Viele Stimmen, von der EU-Kommission über die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bis hin zum Internationalen Währungsfonds (IWF), warnen österreichische Finanzminister immer wieder vor den bereits hohen und noch weiter steigenden Kosten durch die Alterung der Bevölkerung. Die Regierung sieht hier allerdings keinen Handlungsbedarf, man verweist gerne darauf, dass das faktische Antrittsalter in den letzten Jahren ohnehin leicht gestiegen sei.
Christl und Kucsera (2016) zeigen aber, dass dies nicht ausreicht, da die aktuellen Ab- und Zuschläge im österreichischen Pensionssystem recht nahe an dem optimalen Wert liegen.[1] Das bedeutet, dass ein früherer oder späterer Antritt des Ruhestands das Pensionssystem weder be- noch entlastet.
Ein späterer Abschied vom Arbeitsleben hat kurzfristig durchaus positive Effekte für die Finanzierung des Pensionssystems: Menschen, die länger arbeiten, zahlen während dieser Zeit weiter Pensionsversicherungsbeiträge ein und erhalten noch keine Pension. Vergessen wird aber oft der belastende Teil des späteren Antritts: Durch das längere Arbeitsleben werden auch höhere Pensionsansprüche erworben, die entsprechend auch ausbezahlt werden und damit die Gesamtausgaben zukünftig ansteigen lassen. Ein späterer tatsächlicher Pensionsantritt reduziert damit das Defizit im Pensionssystem nicht nachhaltig, sondern verschiebt die Problematik in die Zukunft.
Wenn der spätere Pensionsbeginn nicht hilft, was bleibt dann als Lösung? Damit das Pensionssystem auch langfristig ohne Pensionskürzungen finanzierbar bleibt, muss das gesetzliche Pensionsalter steigen. Das bedeutet, dass die Menschen zukünftig länger im Erwerbsleben bleiben müssen, um die gleiche monatliche Pension zu erhalten. Das ist aus persönlicher Sicht zwar ärgerlich, aber notwendig, um das System zu stabilisieren. Konkret sollte sich das gesetzliche Pensionsantrittsalter an der steigenden Lebenserwartung orientieren. Wenn länger ausgezahlt wird, sollte auch länger eingezahlt werden.
Passiert das nicht, wird die Gesamtsumme der bezogenen Pension mit der Lebenserwartung immer weiter ansteigen. Um das auszugleichen, muss das gesetzliche Pensionsantrittsalter aber nicht eins zu eins mit der Lebenserwartung steigen. Es muss nur das Verhältnis zwischen der Zeit in Erwerbstätigkeit und der Zeit in Pension gleich bleiben. Aktuell beträgt das Verhältnis der Zeit in Erwerbstätigkeit zu der in Pension etwa zwei zu eins. Das bedeutet: Steigt die Lebenserwartung um drei Monate, ist es notwendig, dass die Menschen um zwei Monate länger arbeiten. Gleichzeitig verlängert sich die Zeit in Pension um einen Monat. Wenn die Politik ausschließlich am faktischen AntrittsalterDas gesetzliche Antrittsalter von Frauen wird in Österreich bis 2033 stufenweise auf 65 Jahre angehoben und damit an jenes der Männer angeglichen. Das tatsächliche Antrittsalter liegt aktuell für Männer bei circa 62, für Frauen bei 61 Jahren. schrauben möchte, dann wird sie nichts an der grundlegenden Schieflage der Pensionssystems ändern. Kurzfristig ist der gesetzlichen Vorsorge zwar mit mehr Einnahmen geholfen (weil die Menschen länger einzahlen), langfristig steigen aber die Ausgaben – weil die Pensionisten höhere Ansprüche haben.
Tatsächlich wurden zuletzt 1992 erste Schritte für ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter gesetzt. Doch die Angleichung des Antrittsalters für Frauen an jenes der Männer (aktuell: 60 vs. 65 Jahre) beginnt erst ab 2024 und ist nach derzeitigen Bestimmungen erst im Jahr 2033 abgeschlossen. Österreich hat aktuell gemeinsam mit Polen das niedrigste Pensionsantrittsalter innerhalb der EU.[2] Eine Anpassung sollte daher früher passieren. Beamtinnen müssen bereits jetzt bis zum Alter von 65 Jahren arbeiten, um ihren Ruhegenuss beziehen zu können. Das AntrittsalterDas gesetzliche Antrittsalter von Frauen wird in Österreich bis 2033 stufenweise auf 65 Jahre angehoben und damit an jenes der Männer angeglichen. Das tatsächliche Antrittsalter liegt aktuell für Männer bei circa 62, für Frauen bei 61 Jahren. von 60 Jahren führt dazu, dass Frauen niedrigere Pensionen erhalten, weil sie gerade in den spätern Erwerbsjahren, in denen man oft mehr verdient als zuvor, nicht mehr für ihre Pension einzahlen bzw. ansparen können.
Die österreichische Politik schreckt traditionell davor zurück, das Pensionsantrittsalter anzuheben. Denn eine solche Maßnahme würde so wirken, als würde man der älteren Generation „etwas wegnehmen“. Tatsächlich ist es aber so, dass der Generationenvertrag heute bereits zulasten der jungen Menschen geht und eine Reform ein Gebot der Fairness wäre.
Denn wegen der steigenden Lebenserwartung müssen die Kinder der Babyboomer relativ viel einzahlen und werden im Vergleich zu ihren Eltern geringere Pensionen erhalten. Hammer et al. (2018) zeigen eindrücklich, dass der Generationenvertrag in vielen Ländern zukünftig nicht mehr erfüllt werden kann, weil zu wenig in die Ausbildung der Kinder – der zukünftigen Beitragszahler – investiert wurde und wird, um die generösen Pensionen für die ältere Generation aufrechtzuerhalten. Das ist deshalb so, weil eine zahlenmäßig immer kleinere Gruppe – die Babyboomer haben weniger Kinder – im Umlagesystem die Pensionen ihrer Eltern finanzieren. Zwar gibt es interfamiliäre Transfers: Die Eltern haben gute Einkommen und Pensionen und vererben Erspartes an die Kinder. Dies kann aber nicht als Ausgleich zu einem gerechten und nachhaltigen Pensionssystem gesehen werden.
Das Ziel eines geringeren Defizits im Pensionssystem ist unter anderem deswegen wichtig, weil es Österreichs finanziellen Spielraum für Zukunftsinvestitionen, wie jene in Bildung oder Innovationen, vergrößern würde. Damit eine Pensionsreform erfolgreich ist, muss sie nicht nur die finanzielle Nachhaltigkeit im Blick haben, sondern auch die Lastenverteilung zwischen den Beitragszahlern und den Empfängern der unterschiedlichen Pensionsleistungen. Das Beispiel Schweden zeigt, wie es gehen könnte.
Fußnoten
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