Innenpolitik

Österreich: Ein Land der Nettozahler?

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Handlungsempfehlungen

Wenn der Sozialstaat trotzdem nicht ausreichend sozialen Ausgleich schafft, dann fehlt es nicht an Geld, sondern an Effizienz und Treffsicherheit. 

Richtig umverteilen durch passgenaue Sachleistungen: Die meisten diskutierten Lösungen, die die Ungleichheit in Österreich verringern sollen, sind wenig einfallsreich: Zusätzliche Steuern und Abgaben für obere Einkommen sollen es richten. Dabei gehört Österreich ohnehin schon zu den Ländern mit den höchsten Abgabenquoten weltweit. Diese anzuheben würde den Arbeitsanreiz weiter reduzieren und nur begrenzt zur Verringerung der Ungleichheit beitragen. Wir lassen uns unseren Sozialstaat mit jährlich über 110 Milliarden Euro[1] bereits einiges kosten – und wenn der dann trotzdem nicht ausreichend sozialen Ausgleich schafft, dann fehlt es nicht an Geld, sondern an Effizienz und Treffsicherheit. Unsere Analyse hat gezeigt, dass der Sozialstaat in Österreich zu einem großen Teil über Sachtransfers funktioniert. Das ist grundsätzlich auch gut so: Denn die Chance, dass Transfers dort landen, wo sie wirklich gebraucht werden, ist im Fall von Sachleistungen zumindest höher, als wenn einfach nur Gelder ausgezahlt werden. Allein: Die Qualität muss stimmen. Und das ist nicht immer der Fall, wie diese Pandemie gezeigt hat.

  • Geld dorthin lenken, wo es dringend gebraucht wird: Besonders wirksam ist die Umverteilung im Bereich der Bildung. Nirgendwo sonst könnte der Ungleichheit besser begegnet werden als in der Ausbildung der nächsten Generationen. Schulen sollten deshalb so finanziert werden, dass sie ihre jeweiligen ganz konkreten Bedürfnisse erfüllen können. Würde man hierzulande die Finanzierung der Schulen an einen Sozialindex koppeln, der überall dort mehr Geld bereitstellt, wo die Herausforderungen höher sind, könnte beim Thema Ungleichheit mehr erreicht und die positive Wirkung der Umverteilung verstärkt werden. Allerdings braucht es Kontrolle darüber, dass das eingesetzte Geld auch seine Wirkung entfaltet.
  • Mehr Autonomie für Schulen und mehr Transparenz: Österreich gehört im internationalen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Bildungsausgaben pro Schüler. Dieses Geld muss aber auch bei den Schülern ankommen. Das ist nicht der Fall, wie alle internationalen Bildungsvergleiche zeigen. Österreich ist trotz hohem Mitteleinsatz nur Mittelmaß. Besonders schlecht sieht die Lage für Kinder aus bildungsfernen Haushalten aus.
  • Um die Bildungschancen von Kindern aus benachteiligten Haushalten zu erhöhen, schlägt die Agenda Austria in Anlehnung an die „London Challenge“ ein Schulverbesserungsprogramm der Labour Party aus dem Jahr 2003 vor. Also gewissermaßen eine „Austrian Challenge“. Die Schulen sollten vollständig autonom über das öffentliche Geld verfügen dürfen. Wenn sie sich gleichzeitig dazu verpflichten, ihre Ergebnisse und damit auch ihre Lernfortschritte öffentlich zu machen. Auf diese Weise ist zu sehen, ob die Mittel effizient und effektiv eingesetzt werden. Die Schulen könnten sich zudem miteinander vergleichen und voneinander lernen. Sogenannte Problemschulen bekommen mehr Geld, das sich in verbesserten Leistungen der Schüler niederschlagen sollte. All jenen Schulen, die trotz zusätzlicher finanzieller Ressourcen (abhängig von ihren individuellen Rahmenbedingungen wie etwa der Zusammensetzung der Schüler) keine Verbesserungen erzielen, sollten Experten unterstützend zur Seite gestellt werden – Abgesandte von erfolgreichen Schulen etwa oder in Zusammenarbeit mit externen Initiativen wie z. B. „Teach for Austria“. Erst wenn auch dann noch immer keine Fortschritte erzielt werden können, sollten die Schulen wieder dem Ministerium unterstellt werden, bis sich ihre Situation verbessert hat. 
  • Stärkere Förderung der frühkindlichen Bildung: Eine Vielzahl ökonomischer und soziologischer Untersuchungen hebt die große Bedeutung der frühkindlichen Bildung hervor – nicht nur im Sinne des Bildungserfolgs, sondern auch in Hinblick auf eine bessere Integration. Eine Analyse von OECD-Daten zeigt, dass hierzulande im Sekundarbereich überdurchschnittlich viel und in der Altersklasse der jüngsten Kinder vergleichsweise wenig Geld ausgegeben wird. Österreich sollte es den skandinavischen Ländern gleichtun und verstärkt auf eine Förderung der Jüngsten setzen. Die Gesamtausgaben für Bildung müssten dabei nicht steigen, stattdessen sollten die Mittel anders verteilt werden.
  • Dazu braucht Österreich flächendeckend eine ganztägige Kinderbetreuung mit einheitlichen Mindeststandards. Die PISA-Ergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass Schüler, die frühkindliche Bildungseinrichtungen besucht haben, signifikant bessere Ergebnisse erzielen als ihre Klassenkameraden. Wie in Wien und in Kärnten sollten in allen Bundesländern auch private Betreuungseinrichtungen von der öffentlichen Hand mitfinanziert werden. Das Geld sollte immer dem Kind folgen, ganz egal, ob es in einen öffentlichen oder privaten Kindergarten geht, zu einer Tagesmutter oder einem Tagesvater. Private Angebote schaffen flexible Lösungen, die den individuellen Bedürfnissen der Familien besser gerecht werden, und sollten deshalb nicht benachteiligt werden. Dabei sollte durchgehend auf eine hohe Qualität gesetzt werden, die sich am besten durch einheitliche und hochwertige Ausbildungsstandards für die Betreuung von Kindern erzielen ließe. Und: Eine gute Betreuung sollte allen Kindern zur Verfügung stehen und nicht nur jenen vorbehalten bleiben, deren Eltern berufstätig sind. Gerade Kinder aus Familien mit stark begrenzten finanziellen Ressourcen profitieren besonders von einem guten Bildungsangebot, wenn man ihnen den Zugang dazu gewährt. Sie dürfen davon nicht ausgeschlossen werden, sondern brauchen im Gegenteil besondere Aufmerksamkeit. 
Die Abhängigkeit vom Staat muss die Ausnahme bleiben.

Corona-Effekt temporär halten: Die Pandemie und die damit einhergehende Wirtschaftskrise haben die Abhängigkeit vom Staat noch einmal deutlich steigen lassen. Das ist in der Krise verständlich, darf aber nicht zu einer neuen Normalität führen. Ganz im Gegenteil, es muss die Ausnahme bleiben.

  • Zurück zum Markt: Im Aufschwung sollte die Abhängigkeit vom Staat wieder zurückgedrängt werden. Das bedeutet, dass Hilfsprogramme wie Kurzarbeit, aber auch Unternehmenshilfen spätestens zum Jahresende 2021 – sofern es zu keinen neuen Lockdowns und Wirtschaftseinbrüchen im Herbst kommt – auslaufen. Die Agenda Austria hat kürzlich in einer Publikation dargelegt, wie dieser Ausstieg aussehen sollte. [2]
  • Ein größerer Kuchen: Es ist weitgehend unumstritten, dass der staatliche Eingriff während der Wirtschaftskrise durch Hilfen und Erleichterungen richtig gewesen ist. Auch wenn Geschwindigkeit und Treffsicherheit ausbaufähig gewesen wären, war es dennoch die richtige Entscheidung, um einen stärkeren Einbruch zu verhindern. Im Zuge dieser Rettungsprogramme sind die Ausgaben der öffentlichen Hand rasant gestiegen und die Einnahmen deutlich gesunken. Die Republik hat weitere Schulden aufnehmen müssen. Dennoch ist die Debatte darüber, wer die Krise zu finanzieren hat, eine Scheindebatte, der man nicht erliegen sollte. Da auch die Corona-Pandemie irgendwann zu Ende gehen wird, bedarf es daher auch keiner neuen Umverteilungswerkzeuge. Statt den Aufschwung mit neuen Steuern abzuwürgen, sollte sich die Regierung darauf stützen, den Kuchen für alle durch wachstumsfreundliche Politik zu vergrößern. Und damit auch die Steuerbasis für den Staat.

Fußnoten

  1. Siehe Statistik Austria: Ausgaben für Sozialleistungen nach Funktionen (ESSOSS).
  2. Kucsera & Lorenz (2021).
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