Die Regierung will, so steht es in ihrem aktualisierten Arbeitsprogramm, im dritten Quartal 2017 einen Vorschlag beschließen, wie jeder in Vollzeit Beschäftigte mindestens 1.500 Euro brutto verdienen wird. Gleichzeitig hat sie den Sozialpartnern bis Ende Juni Zeit gegeben, einen Vorschlag zu erarbeiten. Da diese die wichtige Funktion haben, die Kollektivverträge auszuverhandeln, werden sich Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Arbeiterkammer sowie der ÖGB anstrengen, um Lösungskompetenz zu zeigen und die Angelegenheit nicht der Regierung zu überlassen. Wie auch immer: Was in der Diskussion fast nie vorkommt, ist, dass sich ein Mindestlohn auf die Beschäftigung auswirkt: Er kann Anreiz sein, doch arbeiten zu gehen, aber auch zu Kündigungen führen.
Wir werden mit Hilfe unseres bereits publizierten Modells – siehe Christl, Köppl-Turyna & Kucsera (2016) – die Effekte auf die Beschäftigung jüngerer Arbeitskräfte bemessen. Zusätzlich wollen wir beleuchten, welche Branchen in welchem Ausmaß betroffen wären, und welche Kosten für die Unternehmen entstehen würden.
Anhand der Lohnsteuerdaten von 2015 (jene für 2016 liegen noch nicht vor), lässt sich leider nur grob sagen, wie viele Arbeitnehmer in Vollzeit weniger als 1.500 Euro brutto verdienen. Eine Auswertung der Statistik Austria zeigt (Abbildung 2), dass dies 2015 etwa 148.000 ganzjährig in Vollzeit Beschäftigte waren. Zumindest sie wären also von 1.500 Euro Mindestlohn betroffen. Dabei sind Saisonarbeiter, Praktikanten oder andere Personen, die nicht das ganze Jahr berufstätig waren, nicht berücksichtigt. Für Teilzeitkräfte ist nicht bekannt, wie viele Stunden sie gearbeitet haben, und daher ist auch ihr Stundenlohn unbekannt. Also ist es nicht möglich, über diese Arbeitnehmer in Bezug auf einen Mindestlohn gesicherte Aussagen zu treffen. Nur wer Teilzeitkräfte, Saisonarbeiter oder Praktikanten trotzdem hinzurechnet, kommt zur Aussage, von einem Mindestlohn seien etwa 356.000 Personen betroffen. Auf Praktikanten etwa würde ein Mindestlohn wohl auch nicht angewendet werden.
Die meisten Personen, die monatlich weniger als 1.500 Euro brutto verdienen, gibt es in der Gastronomie (26.300 ganzjährig Vollzeitbeschäftigte), im Handel (25.950) und in der Herstellung von Waren (17.900). Prozentuell gesehen ist der Anteil dieser Arbeitnehmer in der Gastronomie und der Landwirtschaft am höchsten (Tabelle 1).
Interessant ist, dass in der politischen Diskussion in Österreich die Beschäftigungseffekte einer Einführung von 1.500 Euro brutto Mindestlohn (in welcher Form auch immer) fast ganz außer Acht gelassen werden. So heißt es im ”Plan A” von Bundeskanzler Christian Kern, dass der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland, der bei 1.498 Euro brutto liegt, zu keinen negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung geführt habe. Dass die generelle wirtschaftliche Lage und vor allem die Lage am Arbeitsmarkt in Deutschland derzeit eine ganz andere als in Österreich ist, wird verschwiegen.
Der ehemalige Professor für Arbeitsmarkttheorie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien, Herbert Walther, meint hingegen: ”Angesichts der Arbeitsmarktlage in Österreich würde ich da (…) ein bisschen vorsichtiger sein. 1.500 Euro ist vielleicht etwas hoch für Menschen mit sehr niedriger Qualifikation.[1]”
Auch unsere Berechnungen zeigen, dass die Beschäftigungseffekte für jüngere Arbeitsmarktteilnehmer nicht unterschätzt werden dürfen (Tabelle 2). In dieser Frage geht es vor allem um jüngere Arbeitnehmer, weil sie am öftesten mit einem Lohn auf der untersten Kollektivvertragsstufe einsteigen, der womöglich noch unter 1.500 Euro brutto liegt. Während es in der Gastronomie nur geringe Auswirkungen auf die Zahl der Jobs geben würde, so wäre dies in zumindest zwei anderen Branchen sehr wohl der Fall: In der Herstellung von Waren würde ein Mindestlohn rund 2.900 Arbeitsplätze für Jüngere gefährden, im Handel wären es etwa 1.050 Jobs; insgesamt also etwa 4.000. In den anderen vier untersuchten Branchen würde sich der Mindestlohn kaum auswirken. Wichtig ist aber, folgendes anzumerken: Zahlreiche Branchen konnten gar nicht untersucht werden, weil deren Produktivität nicht bekannt ist. Die 4.000 Arbeitsplätze, die wackeln, sind also das Minimum.
Darüber hinaus ist anzunehmen, dass wegen eines Mindestlohns auch alle anderen Kollektivvertrags-Lohnstufen in den jeweiligen Branchen angehoben werden. Denn ein besser ausgebildeter Arbeitnehmer wird nicht zum gleichen Lohn arbeiten wie ein unqualifizierter Kollege. Diese Lohnsteigerungen werden zu weiteren Jobverlusten führen. Unsere Berechnung zeigt, dass unter der Annahme von steigenden Kollektivvertragslöhnen in etwa 20.000 Jobs in Gefahr sind[2].
Diese Schätzung konzentriert sich, wie bereits festgestellt, lediglich auf jene Branchen, in denen man die Produktivität feststellen kann. Beschäftigungsauswirkungen in der Landwirtschaft, im teils staatlich geführten Gesundheits- und Sozialwesen und anderen Sektoren können wir in der Berechnung nicht berücksichtigen. Auch die Zahl von 20.000 gefährdeten Arbeitsplätzen ist also ein Minimalwert.
Anlässlich der seit einiger Zeit laufenden Debatte über einen Mindestlohn von 1.500 Euro brutto hat das Institut EcoAustria die Kosten für die Unternehmen berechnet und kam auf das Ergebnis von 900 Millionen Euro. In einer solchen Berechnung ist es aufgrund der schlechten Datenlage notwendig, sich auf die ganzjährig und in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer zu beschränken, wie wir im Absatz ”Wie viele profitieren von 1.500 Euro Mindestlohn?” erklärt haben.
Die Kosten sind natürlich in jenen Branchen am höchsten, in denen die meisten Personen mit einem geringeren Lohn als 1.500 Euro brutto arbeiten. Besonders betroffen ist der Handel, für den die zusätzlichen Kosten mehr als 137 Millionen Euro betragen würden (Tabelle 3). Ebenfalls stark betroffen ist die Herstellung von Waren mit knapp 83 Millionen Euro an höheren Kosten. Interessant ist, dass auch teils staatlich geführte Bereiche wie Gesundheit und Soziales oder Erziehung mit Kosten von 111 Millionen Euro betroffen wären. Dort gibt es ebenfalls viele Beschäftigte, die weniger als 1.500 Euro brutto verdienen.
Zieht man die Beschäftigungseffekte in die Berechnungen mit ein, so gelingt es natürlich einigen Branchen, die Kosten zu reduzieren.
So zeigt sich, dass im Bereich der Herstellung von Waren die zusätzlichen Kosten deutlich zurückgehen, weil eben Mitarbeiter gekündigt werden. Dies gilt auch für den Handel, aber in geringerem Ausmaß.
Von den 780 Millionen Euro an höheren Kosten bzw. Ausgaben der Unternehmen profitieren die Arbeitnehmer aber nur zum Teil: Etwa 48,6 Prozent gehen über die Sozialversicherung bzw. Lohnsteuer an den Staat. Etwa 51,4 Prozent erhalten die Arbeitnehmer in Form eines höheren Nettogehalts. In absoluten Zahlen sind das, wie Tabelle 3 zeigt, 379 Millionen Euro (gerundet) für die öffentliche Hand, 401 Millionen Euro für die Arbeitnehmer.
Abbildung 3 zeigt genau für die verschiedenen Bruttolöhne, wie viel der Staat von den zusätzlichen Kosten eines Mindestlohns bekommt und wie viel an den Arbeitnehmer geht. Bei einem aktuellen Monatslohn von 1.100 Euro brutto gehen ca. 50 Prozent an den Staat, ca. 50 Prozent bleiben beim Arbeitnehmer. Bei 1.400 Euro monatlich sind es fast 60 Prozent, die an den Staat gehen, während nur rund 40 Prozent beim Arbeitnehmer ankommen.
Die Ankurbelung des Konsums ist kein stichhaltiges Argument für die Einführung eines Mindestlohns. Ob der Konsum wirklich steigt, ist nämlich nicht klar. Diese Ungewissheit besteht, weil ja manche Arbeitnehmer ihren Job verlieren, andere aufgrund des höheren Einkommens Sozialleistungen verlieren und Mindestlohnbezieher oft Zweitverdiener sind, deren Einkommen ohnehin zum Teil gespart wird. Durch Effekte wie wegfallende Transferleistungen und die höheren Steuern und Abgaben ist das verfügbare Einkommen oft kaum höher als ohne Mindestlohn.
Außerdem ist damit zu rechnen, dass in einigen Bereichen wie zum Beispiel der Gastronomie oder bei den Friseuren die Preise steigen werden. Dies hat sich in Deutschland gezeigt, wie Brenke (2017) kürzlich analysiert hat: ”Die betroffenen Arbeitgeber haben mit Anpassungsreaktionen verschiedener Art auf den Schock reagiert, u. a. haben sie ihre höheren Kosten über die Preise an die Kunden weitergegeben.”
Ein Mindestlohn von 1.500 Euro brutto bringt, wie wir errechnet haben, den Konsumenten maximal 400 Millionen Euro an zusätzlichem Einkommen. De facto wird es spürbar weniger sein, und zwar weil eben manche Jobs und damit Lohnzahlungen entfallen, Transferleistungen sinken usw. Der Gesamtkonsum der privaten Haushalte in Österreich betrug 2016 etwa 184 Milliarden Euro. Die maximal 400 Millionen Euro entsprechen also 0,2 Prozent des Gesamtkonsums, in Wirklichkeit sind es noch weniger. Sich durch die Einführung eines Mindestlohns eine spürbare Änderung im Konsum zu erwarten, ist damit wohl eher mehr Hoffnung als Realität.
Fußnoten
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
Schwerpunkt 1: Mehr Wachstum braucht das Land! Wirtschaftswachstum ist in Österreich zu einem Fremdwort geworden. Nicht nur in der Statistik und in den Prognosen der Institute ist es inzwischen weitgehend der Stagnation gewichen. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien kommt es kaum noch vor. Man sollte ja erwarten, dass ein Land, dessen reales Br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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