Lehrerfortbildung in Österreich

Warum Fortbildung mindestens so wichtig ist wie die Erstausbildung

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Zur Organisation der Lehrerfortbildung in Österreich

Wie in den meisten europäischen Ländern wird Fortbildung grundsätzlich als Aufgabe des einzelnen Lehrers gesehen, der weitgehend autonom darüber entscheidet, in welchen Bereichen und in welchem Umfang er seine Fähigkeiten bzw. Kompetenzen erweitern möchte. Berufliche Fortbildung wird für alle Schulformen im Wesentlichen von den Pädagogischen Hochschulen angeboten bzw. organisiert. In geringerem Ausmaß, wenn auch mit zunehmender Tendenz, werden diese Dienste auch von Universitäten offeriert. Die Lehrer stellen sich in der Regel ihr individuelles Programm zusammen, wobei vor allem an den Pflichtschulen eine Abstimmung mit dem Direktor Usus ist. Die Bandbreite der angebotenen Seminare reicht von unmittelbarer fachlicher Weiterbildung über kreatives Gestalten bis zu Themen wie Stressmanagement und Burnout-Prävention. Zusätzlich sind schulinterne Weiterbildungsprogramme möglich, indem eine Schule ein maßgeschneidertes Programm für bestimmte Entwicklungsbereiche (z.B. Leseförderung, Umgang mit Heterogenität etc.) erhält[1].

Gesetzliche Regelungen zur Fortbildung

Im Schulunterrichtsgesetz sowie im Beamtendienstrechtsgesetz bestehen generelle Regelungen, aus denen sich eine Fort- und Weiterbildungsverpflichtung für Lehrer ableiten lässt[2]. Eine quantifizierte Verpflichtung zur Fortbildung besteht aber lediglich für Lehrer an Pflichtschulen (Landeslehrer), für sie ist die Teilnahme an verpflichtenden Fortbildungsveranstaltungen im Ausmaß von 15 Stunden pro Jahr vorgesehen[3]. Es gibt allerdings keine inhaltliche Vorgabe bezüglich der verpflichtenden oder darüber hinausgehenden Ausbildung.

Für die Lehrer an Gymnasien oder berufsbildenden höheren Schulen (BHS) sind im „alten“, aber noch bis Herbst 2019 wählbaren Dienstrecht keine stundenmäßigen Verpflichtungen zu Fortbildung vorgesehen.

Initiativen und Unterstützungssysteme für Lehrerfortbildung

Während die gesetzlichen Normen zur verpflichtenden Weiterbildung für Lehrer als relativ reduziert gelten können, gibt es auf ministerieller Ebene in den letzten Jahren eine Reihe von Initiativen, die sich auf Fortbildungsaktivitäten für Lehrer beziehen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die „Qualitätsinitiative Berufsbildung“, das Projekt „Schulqualität Allgemeinbildung“, das Unterstützungsnetzwerk „Innovationen Machen Schule Top“, die „Leadership Academy“ und das „Zentrum für Lernende Schulen“. Darüber hinaus wurde die Gründung von österreichweiten Kompetenzzentren für Fachdidaktik, der sogenannten „Austrian Educational Compe- tence Centres“ (AECC), an den Universitäten Wien und Klagenfurt gefördert, die neben der Forschung im Bereich des Lehrens und Lernens auch in der Weiterbildung tätig sind.

Allerdings gibt es weder eine übergreifende Koordination der einzelnen Initiativen und Netzwerke noch einen systematischen Informationsaustausch untereinander. Auch zusammenfassende Auswertungen über Nutzung, Teilnahmeintensität, Rückwirkungen auf die Kompetenzlage der Teilnehmer, Auswirkungen auf die Praxis im Schulbetrieb, Evaluationen der Projekte etc. sind derzeit nicht vorgesehen bzw. – falls sie durchgeführt werden – nicht öffentlich zugänglich.

Darüber hinaus wurden im Zuge der Erarbeitung und Beschlussfassung der neuen Lehrerausbildung (der sogenannten „PädagogInnenbildung Neu“) verschiedene Initiativen zur Weiterentwicklung, Professionalisierung und Modernisierung der Pädagogischen Hochschulen gesetzt:[4] Als wesentlichste Maßnahme für eine strategische Ausrichtung des inhaltlichen Angebots werden seit 2014 mehrjährige Schwerpunktsetzungen des Fort- und Weiterbildungsangebots ministeriell festgelegt[5].

Wie es um die Lehrerfortbildung in Österreich steht

Im Rahmen der internationalen TALIS-Studie[6], an der sich Österreich 2008 beteiligte, wurden an rund 300 Schulen der Sekundarstufe 1 (Hauptschulen und Unterstufe der Gymnasien) über 4.000 Lehrer unter anderem zum Thema Fortbildung befragt. Eine Analyse der Studie durch das Bifie (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens) aus dem Jahr 2010 kommt in Hinblick auf die Fortbildungssituation in Österreich zu folgenden Ergebnissen:[7]

  • Österreich gehört im internationalen Vergleich zur Spitzengruppe bezüglich der Häufigkeit der Teilnahme an Fortbildungen. 97 Prozent der Befragten gaben an, in den letzten 18 Monaten an einer Fortbildungsveranstaltung teilgenommen zu haben. Allerdings steht dieses Ergebnis in Widerspruch zu einer Interviewstudie des Rechnungshofs aus dem Jahr 2007, aus der hervorging, dass sich die Lehrer an den AHS (allgemeinbildenden höheren Schulen) und BHS zu je einem Drittel „intensiv“, „mäßig“ oder „gar nicht“ fortbilden.
  • Bezüglich des Umfangs der Fortbildung liegt Österreich unter dem internationalen Mittelwert. Mit durchschnittlich elf Tagen in 18 Monaten waren die Fortbildungen wesentlich kürzer als in den verglichenen Ländern.
  • Innerhalb Österreichs gibt es markante Unterschiede zwischen der Fortbildungspraxis der Hauptschullehrer und der Lehrer an Gymnasien: Erstere sind deutlich fortbildungsaktiver, was mit dem unterschiedlichen Dienstrecht zusammenhängt, das Pflichtschullehrer zu mindestens 15 Stunden (Einheiten) Fortbildung pro Jahr verpflichtet.
  • Die Lehrerinnen und Lehrer schätzen länger dauernde, intensivere Fortbildungen als wesentlich wirksamer ein als kurze Seminare oder Workshops – sie besuchen jedoch überwiegend Kurzangebote während des Schuljahres.[8]
  • Es herrscht eine große Diskrepanz zwischen der Anzahl der besuchten Fortbildungsveranstaltungen und dem subjektiv erlebten Nutzen aus dem Besuch dieser Veranstaltungen: 92 Prozent der Befragten haben an „Kursen/Workshops, auch schulinternen Fortbildungen“ teilgenommen, aber nur 15 Prozent sind der Meinung, dass die besuchten Fortbildungsveranstaltungen große Auswirkung auf ihre Entwicklung als Lehrer hatte.
  • 45 Prozent der Lehrer an Hauptschulen und gymnasialen Unterstufen – also fast jeder zweite – würden mehr Fortbildung in Anspruch nehmen, konnten aber kein passendes Angebot finden.

Abgesehen von den Erkenntnissen der TALIS-Studie ist zusammenfassend über den Stand der Lehrerausbildung in Österreich zu sagen:

  • Direktoren haben nur geringe Möglichkeiten, darüber mitzuentscheiden, in welchem Bereich sich die Pädagogen ihrer Schule fortbilden. Das persönliche Interesse der Lehrer steht hier im Vordergrund. Und das stimmt nicht unbedingt damit überein, was die Schüler benötigen.
  • Im Zuge der Erarbeitung der neuen Lehrerausbildung wurden erhebliche Anstrengungen zur Weiterentwicklung und Professionalisierung der Ausbildungsinstitutionen gesetzt. Dasselbe gilt für das didaktische Weiterbildungsangebot. Andererseits wurden auf ministerieller Ebene viele Initiativen und Unterstützungssysteme für die Lehrerfortbildung neu geschaffen sowie eine strategische Ausrichtung des Weiterbildungsangebots in Gang gesetzt.
  • Was die konzeptionelle Ebene betrifft, befindet sich Österreich bezüglich der Weiterentwicklung der Pädagogischen Hochschulen und der strategischen Planung des Weiterbildungsangebots auf der Höhe der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der internationalen Diskussion. Über die tatsächlichen Erfolge der Reforminitiativen der letzten Jahre lässt sich aufgrund des geringen zeitlichen Abstands zu den entsprechenden Beschlüssen und mangels öffentlich zugänglicher Evaluierungen wenig Konkretes aussagen[9].
  • Während auf der Angebotsseite der Weiterbildung durchaus bemerkenswerte Reforminitiativen gesetzt wurden, wurde auf der Ebene des Lehrerdienstrechts gerade einmal die allernötigste Reform umgesetzt: die Vereinheitlichung der Weiterbildungsverpflichtung für alle Lehrer, die dem neuen Dienstrecht unterliegen. Allerdings ist dieses erst ab 2019 für neu eintretende Lehrer verpflichtend.
  • Die anspruchsvolle Neuausrichtung der Lehrerfortbildung[10] in den Empfehlungen der Expertenkommission zur neuen Lehrerausbildung fand keinen Niederschlag im neuen Dienstrecht. Weder wurde den Schulleitern die formelle Zuständigkeit für die Fortbildungsplanung ihrer Lehrer übertragen, noch wurde das Dienstrecht um leistungsbezogene Elemente erweitert.

Damit bleiben die anspruchsvollen Reforminitiativen zur Lehrerfort- und -weiterbildung auf der Ebene des Bildungsministeriums ohne die notwendige Ergänzung bei den dienstrechtlichen Anforderungsprofilen der Lehrer. Eine solchermaßen halbierte Reform ist weiterhin mehr dem Prinzip Hoffnung ausgeliefert, als sie bewusste politische Steuerung gewährleisten kann.


Fußnoten

  1. Vgl. Eder (2014), S. 164.
  2. Beispielsweise haben Lehrer laut Schulunterrichtsgesetz (SchUG) 1986 § 51 Abs 2 für die Übernahme bestimmter Funktionen wie Klassenvorstand „erforderliche Fort- und Weiterbildungsangebote“ zu besuchen.
  3. Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG) 1984 § 43 Abs 3.
  4. Auf der Basis eines Entwicklungsplanes des neu eingerichteten „Qualitätssicherungsrates für Pädagoginnen- und Pädagogenbildung“ wurde – durch ein neues Dienstrecht und interne Weiterbildung – eine Stärkung der Forschungskompetenz der Pädagogischen Hochschulen eingeleitet, um eine Annäherung an das wissenschaftiche Niveau der Universitäten zu erreichen.
  5. Vgl. BMBF (2014).
  6. TALIS (steht für „Teaching and Learning International Survey“) ist eine internationale Studie über die Arbeitsbedingungen und das Lernumfeld von Lehrern, an der insgesamt 23 Länder teilgenommen haben. Vgl. OECD (2009).
  7. Vgl. Schmich, Schreiner (2010).
  8. Laut Angaben des Unterrichtsministeriums gab es im Sommer 2010 16.500 Anmeldungen zu Fortbildungsangeboten, was etwa 14 Prozent der Lehrer entspricht. Vgl. „14 Prozent der Lehrer besuchen Fortbildungen während Ferien“, in: Der Standard, 11.08.2010. Bis zum Sommer 2015 erhöhte sich die Anzahl der Anmeldungen auf über 28.000, woraus sich schließen lässt, dass sich der Anteil der Lehrer auf über 20 Prozent erhöht hat. Vgl. „Lehrer bilden sich vermehrt im Sommer fort“, in: Der Standard, 30.07.2016. Präzise Zahlen werden vom Unterrichtsministerium nicht zur Verfügung gestellt.
  9. An der Fortsetzung der TALIS-Studie im Jahr 2013 nahm Österreich nicht teil. Daher gibt es keine aktuellere umfassende Untersuchung über Attraktivität, Effizienz oder Effektivität von Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer an österreichischen Schulen.
  10. Darin werden die verschiedenen Phasen der Ausbildung als Teile eines kontinuierlichen Prozesses der Professionalisierung verstanden. Auf die Erstausbildung (erste Phase) folgt die Berufseinführung (zweite Phase), die wiederum in eine dritte Phase, das lebensbegleitende Lernen, die Fort- und Weiterbildung, mündet. Vgl. BMUKK und BMWF (2010), S. 28 und S. 61 ff.
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