Die Diskussion um den österreichischen Wohnungsmarkt ist durch ein Dogma beherrscht: Wohnen ist ein Grundrecht und die Befriedigung eines solch elementaren Grundbedürfnisses darf nicht dem Markt überlassen werden.
Vielmehr müsse der Staatseinfluss vergrößert werden und mittels stärkerer Regulierung bzw. mehr öffentlichen Geldern das bisherige eklatante Marktversagen korrigiert werden.
Ein solches Dogma ist gut für die wohlwollenden Planer: Sie können ihre Existenz rechtfertigen und sich als Retter des kleinen Mannes inszenieren. Außerdem ermöglicht es, ohne langwierige Analyse, auch bei komplexen Problemen sofort eine Antwort parat zu haben: Steigende Mieten? Mietpreisdeckelung! Mangelnder Neubau? Mehr Geld für öffentliche Wohnbauten! So ist das Wohnungsproblem für David Ellenson, Klubobmann der Wiener Grünen, ganz einfach lösbar: „Wir sind der Meinung: 500 Euro für 60 m² sind genug.“
Dabei drängt sich natürlich die Frage auf, ob es nicht tatsächlich umgekehrt ist: Führen womöglich gerade die staatlichen Eingriffe zur vermeintlichen Wohnungsnot? Gibt es also eine drohende Wohnungsnot durch ein Staatsgebot?
In dieser Studie haben wir uns entsprechend zunächst der Frage gewidmet, wie die Lage tatsächlich ist und ob sie den politischen Aktivismus rechtfertigt. Die Antwort ist einerseits Nein, denn die Preise sind zwar gestiegen, aber gleichzeitig sind auch die Einkommen der Österreicher gestiegen, sodass 2010 relativ gesehen nur unwesentlich mehr für das Wohnen ausgegeben wurde als beispielsweise 2005. Hauptgründe für die gestiegenen Preise sind ein teilweise inadäquates Angebot bei gleichzeitig starken Nachfragesteigerungen aufgrund exogener Einflüsse, wie Demografie, Einkommen und Qualitätsansprüche. Aus dieser Sicht ist die Lage also nicht hoffnungslos. Andererseits deuten insbesondere die zunehmende Entkoppelung zwischen Neu- und Bestandsmieten auf fundamentale Probleme auf dem österreichischen Wohnungsmarkt hin, wie auch der Umstand, dass die Bautätigkeit kaum auf die gestiegenen Preise reagiert hat.
Um am Ende passende Empfehlungen aussprechen zu können, haben wir anschließend die grundsätzlichen Zusammenhänge auf dem Wohnungsmarkt gemäß der Abbildung 59 untersucht:
Aus unserer Sicht hat der Staat durch seine vielfältigen bürokratischen Interventionen die durch die exogenen Treiber gegebenen grundsätzlichen Entwicklungen noch verstärkt. Insbesondere hat die strenge Regulierung durch das Mietrechtsgesetz (MRG) dazu geführt, dass der Preis nicht mehr das richtige Knappheitssignal gibt und der Vermieter nicht den richtigen Anreiz hat, in die Bausubstanz zu investieren. Dass dies zu einem ineffizient genutzten Bestand führt, zeigt sich beispielsweise daran, dass die Wohnflächennachfrage mit dem Alter trotz sinkender Haushaltsgröße steil ansteigt. Offensichtlich besteht also kein Anreiz, mit sinkender Haushaltsgröße in eine kleinere Wohnung zu ziehen und so den nachkommenden Nachfragern Platz zu machen.
Weitere preistreibende Wirkungen ergeben sich dadurch, dass der Staat durch ineffiziente Raumplanung, überzogene Bauvorschriften und die Niedrigzinspolitik den Neubau erschwert und verteuert hat. So hat die Abhängigkeit der Gemeinden von den Einnahmen durch die Flächenwidmung dazu geführt, dass es in Österreich enorme Baulandreserven gibt. Die Tatsache, dass in eindeutigen Hotspots immer weniger gebaut wird, deutet allerdings darauf hin, dass nicht die richtigen Flächen gewidmet wurden. Unsere Analysen zeigen jedenfalls, dass die Baulandreserven sogar in Wien so groß sind, dass damit theoretisch der Wohnflächenbedarf der nächsten 20 bis 30 Jahre abgedeckt werden kann. Die exzessiven Bauvorschriften, insbesondere bei der Energieeffizienz, haben die Errichtungskosten vor allem beim objektgeförderten Neubau stark in die Höhe getrieben, mit entsprechenden Folgen für die Leistbarkeit für einkommensschwache Gruppen. Durch die Niedrigzinspolitik kommt es schließlich zu einem Run auf Realwerte und entsprechenden Verteuerungen bei den Grundstücks- und Immobilienpreisen.
Aufgescheucht durch die teilweise selbst verursachten Preissteigerungen reagiert die Politik mit weiteren Marktverzerrungen: Mit großzügigen, sich verselbständigenden Förderprogrammen werden sowohl die Bauträger (Objektförderung) als auch die Bewohner (Subjektförderung) unterstützt. Die Schwerpunktsetzung des Mitteleinsatzes auf die Erstellung objektgeförderter Sozialbauten geschieht nicht nur gegen den europäischen Trend, sondern basiert auch auf einer Reihe von angenommenen positiven Eigenschaften der Objektförderung, die sich bei genauerer Betrachtung als Mythen entpuppen.
Dies ist insbesondere deswegen problematisch, weil durch die demografische Entwicklung in den nächsten 20 bis 30 Jahren mit steigendem und danach mit sinkendem Flächenbedarf zu rechnen ist. Wenn also nicht ausreichend gebaut wird, ist mit einem weiteren und stets steigenden Druck auf die Preise zu rechnen. Wenn aber nicht das Richtige gebaut wird, entsteht heute der Leerstand von morgen. Angesichts der Tatsache, dass die Bürokratie es heute schon nicht schafft, im geförderten Wohnbau auf geänderte Einkommens- und Bevölkerungsverhältnisse adäquat zu reagieren, sind Zweifel daran angebracht, dass dies in Zukunft bei ungleich größeren Herausforderungen gelingen kann.
Was muss also getan werden?
Während in einschlägigen Kreisen und in der Politik hauptsächlich darüber diskutiert wird, ob die Wohnbauförderung wieder zweckgebunden werden soll und inwieweit die Mittel angehoben werden sollen, sind wir der Meinung, dass das österreichische Wohnwesen einer „Reform an Haupt und Gliedern“ bedarf, um die strukturellen Probleme des Marktes an der Wurzel zu packen.
Konkret empfehlen wir:
Der Eigentumsschutz kann insbesondere durch die Einführung eines Vergleichsmietensystems, in Anlehnung an das deutsche Modell, gestärkt werden. Außerdem sollte die Weitergabefähigkeit von wertsteigernden Investitionskosten an den Mieter erleichtert werden. Drittens sollte die Möglichkeit, in Altmietverträge eintreten zu können, per sofort und vollständig unterbunden werden. Durch diese Maßnahmen würde der Mietermarkt erweitert und liberalisiert. Dies würde entgegen der landläufigen Vermutung allerdings nicht dazu führen, dass die Mieten auf dem Niveau des heutigen freien Segments zu liegen kämen. Vielmehr ist zu erwarten, dass sie sich längerfristig zwischen den heutigen geschützten und den heutigen freien Mieten einpendeln.
Der private Neubau sollte erleichtert werden, indem Anreize für die Behörden geschaffen werden, das vorhandene Bauland besser zu nutzen und bei der Widmung weniger nach fiskalpolitischen und mehr nach Bebauungskriterien vorzugehen. Darüber hinaus sollten die Bauvorschriften durchforstet werden: Die Richtlinien mit sicherheitsrelevanten Zielen sollten, wenn möglich, durch ein gegebenenfalls verschärftes Haftungsrecht ersetzt werden. Alle anderen Ziele können am besten durch das Spiel von Angebot und Nachfrage erreicht werden und die entsprechenden Richtlinien sind daher möglichst aufzuheben.
Je größer ein Markt ist, desto eher treffen sich Angebot und Nachfrage, desto eher gibt es also für jeden Bedarf ein passendes Angebot. Angesichts der bereits bestehenden Verknappungen und der Herausforderungen für die Zukunft, empfehlen wir also, den Markt über das Angebot der Zukunft entscheiden zu lassen. Dadurch ist am ehesten sichergestellt, dass zeitnah und bedürfnisadäquat, also nicht der Leerstand von morgen, gebaut wird.
Klarerweise besteht die Möglichkeit, dass durch den Markt zu wenige günstige Wohnungen geschaffen werden. Für diesen Fall empfehlen wir, die Subjektförderung zulasten der Objektförderung auszubauen. Die Subjektförderung ist als automatischer Stabilisator der Objektförderung grundsätzlich überlegen, da sie wesentlich schneller, zielgenauer und flexibler wirken kann.
Zur Markterweiterung gehört auch, dass die objektgeförderten Wohnungen über das Vergleichsmietensystem in den Markt integriert werden. Dadurch würde eine höhere Transparenz des Angebots erreicht und viel eher sichergestellt werden, dass die geförderten, günstigsten Wohnungen den wirklich Bedürftigen zur Verfügung stehen.
Diese Maßnahmen stellen teilweise einen fundamentalen Richtungswechsel dar und erfordern eine gemeinsame Anstrengung aller beteiligten Entscheidungsträger. Im Gegensatz zu kurzfristigen kosmetischen Korrekturen sind sie allerdings ein großer Schritt in Richtung eines modernen, transparenten Wohnungsmarkts, der wesentlich besser für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet ist.
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