Konjunktur & Wachstum

Wachstum im Namen des Volkes

Politik im Schatten der Regierung

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„Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ Dieser alte, aus dem Jahr 2004 stammende Werbespruch der Wirtschaftskammer sorgte in einem neu gestalteten Video im Vorjahr für viel Aufsehen und Kritik. Ganz falsch ist diese Aussage freilich nicht.

Geht es den Unternehmen und ihren Beschäftigten gut, dann profitieren alle davon, unabhängig ob Arbeitgeber oder -nehmer. Der Wirtschafts- wie auch der Arbeiterkammer geht es aber zumeist noch besser, denn ihre Einnahmen steigen ohne ihr Zutun. Auch wenn es in den medialen Berichten oft den Anschein erwecken könnte, dass die Kammern um ihre Existenz ringen, so stehen sie in puncto Einnahmen, Vermögen und Personal besser da denn je. In den letzten 13 Jahren sind die Einnahmen aus Pflichtbeiträgen beider Kammern inflationsbereinigt deutlich gewachsen. Ursachen dafür sind die gute Konjunktur und die damit zusammenhängende gestiegene Beschäftigung. Finden mehr Menschen einen Job, wachsen die Umsätze der Unternehmen oder gibt es neue Gründer, so steigen auch die Beiträge der Kammern.

Abb. 1: Geht’s der Wirtschaft gut, dann geht es den Kammern gut. Die Einnahmen aus den Pflichtbeiträgen sind bei den beiden Kammern in den vergangenen 14 Jahren zumindest so kräftig wie die Wirtschaftsleistung gewachsen. Die Arbeiterkammerumlage legte um 70,7 Prozent, die Wirtschaftskammerumlage um 58,6 Prozent zu.

Die Einnahmen der Kammern

Die Kammern generieren ihre Einnahmen zum wesentlichen Teil aus den Pflichtbeiträgen ihrer Mitglieder. Während im Jahr 2018 rund 78 Prozent der Einnahmen der Wirtschaftskammer aus Zwangsbeiträgen stammten, waren es in der Arbeiterkammer 94 Prozent.

Während die Wirtschaftskammer mit Einnahmen von rund 1.021 Millionen Euro über der Milliardengrenze liegt, erreichten jene der Arbeiterkammer mit 509 Millionen Euro bei knapp der Hälfte.

Die Einnahmen der Wirtschaftskammer setzten sich dabei aus den Pflichtbeiträgen der 528.000 Mitglieder in den jeweiligen Wirtschaftskammern und ihren Fachorganisationen (Grundumlagen, Kammerumlage 1 und Kammerumlage 2) zusammen. Hinzu kommen noch Erlöse aus erbrachten Dienstleistungen für ihre Mitglieder. Die Umlagen bei der Wirtschaftskammer hängen dabei vom allgemeinen Gang der Wirtschaft ab. Die Kammerumlage 1 wird bei Umsätzen von mehr als 150.000 Euro im Kalenderjahr fällig. Die Kammerumlage 2 orientiert sich am Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer. Legen Beschäftigung und Umsätze zu, steigt auch der Pflichtbeitrag zur Wirtschaftskammer. Deckel gibt es keinen. Zudem wird noch autonom von den Fachgruppen eine Grundumlage beschlossen.

Die Kammer für Arbeiter und Angestellte finanziert sich aus der Arbeiterkammerumlage. Diese beträgt 0,5 Prozent des Bruttogehalts und wird automatisch als Teil des Sozialversicherungsbeitrags eingehoben. Die AK-Beiträge sind nach oben durch die Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt. Aktuell werden also maximal 26,10 Euro pro Monat fällig, was ungefähr der GIS-Gebühr entspricht.  Auch die Arbeiterkammer generiert über die Pflichtbeiträge hinaus Einnahmen, beispielsweise aus erbrachten Leistungen oder der Vermietung von Immobilien.

Insgesamt stellen die Einnahmen der Wirtschaftskammer jene der Arbeiterkammer in den Schatten. Während die Wirtschaftskammer mit Einnahmen von rund 1.021 Millionen Euro über der Milliardengrenze liegt, erreichten jene der Arbeiterkammer mit 509 Millionen Euro bei knapp der Hälfte. Pro aktivem Mitglied lagen die Umlagen der Wirtschaftskammer 2018 bei rund 1.510 Euro. In der Arbeiterkammer beliefen sich die Kammerumlagen pro Beitragszahler, je nach Bundesland, auf einen Betrag zwischen 160 im Burgenland und 214 Euro in Wien. Zum Vergleich: In Deutschland zahlen die Mitglieder der verpflichtenden Arbeitnehmervertretung weniger als die Hälfte

Abb. 2: Wie setzen sich die Einnahmen der Kammern zusammen? Die wichtigste Geldquelle sind für beide die Beitragszahlungen ihrer Mitglieder. Bei der Wirtschaftskammer kommen zudem aber noch beträchtliche sonstige Einnahmen dazu.

Mit einem Zuwachs von über 70 Prozent zwischen 2004 und 2018 übersteigt die Entwicklung der Einnahmen der Arbeiterkammer jene der Wirtschaftskammer deutlich, letztere legte um rund 60 Prozent zu. Ein Grund für die deutlich stärkere Entwicklung bei den Einnahmen der Arbeitnehmervertretung liegt auch an der Verknüpfung der AK-Umlage. Sie bemisst sich an den Sozialversicherungsabgaben, die mit der Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt sind. Dieser Deckel ist in der jüngeren Vergangenheit aber deutlich schneller gestiegen als die Inflation, was umgekehrt auch die Einnahmen der Arbeiterkammer wachsen ließ (siehe Abbildung 3). 2019 liegt die Höchstbeitragsgrundlage bereits bei 5.220 Euro – 2009 waren es noch 4.020 Euro. Das starke Wachstum der Höchstbeitragsgrundlage hat der Arbeiterkammer seit 2010 rund 10 Millionen Euro an Zusatzeinnahmen gebracht.[2]

Abb. 3: Die Arbeiterkammerumlage ist zwar gedeckelt. Doch der Deckel, die Höchstbeitragsgrundlage, wächst seit vielen Jahren deutlich stärker als die Inflation. Und das bringt auch der AK höhere Einnahmen.

Der Kammerstaat wird dabei insbesondere von den Gutverdienern finanziert. Die Arbeiterkammerumlage ist zwar mit der Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt, doch durch diesen relativ hohen Deckel zahlt das einkommensstärkste Viertel der Arbeitnehmer rund 59 Prozent der AK-Umlage. Vergleichbare Daten sind bei der Wirtschaftskammer nicht verfügbar.

Zusammen verwalten die beiden großen Kammern ein jährliches Budget von rund 1,5 Milliarden Euro. Damit liegen die Einnahmen höher als jene der deutschen Industrie- und Handelskammern (1,4 Milliarden Euro) sowie der beiden verpflichtenden Arbeiterkammern in Bremen und dem Saarland (zusammen 36 Millionen Euro für knapp eine Million Mitglieder).

Den gestiegenen Einnahmen stehen auch gewachsene Apparate gegenüber. Denn der größte Ausgabeposten der Kammern sind die Personalkosten. In Summe zahlten die Kammern im Vorjahr 584 Millionen Euro für ihr Personal. Die Kosten sind in den letzten 13 Jahren im Schnitt um rund 60 Prozent gestiegen – bei der Arbeiterkammer um 66 Prozent, bei der Wirtschaftskammer waren es 57 Prozent. Die Kammern haben dabei auch aufgestockt. So stieg die Zahl der Beschäftigten in der AK zwischen 2004 und 2018 um 20 Prozent (in Vollzeitäquivalenten), während es in der Wirtschaftskammer 13 Prozent waren. Insgesamt arbeiteten in beiden Kammern 7.930 Beschäftigte (in Vollzeitäquivalenten), dabei rund 5.100 in der WKO (inklusive Fachorganisationen und Außenwirtschafts-Center) und 2.900 in der AK.

Abb. 4: Die beiden wichtigsten Kammern sind auch sehr große Arbeitgeber. Die Zahl der Mitarbeiter ist in den vergangenen 14 Jahren auch gewachsen. Die kleinere Arbeiterkammer hat in den vergangenen Jahren noch einmal kräftig Personal aufgestockt. Bei der größeren Wirtschaftskammer zeigt der Trend zwar zuletzt nach unten, doch inklusive der Beschäftigten in den Außenwirtschafts-Centern kommt man auf knapp 5.100 Mitarbeiter.

Die gewachsenen Einnahmen sind in der Vergangenheit auch dafür genutzt worden, Vermögen anzuhäufen und Geld auf die Seite zu legen. So weist die Wirtschaftskammer mit ihren Fachorganisationen 2018 Eigenkapital von rund 1,6 Milliarden Euro aus, wobei es sich vor allem um Rücklagen handelt. Dem gegenüber steht etwa das Finanzanlagevermögen der Wirtschaftskammer in Höhe von rund 940 Millionen Euro im Jahr 2018, davon 173 Millionen Euro in Wertpapieren. Die Arbeiterkammer verfügte 2018 über ein Anlagevermögen von 519 Millionen Euro, davon 247 Millionen Euro in Wertpapieren und Beteiligungen.

Veranlagt wird insbesondere für die Pensionen und Vorsorge ehemaliger Mitarbeiter. Insgesamt wenden die Kammern laut eines Rechnungshofberichts zusammen mehr als 90 Millionen Euro für Pensionsleistungen auf.[3] Insbesondere Kämmerer mit Altverträgen können sich auf einen finanziell attraktiven Ruhestand freuen. Bei der Wirtschaftskammer kamen Personen mit einem Dienstantritt vor 1994 auf eine Pension von 62.000 Euro im Jahr 2017. Bei der Arbeiterkammer kommen jene, die vor 1990 ihren Dienstantritt hatten, auf eine durchschnittliche Pension von 56.000 Euro im Jahr (2016). Zum Vergleich: 2017 machte die Höchstpension in der gesetzlichen Pensionsversicherung 49.000 Euro aus.

Dass es Sparpotenziale gibt, ist nicht nur betroffenen Mitgliedern aufgefallen, sondern auch der Politik. Passiert ist allerdings wenig. 

Kritik von Mitgliedern deutet darauf hin, dass auch die Kosten der Wirtschaftskammer höher sind als von vergleichbaren Interessenvertretungen in anderen Ländern. So kritisierte der Papierindustrielle Alfred Heinzel in einem Beitrag für Die Presse[4],  dass sein Unternehmen, die Heinzel Group, im Jahr 2017 rund 736.000 Euro an Kammerbeiträgen bezahlen musste. Für ein vergleichbares Unternehmen seiner Branche wären bei der deutschen Industrie- und Handelskammer hingegen „nur“ rund 42.000 Euro fällig geworden. Mit anderen Worten: Der Kammerbeitrag liegt in Österreich um 1.652 Prozent über dem der deutschen Kammer.

Dass es Sparpotenziale gibt, ist nicht nur betroffenen Mitgliedern aufgefallen, sondern auch der Politik. So forderte der ehemalige Vizekanzler und Wirtschafts- und Forschungsminister Reinhold Mitterlehner 2016 eine „Umorientierung“ der Sozialpartner und eine Redimensionalisierung.[5] Der ehemalige Finanzminister Hans Jörg Schelling machte den Vorschlag, die Lohnnebenkosten für neu angestellte Mitarbeiter auf drei Jahre deutlich zu reduzieren, auch durch die Senkung der vorgesehenen Kammerumlage.

Passiert ist allerdings wenig. Zwar hatte die ehemalige Koalition aus ÖVP und FPÖ in ihrem Regierungsprogramm vom 21. Dezember 2017 explizit den Wunsch vermerkt, dass die gesetzlichen Interessenvertretungen ihre Mitglieder finanziell entlasten sollen. Eine von der Politik gesetzte Deadline für den 30. Juni 2018 ist allerdings ereignislos verstrichen. Bei den Kammern wurde die Reformvorgabe weitgehend ignoriert. Die Arbeiterkammer hat sogar einen Plan vorgestellt, um mehr Leistungen mit bestehenden Mitteln bereitzustellen, aber eben keine finanzielle Entlastung. Die Wirtschaftskammer hat zwar eine kleine Senkung der Kammerumlage 2 beschlossen, doch sei, wie es ein Funktionär laut der Tageszeitung Die Presse  formulierte, ein Reformprogramm noch in der Schublade. Und dort liege es gut.[6]

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