Kurz war der Traum vom geeinten Europa; der Glaube an ein regelbasiertes Miteinander im europäischen Haus, das mehr Wohlstand für alle produzieren würde, scheint passé. Die Visionen großer Europäer wie Jean Monnet oder Robert Schuman sind den Minderwertigkeitskomplexen kleiner Provinzpolitiker gewichen. Diese finden nicht mehr Freihandel und Multilateralismus sexy, sondern sind fasziniert vom chinesischen Staatskapitalismus und seinem amerikanischen Abklatsch „Bidenomics“, einer Wirtschaftspolitik, die auf Staatskonsum basiert. Was für eine Welt entsteht da gerade? Und welche Rolle sollen Europa und Österreich darin spielen? Vom 6. bis 9. Juni haben wir die Wahl. Ein Plädoyer für eine Rückbesinnung Europas auf bessere Zeiten.
Das alte Europa sah wohl noch nie so alt aus wie heute. Die Briten sind weg. Die Russen sind da. Wie lange die Amerikaner noch ihre schützende Hand über uns halten, steht in den Sternen. Denn auch die wirtschaftliche Bedeutung Europas schwindet (vgl. Abbildung 1). Seit den 1980er-Jahren hat sich der EU-Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) fast halbiert; keine 15 Prozent sind es mehr. Vom Bevölkerungsanteil gar nicht zu reden. Auch die Wachstumsaussichten taugen nicht für Begeisterungsstürme, denn die demografischen Herausforderungen und vor allem die Frage, wo künftig günstige Energie herkommen soll, scheinen weitgehend ungelöst. Der große Binnenmarkt ist zwar noch interessant, aber abgesehen davon wäre es wohl für viele in der neuen Welt nur noch eine Randnotiz, wenn Europa demnächst zur russischen Provinz am Atlantik absteigen würde.
In der neuen Welt tanzen sie inzwischen zu einem ganz neuen Beat. Die DJs sind die Chinesen. Das Reich der Mitte gestaltet heute große Teile der Welt nach seinem Gusto. Die neue Seidenstraße reicht bis weit nach Europa und mit ihr der chinesische Einfluss. Stück für Stück haben sie die Europäer aus vielen Geschäftsfeldern herausgedrängt und in Abhängigkeiten verstrickt. Sie besitzen europäische Unternehmen und große Teile der Infrastruktur. Es heißt, sie könnten uns mit einem Knopfdruck das Licht ausknipsen. Victor Gao – Vizepräsident des Centers for China and Globalization (CCG) – konnte seine Häme kaum verbergen, als er neulich einem britischen Journalisten ausrichtete, sein Land sehe die Briten nicht als Konkurrenten. Sie sollten doch endlich erkennen, dass China ein Fakt sei. Ein Megatrend, mit dem sie auskommen müssten. Gao schien die Idee für einen Witz zu halten, das Vereinigte Königreich könne mehr sein als ein Absatzmarkt für chinesische Produkte.
Nun sind Anfang Juni fast 360 Millionen Europäer an die Wahlurnen gerufen, um ein neues EU-Parlament zu bestimmen. Wieder einmal werden sie ihr Schicksal auch in die Hände von Komikern und Populisten legen. Zwischen ungezügelter Regelungswut und dumpfen Ausstiegsfantasien wird auch das neue Parlament über weite Strecken einem Kuriositätenkabinett gleichen.
Doch ein Europa, das nicht nur überleben, sondern weiterhin sogar für das Gute in der Welt wirken will, muss – ja, so banal ist das – eine Wirtschaftsmacht bleiben. Alles steht und fällt mit der Frage, ob die neuen Spieler Europa noch brauchen werden. Nur dann wird Europa beim Klimaschutz und bei Menschenrechten in die Welt hineinwirken können. Dafür muss Europa schnellstens seine Faszination für den chinesischen Staatskapitalismus ablegen und auch „Bidenomics“ vergessen.
Eine kaputte Uhr geht zweimal am Tag richtig; wer uns von der Agenda Austria für ewiggestrig hält, hat heute sogar mal recht: Die EU muss sich wieder auf ihr ursprüngliches Wesen besinnen – den Binnenmarkt, die vier Grundfreiheiten. Das einzig Neue muss der robuste Auftritt nach außen sein, etwa mit einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik. Dies ist ein Plädoyer für eine EU, die wieder zu sich selbst findet. Eine #nobullshit-EU, die sich nicht in Prinzipienreiterei verheddert und sich damit in der Welt zum Gespött macht. Eine, die sich nicht spalten lässt durch politische Sabotage seitens Chinas oder Russlands. Ein Aufbruch zurück in die Zukunft.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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