Die Kurzarbeit ist die wichtigste Maßnahme zur Abschwächung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Aber sie ist nur eine Überbrückungshilfe und mit der Fortdauer wird sich zeigen, dass es noch keine Antwort auf zwei drängende Fragen für den Arbeitsmarkt gibt: Wie kann der Übergang von der Kurzarbeit in die normale Beschäftigung unterstützt werden? Und wie kann die Entstehung neuer Jobs vorangetrieben werden? Die Arbeitslosigkeit kann nur dann gesenkt werden, wenn das Hochfahren der Wirtschaft unterstützt wird und mehr Dynamik auf dem Arbeitsmarkt erzeugt wird.
Mit dem Modell der Kurzarbeit können Mitarbeiter in Unternehmen, die von der Corona-Krise betroffen sind, auch mit deutlicher Arbeitszeitreduktion gehalten werden. Die Netto-Einkommen der Beschäftigten werden zwischen 80 und 90 Prozent gesichert, die Kosten vom Steuerzahler übernommen.
Dieses Modell wurde bereits für 1,3 Millionen Beschäftigte mit einem gesamten Fördervolumen von 9,99 Milliarden Euro beantragt[1] und hat dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit nicht so dramatisch angestiegen ist wie in manchen anderen Ländern. Doch die Kurzarbeit ist bloß eine Überbrückungshilfe und mit der Fortdauer wird sich zeigen, dass es noch keine Antwort auf zwei drängende Fragen für den Arbeitsmarkt gibt:
— Wie kann der Übergang von der Kurzarbeit in die normale Beschäftigung unterstützt werden?
— Wie kann die Entstehung neuer Jobs vorangetrieben werden?
Eine Reihe von Zielen müssen bei einer Weiterentwicklung berücksichtigt werden. Dem Entfall neuer Jobs muss entgegengewirkt werden. Die „Mitnahmeeffekte“ sollten gering gehalten werden. Damit ist gemeint, dass Unternehmen Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, obwohl sie diese ganz normal weiterbeschäftigt hätten. Die Politik soll in der Phase des langsamen Hochfahrens Sicherheit für Beschäftigte und Unternehmen bieten.
Die Stimmung ist aktuell noch schlecht. Die letzten Umfragen zeigen, dass Unternehmen in Österreich und in ganz Europa die Zukunft außerordentlich düster sehen. Im letzten Konjunkturtest des Wirtschaftsforschungsinstituts liegen die unternehmerischen Erwartungen 36 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt – ein historisch einmalig niedriger Wert. Selbst im März 2009 – dem Tiefpunkt der globalen Rezession 2008/2009 – lag der Wert noch bei Minus 26 Punkten. Derart pessimistische Erwartungen lassen nur einen Schluss zu: Es ist derzeit weder zu erwarten, dass Unternehmen stark investieren noch neues Personal anstellen werden.
Das ist aber ein großes Problem. Denn mehr Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist dringend notwendig, um die Arbeitslosigkeit mittelfristig senken zu können. Es braucht nicht nur weniger Kündigungen, die die Zahl der Arbeitslosen weniger stark steigen lässt, sondern auch Neueinstellungen, die zu mehr Beschäftigung führen. Die Kurzarbeit ist sehr effektiv darin, die Zahl der Kündigungen zu reduzieren, doch auf Neueinstellungen hat sie kaum Auswirkungen. Am 12. Mai 2020 waren rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer zur Kurzarbeit angemeldet. Das entspricht im Schnitt immerhin jedem dritten Beschäftigungsverhältnis. In einigen Branchen waren die Anteile jedoch wesentlich höher.
Dass die Kurzarbeit Arbeitsplätze gerettet hat, ist also leider nur die halbe Wahrheit. Wer in Kurzarbeit ist, hat zwar seinen Job nicht verloren, aber auch noch keine Arbeit. Das Hochfahren der Wirtschaft gestaltet sich schwieriger als erwartet, deshalb plädieren die Sozialpartner für eine Verlängerung der Kurzarbeit, die derzeit auf sechs Monate befristet ist.[2] Dabei werden gerne Vergleiche mit anderen Ländern ins Feld geführt: So kann die Kurzarbeit mancherorts bis zu einem Jahr betragen. Allerdings sind die Nettoeinkommen in Kurzarbeit höchst unterschiedlich, weil sie etwa wie in Italien trotz einer hohen Ersatzrate von 80 Prozent mit einem Betrag von rund 1.200 Euro gedeckelt sind.
Eine Verlängerung der Kurzarbeit über die sechs Monate hinaus könnte auch mit Reformen einhergehen, die den langsamen Lockerungen des Shutdowns Rechnung tragen. Um etwa den Anreiz zu erhöhen, auch tatsächlich hochzufahren, könnte der Staat schrittweise die gestützten Stellen weniger subventionieren. Bei längerer Nutzung der Kurzarbeit könnte der Staat zum Beispiel nur mehr bis zu 70 Prozent der Arbeitskosten übernehmen. Dann wäre die Kurzarbeit zwar weiterhin ein günstiges Instrument zum kurzfristigen Umgang mit den Schocks, würde allerdings bei einer längeren Phase wegbrechender Nachfrage auch Strukturanpassungen zulassen.
Alternativ könnte man die Reduktion der Arbeitszeit beschränken. Aktuell ist es möglich, die Arbeitszeit um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Um die langsame Erholung zu stimulieren, könnte die Kurzarbeit künftig etwa nur noch für Arbeitszeit-Reduktionen von bis zu 50 Prozent ermöglicht werden.
Ein Arbeitsmarkt befindet sich in ständiger Bewegung. Einerseits kommt es zu Jobverlusten – Personen wandern von der Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit. Anderseits finden Arbeitslose neue Beschäftigung.[3] Die Kurzarbeit hat geholfen, die Jobverluste fürs Erste zu verringern. Was allerdings bisher wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, ist die Entstehung neuer Arbeitsplätze. Hier kann Kurzarbeit nicht helfen, aber neue Stellen sind genauso wichtig um die Arbeitslosenrate zu senken.
Im April 2020 sind so gut wie keine neuen Arbeitslosen dazugekommen, die Lage hat sich also stabilisiert. Doch leider bleibt die Zahl der Personen, die es aus der Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung schaffen, auch auf einem deutlich niedrigeren Niveau als im Vorjahr. Die Zahl dieser Abgänge aus der Arbeitslosigkeit, lag im März 2019 noch bei etwa 120.000 Personen, im März 2020 waren es nur noch 75.000, um rund 38 Prozent weniger.
Aber was ist die Folge dieser stark gesunkenen Dynamik bei den neuen Stellen? Die folgende Grafik zeigt, dass die Arbeitslosenquote stark steigt, wenn neue Jobs noch länger seltener entstehen als in normalen Zeiten.
Wenn weiterhin so wenige Menschen aus der Arbeitslosigkeit herauskommen wie zuletzt, dann wird die Arbeitslosigkeit trotz der teuren Kurzarbeit weiter stark zunehmen. Selbst wenn sich die Jobverluste künftig so entwickeln wie im Jahr vor der Corona-Krise, würde in diesem Fall die Arbeitslosenquote bis Ende 2020 auf über 17 Prozent steigen. Und zwar nur weil weniger neue Jobs geschaffen werden. In alternativen Szenarios steigt die Arbeitslosenquote bis Ende des Jahres auf über 14 Prozent bzw. bis 19 Prozent, je nach Annahmen über neue Jobs.
Fußnoten
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