Sowohl in Österreich als auch in Deutschland nimmt der Staat eine aktive, gestaltende Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft ein. Beide Länder zeichnen sich durch starke soziale Sicherungsnetze aus.
Ähnlich wie im IMD-Länderranking zeigt sich auch für den Teilbereich öffentliche Finanzen (Public Finance – Government Efficiency) ein klares Bild: Deutschland hat Österreich im Jahr 2012 überholt. 2005 zählte Deutschland mit Platz 49 noch zu den schlech- testen Ländern, heute liegt es in dieser Kategorie auf Rang 16. Österreich ist im selben Zeitraum von Rang 29 um zehn Plätze auf Rang 39 abgerutscht.
Die Staatsquote, also der Anteil öffentlicher Ausgaben in Prozent der Wirtschaftsleistung, liegt in Österreich mit über 50 Prozent höher als im (mit hohen Kosten) wiedervereinigten Deutschland (siehe Abbildung 4).
Auch die öffentlichen Investitionen in Relation zur Wirtschaftsleistung sind höher. Was ausgegeben wird, muss bekanntlich auch eingenommen werden, und so ist deshalb auch die Abgabenquote in Österreich deutlich höher als in Deutschland.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Nachhaltigkeit der öffentlichen Leistung: Kann das hohe Leistungsniveau gehalten und mit vorhandenen Mitteln finanziert werden? Oder sind neue Schulden und damit eine weitere Belastung der nächsten Generationen nötig, um das bestehende System zu erhalten? Auch hier zeigt sich, dass der österreichische Staat in der Vergangenheit großzügiger gewesen ist: Die Staatsschuldenquote, also der Anteil der angehäuften Schulden am BIP, liegt höher als bei unserem Nachbarn.
Der Erfolg eines guten Sozialstaats lässt sich allerdings weniger an der finanziellen Ausgestaltung als vielmehr an den öffentlichen Gegenleistungen und ihrer Effizienz ablesen. Österreich wie Deutschland bieten ihrer Bevölkerung vergleichsweise großzügige Sozialleistungen und außerdem ein teures Gesundheits-, Bildungs- und insbesondere Pensionssystem. Andere Länder schaffen bei gleichen Ausgaben zum Teil bessere Ergebnisse oder aber vergleichbare Ergebnisse mit geringeren Kosten für die Bürger. So finanziert sich etwa das Pensionssystem in Schweden selbst und muss nicht – wie in Österreich – laufend aus dem allgemeinen Steuertopf bezuschusst werden.
Eine weitere wichtige Gemeinsamkeit zwischen Deutschland und Österreich liegt in der Entwicklung der Zinsbelastung. Nicht zuletzt durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZBDie Europäische Zentralbank (EZB; englisch European Central Bank, ECB; französisch Banque centrale européenne, BCE) mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein Organ der Europäischen Union. Sie ist die 1998 gegründete gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion und bildet mit den nationalen Zentralbanken (NZB) der EU-Staaten das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).) sind die Refinanzierungskosten der Schulden in beiden Ländern in den letzten Jahren deutlich gesunken.
Anders als Deutschland ist Österreichs Bundeshaushalt allerdings seit 1962 ohne Unterbrechung im Minus. Das hat strukturelle Gründe; die aktuellen Defizite lassen sich deshalb auch nicht ausschließlich mit Sondereffekten wie den Flüchtlingszuströmen erklären. Deutschland weist seit 2013 einen um Sondereffekte und Konjunktur bereinigten strukturellen Überschuss aus. Österreich konnte in den letzten fünf Jahren hingegen nicht einmal einen strukturellen Überschuss vermelden, geschweige denn einen reellen. Sicherlich lässt sich der deutsche Überschuss in weiten Teilen mit den hohen Einsparungen erklären, die sich durch die derzeit niedrigen Zinsen – und damit ganz ohne Zutun des Staates – ergeben.
Laut Bundesbank sparte sich Deutschland allein für das Jahr 2016 Zinszahlungen in Höhe von 47 Milliarden Euro. Das jedenfalls, wenn für den Schuldenberg des abgelaufenen Jahres Zinsen auf dem Niveau von 2007 zu zahlen gewesen wären. Österreichs Ersparnis liegt dieser Rechnung zufolge bei rund sieben Milliarden Euro. In Relation zur neunmal kleineren Wirtschaftsleistung ist die Ersparnis also deutlich höher. Dies liegt daran, dass Deutschland seit 2007 seinen Schuldenstand „nur“ um 34 Prozent ausgeweitet hat, während dieser in Österreich mit 61 Prozent fast doppelt so stark gestiegen ist.
Darüber hinaus nützt auch die aktuelle Arbeitsmarktentwicklung der deutschen Haushaltsbilanz. Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt sinken, die Steuereinnahmen steigen.Dementsprechend hat sich auch die öffentliche Verschuldung Österreichs und Deutschlands in den letzten Jahren unterschiedlich entwickelt, wie Abbildung 7 zeigt.
Zur höheren Staatsquote in Österreich tragen das Sozialsystem und darin vor allem die Pensionen ganz wesentlich bei. Die öffentlichen Aufwendungen für Pensionen gehören in Österreich zu den am schnellsten wachsenden und liegen schon heute in Relation zur Wirtschaftsleistung etwa vier Prozentpunkte höher als in Deutschland (siehe Kapitel: Pensionen). Zudem gibt es auch institutionelle Unterschiede. So haben sich beispielsweise der Bund und die Länder in Deutschland im Jahr 2009 auf eine neue Schuldenregel geeinigt. Auch Österreich hat inzwischen eine Schuldenbremse eingeführt. Dabei orientieren sich beide Länder am Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union.
Die Hauptmerkmale des Fiskalpakts sind dabei:
Seit 2017 haben sich in Österreich Bund, Länder und Gemeinden dazu verpflichtet, dass das strukturelle Defizit nicht höher als 0,45 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen darf. Dabei werden dem Bund maximal 0,35 Prozent, Ländern und Gemeinden maximal 0,1 Prozent gestattet. Abweichungen werden auf sogenannten Kontrollkonten gesammelt. Diese dienen dazu, dem öffentlichen Haushalt über den Konjunkturzyklus hinweg einen gewissen Spielraum zu verschaffen, sodass nach guten Jahren mit Überschüssen auch Jahre mit Defiziten sanktionslos folgen können.
Überschreitet das gesammelte Defizit jedoch am Kontrollkonto des Bundes 1,25 Prozent des BIP bzw. 0,367 Prozent für Länder und Gemeinden, so wird eine Sanktion gegen die Gebietskörperschaft verhängt und eine Korrektur muss eingeleitet werden. Grundgedanke einer Schuldenbremse ist es, dass der Staat seine Ausgaben und Einnahmen unter Berücksichtigung der aktuellen Konjunktur im Gleichgewicht hält. Damit in Boomphasen Überschüsse anfallen, um die in Rezessionen erwirtschafteten Defizite auszugleichen. Allerdings wird diese Schuldenbremse in Deutschland und Österreich unterschiedlich umgesetzt.
In Deutschland ist das entsprechende Gesetz in der Verfassung verankert, und einige Bundesländer haben die Schuldenbremse zusätzlich in ihre Landesverfassungen übernommen – übrigens auch aufgrund von Volksabstimmungen. Wenn in Deutschland der Bund oder die Länder das Nulldefizit überschreiten, wird dies als Verfassungsbruch gewertet. Die deutschen Bestimmungen bieten daher einen weit wirksameren Kontrollmechanismusals die Regelung der Schuldenbremse in Österreich.
Sowohl Österreich als auch Deutschland sind Beispiele des sogenannten „kooperativen Föderalismus“ und stehen damit im Gegensatz zum Wettbewerbsföderalismus der Schweiz. In beiden Ländern liegt die Generalkompetenz, etwa bei der Gesetzgebung, theoretisch bei den Ländern, in der Praxis aber ist der Bund zumindest sehr dominant. Während die Verwaltung und der Vollzug der Zentralgesetze zu den wesentlichen Aufgaben der Länder zählen, zeigte sich der Bund in Österreich und auch in Deutschland über die Jahre hinweg für immer mehr Kompetenzen zuständig.
Nichtsdestotrotz erledigen Länder und Gemeinden in Deutschland mehr Aufgaben als in Österreich und agieren in mehreren Bereichen – im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip – eigenständiger, als dies hierzulande der Fall ist.
Im Vergleich zu Österreich können zwei Aspekte des Finanzausgleichs in Deutschland positiv bewertet werden: Die Zuweisung höherer Ertragsanteile an die Länder gibt diesen einen größeren Handlungsspielraum und damit eine höhere Autonomie, als es zweckgebundene Zuschüsse vermögen. Und bis zu einem gewissen Grad verhindert der – zwar beschränkte, aber doch vorhandene – Fiskalwettbewerb, dass die Gemeinden allzu ineffizient arbeiten und durch zu hohe Ausgaben ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen.
Österreich könnte über eine autonomere Ausgestaltung der Kommunalsteuer den Fiskalwettbewerb in diese Richtung stärken. Ein weiterer wesentlicher Punkt sind die Buchhaltungsregeln der lokalen Gebietskörperschaften. In den Gemeinden Österreichs wird kameralistisch Buch geführt, und das wird sich voraussichtlich auch erst im Jahr 2020 ändern. In Deutschland begann die Umstellung auf die doppelte Buchhaltung auch für die Gemeinden bereits zu Beginn der 2000er-Jahre. Öffentliche Ausgaben können durch die doppelte Buchführung weitaus besser gesteuert werden und das schafft deutlich mehr Transparenz in Bezug auf die Vermögen und die Schulden der Gebietskörperschaften.
Vermögens- und Erfolgsrechnungen geben den Entscheidungsträgern der deutschen Gebietskörperschaften einen transparenten Überblick über die finanzielle Lage der jeweiligen Gemeinden oder Länder sowie einen Überblick über den Investitionsbedarf. Darüber hinaus liefern deutsche Gemeinden, anders als die österreichischen, sogenannte konsolidierte Bilanzen. Das bedeutet, dass sie auch alle ausgegliederten Unternehmen ausweisen müssen. Mit dieser Maßnahme ist es kaum mehr möglich, Schulden der Gemeinden in Tochterunternehmen zu verstecken.
Fußnoten
Die Staatsschulden sind rasant gestiegen, das Defizit wächst. Österreich muss rasch Maßnahmen setzen, um das Budget zu sanieren. Aber wie soll das gehen, ohne die Wirtschaftskrise zu verschärfen? Die Agenda Austria hat ein Konzept erarbeitet, mit dem der Staat schon im kommenden Jahr knapp 11 Milliarden Euro einsparen kann. Bis zum Ende des Jah
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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