Welches Europa brauchen wir?

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Österreich wäre nicht Österreich ohne die EU

Bevor wir mit ein bisschen EU-Bashing beginnen, sollten wir uns klar machen, wo wir ohne sie stünden. Denn EU-Feinde gibt es in Österreich genug. Wer von der politischen Mitte des Landes nach links oder rechts geht, braucht nicht viele Schritte zu tun, um ihnen zu begegnen. Links trifft man bald auf Andreas Babler, der in der EU ein „neoliberalistisches [sic], protektionistisches […] Konstrukt in der übelsten Art und Weise“ erkennt. So ganz scheint sich der SPÖ-Vorsitzende nicht klar zu sein, was er nun an der EU schlecht findet – den Hang zu Freihandel und Globalisierung oder das genaue Gegenteil davon.

Wendet man sich nach rechts, dann dauert es nicht lange, bis man den nächsten EU-Feinden begegnet. FPÖ-Chef Herbert Kickl weist Öxit-Pläne in der Regel von sich; ihm reicht es, dass seine Wähler seine wahre Einstellung kennen. Die Positionierung der FPÖ im aktuellen Wahlkampf lässt dahingehend keine Zweifel offen.

Doch Fakt ist: Österreich hat massiv vom EU-Beitritt profitiert und tut das auch weiterhin. Man vergisst das häufig, weil die Alternative – nämlich ein Österreich im Jahr 2024 außerhalb der EU – nicht erlebbar ist. Doch schon relativ simple Mittel schaffen hier Abhilfe. Zum Beispiel die Synthetic Control Method (SCM).[1] Mit diesem Ansatz wird das Unmögliche möglich: Da wir in der Realität kein Österreich beobachten können, das 1995 nicht in die EU eingetreten wäre, basteln wir uns aus anderen Ländern, die tatsächlich nicht der EU angehören, ein synthetisches Österreich zusammen. Dieses Frankenstein-Österreich ist dann der Vergleichsmaßstab für die Wirkung des EU-Beitritts, den wir in der Realität nicht haben.

Als Spenderpool für unser synthetisches Österreich ziehen wir die Länder der OECD[2] heran, die nicht der EU angehören und für die die Weltbank eine lange Zeitreihe ab 1960 ausweist.[3] Abbildung 2 zeigt das Ergebnis. Das synthetische Österreich hätte sich seit Ende der 1990er-Jahre deutlich weniger dynamisch entwickelt als das tatsächliche. Seit 1995 wäre das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr um fast 0,5 Prozentpunkte langsamer gewachsen; am aktuellen Rand wäre es um 13 Prozent niedriger. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum Beispiel wurde hochqualifizierte Zuwanderung aus den anderen EU-Mitgliedstaaten erleichtert, es wurde mehr mit den Partnern gehandelt und die Direktinvestitionen aus dem Ausland stiegen an.[4]

Abbildung 2: Österreich und die EU


Andere Analysen dieser Art gelangten qualitativ zu ähnlichen Ergebnissen.[5] Auch elaboriertere Modelle kamen zum Schluss, dass Österreich in vielfacher Hinsicht vom EU-Beitritt profitierte.[6] Sie finden ebenfalls, dass Österreich ohne die EU im Durchschnitt seit 1995 um rund einen halben Prozentpunkt pro Jahr langsamer gewachsen wäre; insgesamt wären wir heute ohne den Handelseffekt der EU um über 44 Milliarden Euro ärmer.[7] Damit profitiert Österreich stärker von der EU als die meisten anderen Mitglieder. Wie macht die EU das? Ihr Erfolgsmodell ist der Binnenmarkt. Doch wie ist es um ihn bestellt?


Fußnoten

  1. Vgl. zur Methode z. B. Abadie und Gardeazabal (2003) oder Abadie et al. (2010).
  2. OECD = Organisation for Economic Co-operation and Development
  3. Es fehlen Island, Israel, die Schweiz und Neuseeland. Als Schätzmethode verwenden wir SCUL (Synthetic Control Using LASSO [= Least Absolute Shrinkage and Selection Operator]). Sie benutzt eine Regressionstechnik, um aus den Outcomes des Spenderpools ein Kontrafaktum zu schätzen. Wir verwenden das Stata-Package von Greathouse (2022).
  4. Letzteres gilt allerdings auch umgekehrt. Auch die aktiven Direktinvestitionen österreichischer Unternehmen in anderen Ländern gingen deutlich nach oben.
  5. Vgl. z. B. Campos et al. (2019/2022).
  6. Vgl. z. B. Oberhofer und Streicher (2019).
  7. Vgl. Breuss (2021).
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