Die Corona-Krise zeigt, dass sowohl Staaten als auch Zentralbanken alles daransetzen, die Folgen der Krise abzufedern: Geldpolitische Programme in Billionenhöhe wurden innerhalb kürzester Zeit beschlossen. Wie Anleihenkäufe, weiter oben als QE beschrieben. Auch die Fiskalpolitik der Nationalstaaten legte mit milliardenschweren Programmen nach, wie in Österreich am Beispiel der Kurzarbeitsprogramme gesehen werden kann.
Wie die Zukunft aussehen könnte, hat Hedge-Fonds-Manager Ray Dalio in seinen Essays skizziert: Er beschreibt, dass in Zukunft kein Weg an einer stärkeren Koordination der Fiskal- und Geldpolitik vorbeiführen wird. Zusätzlich wird die Unabhängigkeit der Zentralbanken immer stärker in Frage gestellt werden. Gleichzeitig sagt er auch, dass dafür hochqualifizierte Experten notwendig wären, die nicht politisch motiviert sind. Ein System zu erstellen, indem dies möglich ist, ist schwer vorstellbar, wie auch Behauptung 1 kritisch beleuchtet.
Im Rahmen dieser Krise hat die Bank of England den Anfang gemacht und den Kauf von Staatsanleihen massiv erhöht. Während sich viele Zeitungen mit den Nachrichten überschlugen, dass die BoE nun die erste Zentralbank in dieser Krise sei, die den Staat direkt finanziere, ist dies nicht ganz richtig. Die BoE hatte nämlich nur ihr bereits bestehendes QE-Programm ausgeweitet und kauft nun wieder Staatsanleihen am Sekundärmarkt zu – also nicht direkt, sondern vor allem von Banken. Dennoch gab es einen Vorstoß in Richtung direkter Staatsfinanzierung in dem dazugehörigen offiziellen Statement: Die BoE behält sich vor, in Zukunft auch am Primärmarkt einzukaufen. Dies wäre MMT und würde bedeuten, dass sie den Staat direkt finanziert.
Bisher unterscheidet sich das bestehende Programm der Bank of England aber, zumindest was die Käufe am Sekundärmarkt betrifft, kaum von dem der EZB, das auf dasselbe Rezept setzt. In der Eurozone könnte MMT jedoch nicht so einfach umgesetzt werden aus den zwei folgenden Gründen:
— Die EZB hat aufgrund ihrer rechtlichen Beschränkung der monetären Staatsfinanzierung nicht die Möglichkeit, Anleihen am Primärmarkt direkt von den Mitgliedsstaaten zu kaufen.
— Der Aufbau der EU ist für klassisches MMT ungeeignet. Wie bereits oben definiert, verlangt MMT, dass der jeweilige Staat die Währungshoheit besitzt und über sie unlimitiert Geld drucken kann. Dies ist in der Eurozone insofern nicht der Fall, als die EZB die Zentralbank der 19 Länder der Eurozone und nicht die eines einzelnen Staats ist.
Im MMT-Sprech würde dies bedeuten, dass alle Mitgliedsstaaten in einer fremden Währung, dem Euro, Schulden begeben. Während Mario Draghis „Whatever it takes“ 2012 diese Einschränkungen reduzierte, indem er andeutete, die EZB würde jegliche Staatsanleihe bei Bedarf aufkaufen, bestehen die Einschränkungen rechtlich noch immer. Solange es keine Fiskalunion gibt, in der Finanzminister zentral Schulden eingehen können, kann es das klassische MMT nicht geben. In diesem Fall müssten klarerweise auch die Maastricht-Kriterien gelockert oder aufgegeben werden, da Budgetdefizite keine Rolle mehr spielen. In Abwesenheit eines zentralen Finanzministeriums kann es der EU somit nicht einmal theoretisch gelingen, die Inflation mit Hilfe der Steuerpolitik zu bekämpfen.
Auch die Federal Reserve darf Staatsanleihen nicht so einfach direkt von der US-Regierung kaufen. Um dies möglich zu machen, bedarf es einer Änderung des Federal Reserve Acts aus dem Jahr 1913 durch den Kongress.
Während die rechtlichen Bestimmungen, denen sowohl die EZB als auch die Fed unterliegen, natürlich jederzeit verändert werden können, würde dies nicht innerhalb der kurzen Zeit möglich sein, um die jetzige Krise bereits mit MMT bewältigen zu können. Die Veränderung der entsprechenden Mandate würde zu langwierigen, politischen Debatten führen. Insbesondere in der EU, wo Einstimmigkeit für die Änderung des Mandats notwendig wäre, ist eine rasche Umsetzung unrealistisch.[1]
MMT ist also weitaus komplexer als vielerorts angenommen. Während MMT in der Vergangenheit z.B. in Großbritannien für einen kurzen Zeitraum durchaus erfolgreich war, muss dies nicht bedeuten, dass es in der Zukunft ebenso wäre. Mit Hinblick auf die aktuelle Corona-Krise kann MMT eine kurzfristige Möglichkeit für jene Volkswirtschaften sein, deren rechtlichen Rahmenbedingungen bereits zu MMT passen. In der Eurozone oder in den USA wäre dies allerdings auch kurzfristig nicht möglich, weil diese gesetzlichen Änderungen einen hohen Zeitaufwand und viele politische Debatten mit sich brächten. Zudem ist nie außer Acht zu lassen, dass die Geld- und die Fiskalpolitik in die Hände von Politikern gelegt werden müssten. Politiker, die regelmäßig vor der Widerwahl stehen. Wie würden sie aufkeimende Inflation mit höheren Steuern bekämpfen, wenn gerade Wahlen vor der Türe stehen?
Langfristig sollte auch die postkeynesianische Theorie, auf der MMT beruht, hinterfragt werden. Während es stimmt, dass die Mainstream-Ökonomie in vielen Bereichen als zu eingefahren wahrgenommen werden kann, sollten Faktoren wie die Erwartungshaltung der Bevölkerung im Hinblick auf Inflation nicht außen vor gelassen werden und als legitime Kritikpunkte an MMT gesehen werden. Wie mehrfach erwähnt, ist Vertrauen in die Währung und das Funktionieren des Staates entscheidend für ein Funktionieren von MMT.
Daher ist eine Debatte auf Basis der Kritikpunkte unerlässlich, um auch nach der Krise eine funktionierende Geld- und Fiskalpolitik garantieren zu können. Der sicherste Weg, von den hohen Schuldenbergen wieder runterzukommen, führt in zweierlei Richtungen: Erstens, sie nicht zu hoch werden zu lassen. Und zweitens, die aufgenommenen Schulden über anspringendes Wachstum zurückzuzahlen. Dabei geht das ganz ohne Überschüsse. Es reicht, wenn die Schulden langsamer wachsen als die Wirtschaftsleistung (BIP). Staatsschulden werden in der industrialisierten Welt schließlich nicht mehr in absoluten Zahlen gemessen – sondern als Verhältnis zwischen Schuldenstand und BIP angegeben. Das ist für Politiker zwar nicht ganz so paradiesisch wie MMT – aber fast. Und deutlich weniger riskant.
Fußnoten
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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