäglich aus den Schwellenländern in den reichen Westen verschifft werden, hätten die Umwelt an den Rand des Abgrunds geführt und die Ungleich­heit in lichte Höhen getrieben. Bei der Ablehnung von Globalisierung und Freihandel sind sich linke Aktivisten, rechte Nationalisten und das Bauchgefühl vieler Bürger einig. Aber sie liegen falsch. Der Handel hat Österreich groß ge­­macht. Ohne Globalisierung droht der Abstieg.

Österreich im Jahr 2020: Das Smartphone kommt aus China, die Jeans aus Kambodscha, die Meinung von Facebook. Und Letztere besagt oft: „Globalisierung? Freihandel? Kapitalverkehr? Brauchen wir nicht!“ Da sind sich linke wie rechte Aktivisten und Populisten einig. Diese Stimmung hat aber inzwischen auch höchste Kreise in Wirtschaft und Politik erfasst. Spätes­tens seit der Corona-Pandemie ist es wieder salonfähig, auf heimische Lösungen zu setzen. „Wir können das ohnehin besser“, lautet die Botschaft.

Österreich könnte sich ohne Freihandel weder Infrastruktur auf oberstem Niveau leisten noch den gut aus­gebauten Sozialstaat, wie wir ihn heute kennen.

Aber das ist falsch. Wir können nur manche Dinge besser. Was andere besser können als wir, führen wir ein. Dieses uralte Prinzip infrage zu stellen bedeutet nicht weniger, als an unserem gesamten Lebenskonzept zu zweifeln. Der Handel mit anderen Ländern ist für eine kleine Volkswirtschaft wie Österreich überlebenswichtig. Nur so gelangen notwen­dige Ressourcen und Produkte ins Land und auf die Regale der Geschäfte. Handel ist die Basis unseres Wohlstands. Wer will, dass es seinen Kindern einmal besser geht, kann sich nicht gegen Globalisierung und Freihandel stellen.

Unsere Unternehmen müssen sich täglich am globalen Markt mit ihrer Konkurrenz messen, um zu wissen, wo sie stehen, was sie richtig machen und was falsch. Handel führt zum Austausch von Ideen. Handel stellt sicher, dass wir Zwi­schenprodukte zum besten Preis einkaufen können. Die „Exportnation“ Österreich könnte sich ohne Freihandel weder Infrastruktur auf oberstem Niveau leisten noch den gut aus­gebauten Sozialstaat, wie wir ihn heute kennen.

Wir sollten uns nicht wegen der Globalisierung Sorgen machen, sondern um die Globalisierung.

Stammtisch, Bauchgefühl, linke Globalisierungsgegner, rechte Nationalisten und die Populisten aller Parteien haben unrecht. Unter seriösen Wissenschaftlern herrscht längst Konsens: Der internationale Handel steigert den Wohlstand aller. Dass dies allerdings nicht auf alle in gleichem Ausmaß zutreffen muss, öffnet die Tür für die politische Bekämpfung des freien Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehrs. Wer das tut, sägt nicht nur an dem Ast, auf dem er sitzt, sondern sprengt den ganzen Wald. Denn die Verbreitung von „Fake News“ über Freihandel und Globalisierung findet offene Ohren: Obwohl Österreich mehr als die Hälfte des Wohlstands jenseits der Staatsgrenzen erwirtschaftet, gibt es in der Bevölkerung starke Ablehnung, besonders gegenüber Importen.

Dabei sollten wir uns nicht wegen der Globalisierung Sorgen machen, sondern um die Globalisierung. Bereits nach der Finanzkrise hat sich der Globalisierungstrend, der nicht nur in Europa, sondern auch in den Entwicklungsländern den Wohlstand jahrzehntelang hat steigen lassen, merklich abgeschwächt. Der Aufbau von Handelshürden und die aktive Einflussnahme der Politik in die Wirtschaft der Staaten hat dazu geführt, dass schon vor der Corona-­Pandemie die Handelsströme langsamer wuchsen als die Wertschöpfung der Länder.

„Reshoring“, also der Rückverlagerung unternehmerischer Funktionen und Prozesse aus dem Ausland, ist nichts anderes als Wirtschaftsnationalismus.

Im Zuge der aktuellen Krise etabliert sich die Kritik an der Globalisierung inzwischen auch in liberalen und konservativen Kreisen. So sollen Lieferketten nun lokaler ausgerichtet werden, damit Staaten weniger anfällig für Schocks aus dem Ausland sind. Vor allem im Bereich der Versorgung mit medizinischen Gütern wird argumentiert, dass eine lokale Produktion besser wäre. In Zukunftsbranchen wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz oder Robotik werden Investitionen aus dem Ausland zunehmend kritisch beäugt – oder sogar ganz verhindert.

Zudem träumen die vielfältigen Befürworter des „Reshoring“, also der Rückverlagerung unternehmerischer Funktionen und Prozesse aus dem Ausland, sogar von positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekten für Österreich. Dabei ist das nichts anderes als Wirtschaftsnationalismus. Es lassen sich kaum Fakten finden, die so eine Strategie ­rechtfertigen. Vielmehr bergen diese protektionistischen Be­strebungen eine Gefahr für Frieden und Wohlstand in Österreich.

Handlungsempfehlungen

Wir sollten die Krise nutzen, um die Vor­teile der Globalisierung für den Aufschwung einzusetzen.

Globalisierung mitgestalten: Statt uns zunehmend abzuschotten und die Krise somit weiter zu verschärfen, sollten wir die Krise nutzen, um Probleme zu beheben und die Vor­teile der Globalisierung für den Aufschwung einzusetzen.

Wettbewerbsfähigkeit stärken: Der internationale Wett­bewerb verbessert die Qualität der österreichi­schen Produkte und erhöht unseren Wohlstand. Um diesen Effekt zu verstärken, sollte der Standort weiter verbessert werden, indem Forschung und Bildung stärker forciert und Ab­gaben gesenkt werden sowie Bürokratie abgebaut wird.

Technologien nutzen: Für Lieferketten und Logistikprozesse sollten die Fähigkeiten von Algorithmen genutzt werden, um mithilfe der Daten eine optimale Lagerhaltung zu ermöglichen.

Nicht für jeden Einzelnen und in jeder Situation erweist sich der Wettbewerb als Segen. Damit die langfristigen Vorteile aber genutzt werden können, müssen alle Menschen letzten Endes von der Globalisierung profitieren.

Diversifikation ausbauen: Nicht eine verstärkt lokale, sondern eine bessere überregionale Verteilung von Lieferketten hilft, die Versorgungssicherheit zu erhöhen.

Transparenz schaffen: Bei einem so wichtigen Thema wie den internationalen Verflechtungen sollte ein für alle interessierten Personen zugänglicher Wissensstand erreicht werden, der eine fundierte Abschätzung von Vor- und Nachteilen zulässt.

EU-Märkte integrieren: Während der Warenverkehr innerhalb des europäischen Wirtschaftraumes weitgehend reibungsfrei verläuft, ist die Integration im Bereich von Dienstleistungen und auch im digitalen Segment längst nicht abgeschlossen.

Niemanden zurücklassen: Nicht für jeden Einzelnen und in jeder Situation erweist sich der Wettbewerb als Segen. Veränderungen verursachen auch Kosten und Verlierer. Damit die langfristigen Vorteile aber genutzt werden können, müssen alle Menschen mitgenommen werden und letzten Endes von der Globalisierung profitieren.

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