Mehr Wachstum braucht das Land!

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Herausforderung #1: Die Produktivität lahmt

Ernsthaft? DAS ist die größte Herausforderung für den österreichischen Wirtschaftsstandort? Nicht die extreme Abgabenbelastung, nicht die drohende Gasmangellage oder die Teilzeitpandemie? Der eines überbordenden Wirtschaftsliberalismus unverdächtige Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman sagte einmal: „Produktivität ist nicht alles, aber auf lange Sicht ist sie fast alles.“ Dieser Satz wird oft zitiert, aber der nächste ist eigentlich noch wichtiger: „Die Fähigkeit eines Landes, seinen Lebensstandard über die Zeit zu verbessern, hängt fast vollständig von seiner Fähigkeit ab, den Output pro Beschäftigten zu erhöhen.“[1] Doch Abbildung 3 zeigt, wie schwer wir uns in Österreich damit tun. Bei der Produktivität pro Arbeitsstunde (links) landen wir im EU-Vergleich seit 2000 immerhin noch halbwegs im Mittelfeld – obwohl wir seit Corona auf der Stelle treten. Doch bei der Produktivität je Erwerbstätigen (rechts) ist Österreich fast ganz am unteren Ende der Skala zu finden. Seit bald einem Vierteljahrhundert sind wir pro Kopf kaum produktiver geworden. Wie wollen wir dann pro Kopf reicher werden?

Abbildung 3a: Schwache Produktivitätsentwicklung je Arbeitsstunde

Abbildung 3b: Schwache Produktivitätsentwicklung je Erwerbstätigen

>> Empfehlungen, um die Produktivität wieder zu steigern:

Man kann der Regierung nicht vorwerfen, dass sie keinen Rat einholen würde. Der per Gesetz eingeführte Produktivitätsrat hat erst kürzlich 47 Empfehlungen präsentiert, wie Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität in Österreich gestärkt werden könnten. Vielleicht können wir ein bisschen priorisieren und präzisieren:

Produktivität pro Kopf erhöhen: Mehr und länger arbeiten

Pro Kopf produktiver zu werden, ist nicht schwer: Man arbeitet einfach länger. Das hilft zwar nicht der Stundenproduktivität, aber schließlich sind es ja nicht die Stunden, die uns im Zuge des demografischen Wandels ausgehen, sondern die Köpfe. Und deren Besitzer arbeiten in Österreich eben immer weniger. Fast jeder dritte Erwerbstätige ist inzwischen teilzeitbeschäftigt. Ja, dafür verantwortlich ist auch die mangelhafte Kinderbetreuung. Zur Jahrtausendwende lag die Teilzeitquote bei den Männern noch bei vier Prozent (heute 13 Prozent) und bei den Frauen bei 32 Prozent (heute 51 Prozent). Mehr als ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten geben in der aktuellen Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung an, dass sie schlicht keine Vollzeitbeschäftigung wünschen. Sie können es sich also leisten, Teilzeit zu arbeiten. Hinzu kommt, dass die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit so ausgestaltet ist, dass sich ein Aufstocken von Teilzeit auf Vollzeit in kaum einem Land weniger lohnt als in Österreich. Wer pro Woche 40 statt 20 Stunden tätig ist, hat am Ende nur knapp 68 Prozent mehr netto. Dazu kommt die Geringfügigkeitsfalle, die stundenweise Beschäftigung plus Arbeitslosengeld zu attraktiv macht.

Vollzeitarbeit wird wieder beliebter, wenn sie steuerlich nicht mehr so drakonisch bestraft wird wie derzeit.

Vollzeitarbeit wird wieder beliebter, wenn sie steuerlich nicht mehr so drakonisch bestraft wird wie derzeit. Vor allem für mittlere Einkommensbezieher muss es eine deutliche Entlastung geben. Natürlich profitiert diese Gruppe auch mit, wenn die unteren Steuerstufen gesenkt werden, aber für den Anreiz und die Entscheidung, von Teilzeit auf Vollzeit zu gehen, ist die Grenzabgabenbelastung entscheidend – also das, was für einen zusätzlich verdienten Euro abgeführt werden muss. Und diese Grenzbelastung steigt für mittlere Einkommen eben stark an. Bei einer Flat Tax, wie von uns vorgeschlagen, wäre das nicht der Fall. Hier ist der Steuertarif (zumindest über weite Strecken) flach. Die Belastung des nächsten Euro ist genauso hoch wie die des letzten; erst bei der Höchstbeitragsgrundlage würde sich der Steuersatz noch einmal erhöhen. Außerdem sollte die Geringfügigkeitsfalle beseitigt werden, indem die Zuverdienstgrenze zumindest reduziert und das Ganze zeitlich begrenzt wird. Die Zuverdienstmöglichkeit soll Menschen nah am Arbeitsmarkt halten; es sollte aber nie ein Dauerzustand daraus werden.

Produktivität pro Stunde erhöhen: Durch technischen Fortschritt

Die Produktivität pro Stunde zu erhöhen, ist schon schwieriger. Dauerhaft besser oder schneller zu arbeiten, wird für viele kaum realistisch sein. Oder sogar unmöglich. Man stelle sich einen Busfahrer vor, der sein Gefährt mit hundert Sachen durch die Stadt jagt, um mehr Haltestellen pro Stunde zu erreichen. Daher wird das Thema von Arbeitnehmervertretern gern ins Lächerliche gezogen. Man könne eben nicht schneller arbeiten; zumindest sei es unmenschlich. 

Und da haben sie auch recht. Darum geht es aber gar nicht. Menschen werden nicht produktiver, wenn sie von ihren Chefs lauter angebrüllt werden, sondern wenn sie die passenden Jobs in den richtigen Branchen haben, wenn sie dort gute Arbeitsbedingungen vorfinden und über die entsprechenden Qualifikationen verfügen. Dass es die guten, hochproduktiven Jobs hierzulande nicht in dem Ausmaß gibt, in dem wir sie bräuchten, ist nicht die Schuld der Beschäftigten, sondern ein wirtschaftspolitisches Versäumnis. Die Informationsgesellschaften des 21. Jahrhunderts entstehen derzeit in den USA und in China. Wir haben dafür die Datenschutzgrundverordnung und das Gesetz über künstliche Intelligenz.

Ohne technischen Fortschritt gibt es kein Wachstum. Zumindest keines, das nachhaltig wäre und Wohlstand generiert.

Ohne technischen Fortschritt gibt es aber kein Wachstum. Zumindest keines, das nachhaltig wäre und Wohlstand generiert. Robert Solow zeigte in seinem bahnbrechenden Modell, an dem noch heute kein Ökonomiestudent vorbeikommt,[2] dass allein durch die Steigerung des Inputs der Pro-Kopf-Wohlstand irgendwann nicht mehr wächst. Ein Computer kann die Produktivität eines Mitarbeiters deutlich steigern; ein zweiter PC vielleicht noch weiter. Spätestens der fünfte PC schafft aber keinen zusätzlichen Output mehr. Langfristig wächst das Bruttoinlandsprodukt nur noch mit der Rate des technischen Fortschritts. Wenn die Rechenleistung des Computers zunimmt, kann der Mitarbeiter neue Aufgaben übernehmen und in kürzerer Zeit mehr erledigen.

Bis zu einem gewissen Grad kann daher die Produktivität durch Investitionen in Anlagen und Humankapital erhöht werden. Dauerhaft steigert man sie in der Praxis vor allem durch Forschung und Entwicklung (F&E). Hier hat Österreich im letzten Jahrzehnt tatsächlich einen sehr dynamischen Aufholprozess vorzuweisen. Die aktuelle Regierung setzte sich im Zuge ihrer FTI[3]-Strategie 2020 das Ziel, zu den innovationsstärksten Nationen aufzusteigen und die F&E-Quote zu erhöhen. Das ist gelungen; momentan liegt die F&E-Quote in Österreich bei 3,3 Prozent und damit in Europa unter den Top 3. Ein hoher Anteil der F&E-Finanzierung wird aber durch die öffentliche Hand erbracht. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) findet, dass die Ressourcen, die der österreichische Staat in F&E pumpt, längst ausreichend sind. 

In anderen Worten: Es braucht nicht noch mehr Geld; es geht darum, die Mittel effizienter zu nutzen. Oder, wie es die OECD (2018) bezeichnet: „From Inputs to Impacts“. Dazu wäre eine bessere Kontrolle der Outputs und eine Evaluierung der geförderten Projekte notwendig.

Es braucht nicht noch mehr Geld für Forschung & Entwicklung; es geht darum, die Mittel effizienter zu nutzen.

Öffentliche Forschungsausgaben sind wichtig für die Grundlagen- und angewandte Forschung. Damit gute Ideen zu wirtschaftlichem Erfolg führen, muss aber auch der private Anteil an der Forschungsquote erhöht werden. Innovationsstarke Länder weisen einen hohen Anteil privater (also Unternehmens-) F&E-Aktivitäten auf. Daher ist es notwendig, dass die kommende Regierung einen Fokus auf strukturelle Veränderung legt. Es gibt zwar hierzulande mit der Forschungsprämie ein für Unternehmen sehr attraktives Vehikel für die Unterstützung privater Forschungsanstrengungen. Eine umfassende Evaluierung der Forschungsprämie ist aber überfällig. Überhaupt empfiehlt die OECD, dass Österreich mehr auf direkte Unternehmensförderung setzen soll, um besonders risikoreiche Aktivitäten zu unterstützen.[4] Im Gegenzug könnte dann die indirekte Förderung über steuerliche Anreize reduziert werden.

„Wachstumschancengesetz“ made in Austria

Wenn Deutschland voranschreitet und die Bedingungen für Investitionen im Land verbessert, dann sollte Österreich nicht nachstehen. Da aber das deutsche „Wachstumschancengesetz“ nicht annähernd so weit geht, wie die FDP sich das erhofft hatte, sollte sich unser Imitat mehr am Originalvorschlag orientieren. Dazu gehört auf jeden Fall die allgemeine Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter (wie es sie im Konjunkturstärkungsgesetz 2020 schon gab) und die „Superabschreibung“ für Investitionen in Klimatechnik und Digitales.[5] Ebenfalls nötig ist ein kräftiges Auslichten der bürokratischen Anforderungen, indem viele Freigrenzen, Schwellenwerte usw. angehoben werden. Wenn das deutsche Paket in seiner Originalfassung eine Entlastung von sieben Milliarden Euro pro Jahr erzielen sollte, dann müssten wir in Österreich in Richtung einer Milliarde Euro kommen können. Besser zu viel als zu wenig. Hier ist Mut gefragt.


Fußnoten

  1. Krugman (1997, S. 11), übersetzt durch den Verfasser.
  2. Solow (1956).
  3. FTI = Forschung, Technologie und Innovation
  4. OECD (2023), S. 94.
  5. Eine Superabschreibung erlaubt, einen großen Teil der Investitionssumme bereits in den ersten Jahren steuerlich geltend zu machen. Dies erhöht die Investitionsanreize für profitable Unternehmen, da die Sonderabschreibung den Gewinn und damit die Steuerschuld im jeweiligen Jahr reduziert. Es handelt sich aber nicht um eine Steuersenkung, sondern lediglich um eine Steuerverschiebung in die Zukunft.
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