Dieses Kapitel legt die Ergebnisse der empirischen Studie dar. Zuerst wird auf Österreich eingegangen, dann wird Österreich mit Schweden und Deutschland im Detail verglichen. Zuletzt wird die bereinigte Arbeitslosenrate berechnet, die dann einen europäischen Vergleich ermöglicht. Die detaillierten Ergebnisse der Regressionen sind im Appendix zu finden.
Prinzipiell sind die Ergebnisse des Modells für Österreich mit den Ergebnissen, die Eurostat jährlich veröffentlicht, im Einklang[1]. Auch europaweit zeigen die Ergebnisse zum Großteil nicht nur eine relative, sondern auch eine absolute Übereinstimmung. Gewisse Schwankungen können aber aufgrund der unterschiedlichen Methodik nicht ausgeschlossen werden. In diesem Paper werden empirische Daten hochgerechnet, während Eurostat Stichproben aus telefonischen Befragungen hochrechnet. Außerdem bestimmt Eurostat die Stille Reserve, während hier die versteckte Arbeitslosigkeit berechnet wird. Diese zwei unterschiedlichen Definitionen decken sich nur zum Teil.
Die Modellberechnung liefert uns Werte für die versteckte Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Altersgruppen und nach Geschlecht.
Abbildung 5 zeigt, dass die Gesamtzahl der versteckten Arbeitslosen zu Beginn dieses Jahrtausends ca. 100.000 betrug, aktuell (erstes Quartal 2013) sind es bereits rund 250.000. Wenig überraschend sind die mit Abstand meisten versteckten Arbeitslosen in der Gruppe der 25- bis 54-Jährigen zu finden, da diese auch anteilsmäßig die größte Gruppe stellen. Relativ zur Gruppengröße gesehen zeigt sich natürlich ein anderes Bild. Prinzipiell kann seit 1999 ein Anstieg bei den versteckten Arbeitslosen in allen Altersgruppen festgestellt werden. Ausnahme ist hierbei lediglich die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen, deren Entwicklung über den gesamten Zeitraum relativ konstant verlief.
In Abbildung 6 sieht man, dass die versteckte Arbeitslosigkeit der Frauen tendenziell höher als die der Männer ist. Dies ist allerdings kein rein österreichisches Phänomen. Besonders interessant ist die Entwicklung der versteckten Arbeitslosigkeit bei Frauen zwischen Ende 2003 und Anfang 2004 in der älteren Generation. Die Pensionsreformen von 2003 und 2004, die die Aufhebung der gesetzlich verankerten Möglichkeit eines vorzeitigen Pensionsantritts zur Folge haben können, motivierten offenbar viele Frauen, dieses Angebot noch schnell in Anspruch zu nehmen. Dieses Phänomen ist bei Männern zwar auch festzustellen, jedoch in weit geringerem Ausmaß. Die Pensionsreformen von 2003 und 2004 führten jedenfalls dazu, dass sich die versteckte Arbeitslosigkeit in den Folgejahren verringerte und die Erwerbsquote der Älteren anstieg.
Bei Frauen ist die versteckte Arbeitslosigkeit seit 2007 relativ konstant auf einem hohen Niveau.
Die versteckte Arbeitslosenquote ist vor allem in Österreich seit 1999 ins- gesamt stark angestiegen. Eine Entwicklung, die zum Großteil auf die Generation der 55- bis 64-Jährigen zurückzuführen ist. Auch wenn sich die Situation seit 2004 nicht merklich verschlechtert hat, kann dies nicht als Entspannung gewertet werden, weil die bisherigen Pensionsreformen die versteckte Arbeitslosigkeit eigentlich zurückdrängen sollten. Mit einer versteckten Arbeitslosenrate von aktuell 5,51% der Erwerbspersonen[2] ist sie aber nicht weit vom Höchstwert im zweiten Quartal 2005 entfernt.
Stellt man die offiziellen Arbeitslosen (LFK) den versteckten Arbeitslosen gegenüber (Abbildung 8), so sieht man, dass die versteckte Arbeitslosenzahl klarerweise unter anderem konjunkturbedingt stärkere Schwankungen aufweist. So waren zum Beispiel bis 2004 weit weniger Menschen versteckt arbeitslos als offiziell, zwischen 2004 und 2008 war es genau umgekehrt. Nach 2008 zeigen beide Zahlen einen relativ ähnlichen Verlauf, wieder schwankt jedoch die Zahl der versteckten Arbeitslosen stärker. Aktuell liegt Österreich bei rund 220.000 offiziellen Arbeitslosen und rund 250.000 versteckten Arbeitslosen – gesamt also bei rund 470.000.
Wie bereits gezeigt, liegt die Zahl der versteckten Arbeitslosen in Österreich bei rund 250.000. Aber was bedeutet diese Zahl im Vergleich zu anderen Ländern? Schließlich ist Österreich nicht das einzige Land, das die tatsächliche Arbeitslosigkeit verdeckt. Um zu sehen, wie diese Zahl zu interpretieren ist, werden die Arbeitslosenquoten von zehn anderen Ländern bereinigt und miteinander verglichen.
Deutschland ist schon wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit Österreich interessant. Und auch deshalb, weil es derzeit wie Österreich als eines der Vorzeigeländer der Europäischen Union im Sinne von niedriger Arbeitslosigkeit[3] gilt. Im Unterschied zu Österreich hat Deutschland aber in den letzten Jahren wichtige Reformen (Hartz-Reformen, die Anhebung des gesetzlichen Rentenantrittsalters auf 67 etc.) umgesetzt. Schweden wiederum war Österreich lange Zeit leuchtendes Vorbild in Sachen Ausbau des Wohlfahrtsstaates, zählt mittlerweile aber zu den entschlossensten Reformländern. Bemerkenswert ist im Falle Schwedens nicht nur die generell hohe Arbeitslosigkeit[4], sondern auch die hohe Beschäftigungsquote der über 60-Jährigen.
Auffallend ist, dass Österreich von diesen drei Staaten aktuell das Land mit der höchsten versteckten Arbeitslosenrate ist. Mit fast 5,51% ist der Wert um fast zwei Prozentpunkte höher als in Schweden und um mehr als vier Prozentpunkte höher als in Deutschland. In Österreich kommen derzeit auf einen offiziellen Arbeitslosen 1,15 versteckte Arbeitslose, während es in Schweden 0,43 sind und in Deutschland 0,26.
Hinzu kommt, dass Österreich eine steigende versteckte Arbeitslosenrate aufweist, während Deutschland Fortschritte macht, vor allem durch die Hartz-Reformen (Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, Schaffung eines Arbeitsmarktes für Ältere usw.). Österreich konnte den Abstand zu Schweden durch die Pensionsreformen 2003 und 2004 etwas verringern.
Nun lässt sich noch nicht die Frage beantworten, ob in einzelnen Altersgruppen auffallend viele arbeitslose Menschen aus der Statistik fallen, oder ob es sich um ein weitgehend gleichverteiltes Phänomen handelt. So verzeichnet Österreich in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen zwar einen leicht ansteigenden Trend (Abbildung 10), dennoch liegt das Land hier vergleichsweise gut. Nur Deutschland steht in dieser Altersgruppe noch besser da, im krassen Gegensatz zu Schweden. Dort bekommen junge Menschen deutlich stärkere finanzielle Anreize vonseiten des Staates geboten, höhere Schulen zu besuchen und zu studieren. Sie finden also weniger Anreize vor, in jungen Jahren auf den Arbeitsmarkt zu drängen.
Ganz anders sieht es bei den Älteren aus. In der Altersklasse zwischen 55 und 64 Jahren liegt die versteckte Arbeitslosenrate in Österreich bei über 15% (Abbildung 11). In Deutschland konnte man diese durch langfristig orientierte Reformpolitik kontinuierlich reduzieren, während in Österreich die „Abschaffung“ der Frühpensionen 2003 nur zu einer vorübergehenden Reduktion führte. Schweden und Deutschland wurden aus der Grafik genommen, weil die Ergebnisse der Regression (siehe Appendix) statistisch nicht signifikant sind. Auch Großbritannien und Finnland liegen deutlich besser als Österreich.
Das generell hohe Niveau der versteckten Arbeitslosenrate in der älteren Generation Österreichs ist zweifellos durch die gängige Praxis des vorzeitigen Pensionsantritts zu erklären. Hinzu kommt das niedrige Pensionsantrittsalter bei Frauen, das Vergleichsländer wie Deutschland und Schweden bereits an jenes der Männer angeglichen haben[5].
Wie sieht aber nun eine neue, um die versteckte Arbeitslosenrate bereinigte Reihung aus? Wenig überraschend liegt Österreich in einer derartigen Rangliste immer noch gut, verliert aber den ersten Platz (EU-weit). Das geschieht in erster Linie wegen der vergleichsweise hohen Zahl an Frühpen- sionierungen, die es in anderen europäischen Ländern in dieser Art nicht gibt. Keines der Vergleichsländer weist in dieser Altersgruppe eine derart starke Reaktion auf die Arbeitsmarktkonjunktur auf wie Österreich[6].
Besonders auffallend im Zeitverlauf ist die sukzessive Verbesserung Deutschlands, während sich Österreich und Schweden im Laufe der Jahre verschlechtert haben. Österreich weist aktuell eine bereinigte Arbeitslosenrate von 10,32% auf.
Wie sieht es nun im europäischen Vergleich aus? Zur Erinnerung noch einmal die offizielle, „alte“ Statistik nach LFK:
In der neuen, bereinigten Berechnung zeigt sich allerdings eine Verschiebung der Positionen. Österreich wird von einigen anderen europäischen Ländern überholt und findet sich „nur“ noch auf Platz fünf der elf Vergleichsländer wieder.
Spitzenreiter bleibt Norwegen. Deutschland, das eine sehr geringe versteckte Arbeitslosigkeit aufzuweisen hat, schafft den Sprung auf Platz zwei. Zusätzlich wird Österreich von Tschechien und Großbritannien (UK) überholt.
Die Situation auf dem heimischen Arbeitsmarkt ist auch nach Aufdeckung der versteckten Arbeitslosigkeit nicht dramatisch. Es zeigt sich nur, dass Österreich kein Vorzeigeland in puncto Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist. Vielmehr ein Land, das besonders geschickt mit der offiziellen Statistik umzugehen weiß und das sich seine gute Positionierung teuer mit Frühpensionierungen erkauft – zu Lasten der aktiven Jahrgänge und vor allem der jüngeren Generationen.
Fußnoten
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
Schwerpunkt 1: Mehr Wachstum braucht das Land! Wirtschaftswachstum ist in Österreich zu einem Fremdwort geworden. Nicht nur in der Statistik und in den Prognosen der Institute ist es inzwischen weitgehend der Stagnation gewichen. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien kommt es kaum noch vor. Man sollte ja erwarten, dass ein Land, dessen reales Br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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