Zielführende Maßnahmen anderer Länder

Wie Ältere länger in Beschäftigung gehalten werden können, ohne die Jungen in die Arbeitslosigkeit zu treiben

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In Österreich ist eine vorzeitige Pensionierung finanziell für viele Arbeitnehmer relativ attraktiv, während sich längeres Arbeiten kaum lohnt. Von der Politik werden die Anreize dahingehend gesetzt, die Menschen möglichst früh aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu lassen. Auch die Ansicht, Ältere hätten keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mehr, ist differenziert zu sehen.

Daher werden in diesem Kapitel die Bedingungen am Arbeitsmarkt dreier Länder vorgestellt, in denen die Partizipationsrate der älteren Arbeitnehmer seit 2000 stark gewachsen ist. Die Niederlande und Schweden sind ebenso wie Österreich kleine offene Volkswirtschaften, Deutschland ist hingegen die größte Volkswirtschaft Europas. Was alle drei Länder gemeinsam haben: Die Aktivierung älterer Arbeitnehmer wurde bereits im letzten Jahrzehnt begonnen und relativ erfolgreich bewältigt. Das folgende Kapitel soll darstellen, wie das dort ermöglicht wurde. Die Länder sollen auf drei unterschiedlichen Ebenen untersucht werden:

  • Reformen, die den Anreiz erhöhen, länger zu arbeiten
    Dazu gehören ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter (um das Pensionssystem generationenübergreifend fair und versicherungsmathematisch neutral zu gestalten) und Kürzungen im Fall der Frühpension (dies würde das effektive Pensionsantrittsalter erhöhen).
  • Reformen, die den Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt weniger attraktiv machen
    Die hohen Pensionsvermögen älterer Arbeitnehmer führen oft dazu, dass diese Freizeit höher bewerten als Arbeit. Auch die Möglichkeit, relativ lange Arbeitslosengeld zu beziehen, kann dazu führen, dass ältere Arbeitnehmer Jobs mit niedrigerem Lohn nicht annehmen (siehe z.B. Euwals et al. 2009).
  • Aktive Arbeitsmarktpolitik
    Die aktive Arbeitsmarktpolitik versucht, durch gezielte Maßnahmen den Arbeitsmarkt positiv zu beeinflussen. Darunter fallen subventionierte Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen, monetäre Leistungen für Beschäftigte uvm.

Geht es um eine hohe Partizipation älterer Arbeitnehmer im Erwerbsleben, stechen unter den EU-Ländern vor allem Deutschland und die Niederlande ins Auge. Schweden weist schon seit Längerem einen hohen Prozentsatz älterer Arbeitnehmer auf.

Erwerbsquoten im internationalen Vergleich – 55- bis 64-Jährige (in Prozent)

Abbildung 23. Quelle: OECD (Stand 2014).

Auch wenn sich in Österreich die Erwerbsquote zwischen 2000 und 2013 um 16,7 Prozentpunkte auf 46,5 Prozent erhöht hat – Deutschland und die Niederlande konnten im selben Zeitraum ausgehend von einem höheren Niveau einen Zuwachs um 24,5 bzw. 25,7 Prozentpunkte verzeichnen –  so stellt dies im EU-Vergleich einen immer noch sehr niedrigen Wert dar. Schweden ist jenes Land, das aktuell die höchste Erwerbsquote bei älteren Arbeitnehmern innerhalb der EU aufweist. Auch hier stieg die Erwerbsquote seit dem Jahr 2000 weiter an und beträgt bereits über 77 Prozent.

Deutschland

Deutschland zählt gemeinsam mit den Niederlanden zu jenen europäischen Ländern, in denen die Erwerbsquote im Beobachtungszeitraum am stärksten stieg – Deutschland weist mittlerweile die zweithöchste Beteiligung der älteren Arbeitnehmer innerhalb der EU auf. Im Jahr 2000 befand sich Deutschland in einer ähnlichen Lage wie Österreich heute, als die Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen deutlich unter der Marke von 50 Prozent lag. In Deutschland ist es nachweislich gelungen, viele Ältere in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ohne dass sich die Arbeitslosigkeit in die- ser Altersgruppe erhöht hätte.

Erwerbsquote und Arbeitslosenrate in Deutschland – 55- bis 64-Jährige (in Prozent)

Abbildung 24. Quelle: OECD (Stand 2014).

Abbildung 24 zeigt, dass die Arbeitslosenrate trotz des Anstiegs der Erwerbsquote sogar einen Trend nach unten aufweist: Sie ist seit 2003 sogar von 9,7 auf 5,8 Prozent gesunken. Das ist die Folge dreier Maßnahmenbündel, die in der Folge näher beschrieben werden sollen.

  • Reformen, die den Arbeitsanreiz erhöhen
    Der Anstieg der Erwerbsquote in Deutschland liegt in mehreren Pensionsreformen begründet. Zwischen 2000 und 2004 wurde das Pensionsantrittsalter der Frauen an jenes der Männer (65 Jahre) angeglichen. Auch das Pensionsantrittsalter für Langzeitversicherte wurde in den Jahren 2000 und 2001 stufenweise von 63 auf 65 Jahre angehoben.
    2002 trat die sogenannte „Riester-Reform“ in Kraft. Diese Reform des staatlichen Rentensystems verfolgte ein primäres Ziel: Die Beitragsrate sollte langfristig möglichst stabil gehalten werden, um die Lohnnebenkosten nicht weiter zu erhöhen und jüngere Generationen zu entlasten. Bereits 1996 wurde eine Altersteilzeit eingeführt, die den gleitenden Übergang vom Berufsleben (ab 55 Jahren) in den Ruhestand gewährleisten sollte. Bezieher der Teilpension können zwischen einer staatlich geförderten Reduktion der Arbeitszeit oder einer Blockvariante wählen, in der in der ersten Phase voll gearbeitet wird und in der zweiten Phase voll in den Ruhestand gegangen wird. Neun von zehn Teilzeitpensionisten wählten dabei das Blockmodell (siehe Dietz, 2012). Anders als bei der Frühpensionierung gelten Menschen in der zweiten Phase des Blockmodells als Beschäftigte. 2009 schaffte die Regierung die Zuschüsse des Staates für Teilpensionen allerdings komplett ab. Eine erneute Korrektur des Pensionssystems setzte 2012 ein: Das Pensionsantrittsalter sollte bis 2029 stufenweise von 65 auf 67 Jahre angehoben werden. Allerdings wurde ein Teil dieses Planes 2014 rückgängig gemacht. So wurde die Möglichkeit der Frühpensionierung bei langer Versicherungsdauer (ähnlich der „Hacklerpension“) geschaffen. Zudem wurde die Definition von Versicherungsjahren erweitert. Die Gesamtauswirkungen sind bisweilen noch nicht feststellbar.
    Durch diese Pensionsreformen nahmen die  finanziellen Anreize einer vorzeitigen Pensionierung in Deutschland deutlich ab – mit dem Ergebnis, dass mehr Menschen länger arbeiten und auch Arbeit vorfanden (siehe Abbildung 24). Der Rückgang der Arbeitslosenrate bei den 55- bis 64-Jährigen zeigt, dass dieser Personenkreis am Arbeitsmarkt auch durchaus gefragt ist. Darüber hinaus trugen die sogenannten Hartz-Reformen (siehe auch nächster Abschnitt) sowie die Bezuschussung des Arbeitnehmerlohns (sogenannte „Aufstocker“) dazu bei, dass sich die Beschäftigungssituation der älteren Arbeitnehmer verbesserte. Auch die allgemein gute wirtschaftliche Lage trug dazu bei. Von dieser profitierten ältere Arbeitnehmer überproportional (siehe Dietz, 2008).
  • Reformen, die den Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt weniger attraktiv machen
    Im Zuge der bereits erwähnten Hartz-Reformen betreffend den deutschen Arbeitsmarkt (Hartz IV) mussten vor allem Langzeitarbeitslose Einbußen bei der Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfe hinnehmen. Nach steigenden Bezugsraten wurde die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (Arbeitslosengeld I (ALG I)) 2004 von 32 auf 18 Monate (Regelbezug von 12 Monaten plus Verlängerung von maximal 6 Monate) gesenkt. Seitdem nimmt die Arbeitslosenrate der Älteren kontinuierlich ab (siehe Abbildung 24 und Dlugosz et al., 2009). Im Anschluss an das ALG I wird in Deutschland nur mehr das Arbeitslosengeld II (ALG II) gezahlt, welches im Zuge der Reform mit der Sozialhilfe zusammengeführt wurde. Anders als beim ALG I gilt das ALG II nicht als Beitragsjahr zur Pensionsversicherung, was über die kurzfristigen Arbeitsanreize auch langfristige Anreize (über die Höhe der späteren Pension) schafft. 2008 wurde die Bezugsdauer des ALG I aber für Personen über 50 Jahre wieder leicht ausgeweitet. Personen über 50 Jahre mit 30 Monaten Vorversicherungszeit (sozialversicherungspflichtige Beschäftigung) in den letzten 5 Jahren haben einen Anspruch auf 15 Monate Bezug von ALG I, Personen über 55 Jahre einen Anspruch von 18 Monaten, wenn ebenfalls in den letzten 5 Jahren 36 versicherungspflichtige Monate in Beschäftigung nachgewiesen werden können. Personen über 58 Jahre mit 48 Monaten Vorversicherungszeit haben einen Anspruch auf 24 Monate ALG I-Bezüge. Als Begründung für die Ausweitung der Bezugsdauer wurde von politischer Seite her u.a. soziale Fairness angeführt, sowie die Tatsache, dass ältere Personen mehr Zeit zum Finden einer neuen Anstellung benötigen.[1]
    Des weiteren hatten Personen über 58 Jahren (58-Regelung) bis 2008 einen erleichterten Zugang zum Arbeitslosengeld, weil sie sich dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stellen mussten. Dieser Personenkreis wurde gleichzeitig nicht als arbeitslos gewertet. Diese Regelung wurde im Zuge der Hartz-Reformen für jene, die erst nach 2008 als arbeitslos gelten, abgeschafft. In der Folge kam es zu einer statistischen Korrektur und einem deutlichen Einschnitt in der Entwicklung der Arbeitslosenstatistik. Während in den Jahren 2006 bis 2008 die Arbeitslosigkeit um 5 Prozentpunkte zurückging, so stagnierte sie von 2008 bis 2010. Dies ist auf einen Anstieg der Arbeitslosen in der Gruppe 58 Jahre und älter zurückzuführen,[2] während der sinkende Trend in der Gruppe der 55- bis 58-Jährigen weiter anhielt. Seit 2010 ist die Arbeitslosenrate in Deutschland weiter von 7,7 auf 5,8 Prozent 2013 gesunken.
  • Aktive Arbeitsmarktpolitik
    Die Entgeltsicherung in Deutschland (auch Kombilohn genannt) zielt darauf ab, dass die Bundesagentur für Arbeit die Hälfte der Differenz zwischen dem Lohn vor der Arbeitslosigkeit und dem Lohn danach übernimmt. Dieses Angebot wird jedoch nur selten in Anspruch genommen (siehe Dietz, 2012) und läuft seit Anfang 2011 aus (es werden nur Personen, die bereits vor dem 01.01.2011 Bezüge erhielten, weiterhin gefördert). Die Ursache für den geringen Erfolg liegt hauptsächlich darin begründet, dass der Kombilohn weniger als Arbeitsanreiz verstanden wurde.
    Die Entgeltsicherung wurde daher oftmals nur in letzter Instanz nach erfolgloser Suche in Anspruch genommen und war nicht ausschlaggebend für die Annahme der Tätigkeit. Entgegen der Intention Personen durch temporäre Unterstützung  an den Arbeitsmarkt heranzuführen ist für viele Kombilohnbezieher der Einkommensverlust dauerhafter Natur.[3]
    Da Firmen die Produktivität älterer Arbeitnehmer nur schwer einschätzen können, gibt es in Deutschland einen sogenannten „Eingliederungszuschuss“ (EGZ), um ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu bringen. Im Fall von schwer vermittelbaren Arbeitslosen kann die Bundesagentur für Arbeit vorübergehend einen Teil des Lohns übernehmen. Das Unternehmen kann in dieser Zeit die Produktivität des Arbeiters in Erfahrung bringen. Für Deutschland zeigt sich, dass der EGZ die Arbeitslosenrate Älterer senken konnte.[4] Trotzdem ist nicht ganz klar, ob diese Personen nicht ohnehin eine Stelle gefunden hätten: Die meisten Anträge werden nämlich  nicht von Arbeitnehmern gestellt, sondern von den Arbeitgebern. In Österreich gibt es mit der Eingliederungsbeihilfe ein sehr ähnliches Instrument.
    Für ältere „arbeitsmarktferne“ Personen, die oft aufgrund geringer Bildung auch dann nicht am Arbeitsmarkt reüssieren, gibt es die sogenannten „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ und „Arbeitsgelegenheiten“ (im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche), um diesen Personenkreis trotzdem möglichst nahe am Arbeitsmarkt zu halten. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Minijobs.

Fazit

In Deutschland funktioniert also die Eingliederung der älteren Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt im Verhältnis zu anderen Ländern gut. Die steigende Erwerbsbeteiligung bei gleichzeitigem Rückgang der Arbeitslosigkeit ist in ihrer Tendenz dabei erheblich durch den demografischen Wandel und dem dadurch auftretenden Rückgang an qualifizierten Arbeitskräften, wie auch durch den konjunkturellen Aufschwung bestimmt. So ist Deutschland eines jener Länder, in denen sich die Wirtschafts- und Finanzkrise kaum auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt hat, nicht zuletzt deswegen, weil der Arbeitsmarkt durch die Hartz-Reformen stark flexibilisiert wurde und somit auch auf Krisen schnell reagieren kann.

Zudem dürfte Deutschland das einzige Land in der EU sein, in dem trotz strengerer Pensionsregeln die Arbeitslosenrate bei den Älteren in  den letzten Jahren gesunken ist. Wesentliche Unterschiede zu Österreich liegen hier in den Möglichkeiten der Frühpensionierung. Diese sind in Deutschland deutlich strenger geregelt als in Österreich. So ist der Zugang zur Invaliditätspension (Erwerbsminderungs-Rente) in Deutschland seit 2001 deutlich strenger gefasst und für Missbrauch weitestgehend verschlossen. Auch die Lohnkurve entwickelt sich in Deutschland weit weniger dramatisch als dies in Österreich der Fall ist und macht somit ältere Arbeitnehmer in Deutschland vergleichsweise attraktiver für Arbeitgeber.

Der deutsche Kündigungsschutz beinhaltet wie die meisten Länder eine Altersdiskriminierung. Ältere Arbeitnehmer genießen dabei einen höheren Schutz als jüngere. Durch diesen höheren Schutz kommt es allerdings auch zu einer Insider-Outsider-Problematik. Während ein hochgeschützter Arbeitsmarkt jenen in erster Linie zugute kommt, die in Beschäftigung sind (Insider), erschweren diese Vorschriften die Anstellung von Arbeitslosen (Outsider), da diesen im Zweifel (nach Ablauf der Kündi- gungsfrist) nicht wieder gekündigt werden kann. Im Zuge der Reformen wurde auch der Arbeitsmarkt stückweise flexibilisiert. In Deutschland wurde der Geltungsbereich des gesetzlichen Kündigungsschutzes von fünf auf mindestens zehn Beschäftigte innerhalb eines Betriebes beschränkt. Weitere Deregulierungen gab es bei Befristung und Wiedereinstellung.

Niederlande

Die Niederlande sind jenes Land, in dem die Erwerbsquote der Älteren seit dem Jahr 2000 am stärksten gestiegen ist. Gleichzeitig ist auch die Arbeitslosenrate in dieser Altersgruppe – ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau – etwas gestiegen und liegt aktuell bei 6,3 Prozent, einem ähnlichen Niveau wie in Schweden und Deutschland. Trotz des nach wie vor relativ niedrigen Werts stellt sich die Frage, ob dieser unterschiedliche Verlauf im Vergleich zu Deutschland lediglich auf die unterschiedlichen Auswirkungen der Krise zurückzuführen ist oder ob auch unterschiedliche Rahmenbedingungen den Ausschlag gegeben haben könnten.

Erwerbsquote und Arbeitslosenrate in den Niederlanden – 55- bis 64-Jährige (in Prozent)

Abbildung 25. Quelle: OECD (Stand 2014).

Der Anstieg des effektiven Pensionsantrittsalters war in den Niederlanden beachtlich. Während Männer 2007 noch durchschnittlich mit 61,8 Jahren in Pension gingen, lag das Pensionsantrittsalter fünf Jahre später, 2012, bereits bei 63,6 Jahren. Für Frauen stieg es im selben Zeitraum von 60,9 auf 62,3 Jahre.

Dies liegt vor allem in drei Tatsachen begründet: Erstens wurden Anreize zum frühzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben abgeschafft und das gesamte Pensionssystem finanziell nachhaltig gestaltet.[5] Zweitens kam es zu einem Wandel in der Invaliditätspension: Reintegration von Menschen mit eingeschränkter Erwerbsfähigkeit statt Invalidität. Drittens dürfte auch die Arbeitsmarktpolitik einen Teil dazu beigetragen haben.

  • Reformen, die den Arbeitsanreiz erhöhen
    In den Niederlanden wird das offizielle Pensionsantrittsalter bis 2021 stufenweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Danach wird das Antrittsalter alle fünf Jahre an die Entwicklung der Lebenserwartung angepasst. Bereits in den 1990er-Jahren wurden die Anreize zur Frühpensionierung weitgehend abgeschafft und das Pensionssystem somit zunehmend versicherungsmathematisch fair gestaltet. Dies war nur aufgrund eines allgemeinen Konsenses mit den Gewerkschaften möglich und wurde zuerst im öffentlichen Sektor eingeführt. 2006 wurde dann ein sich selbst finanzierendes System im Falle eines frühzeitigen Pensionsantritts etabliert.
    Um den Umweg über die Invalidität in die Frühpension zu beschränken, wurde das sogenannte Experience Rating eingeführt. Hier wird die finanzielle Verantwortung von Krankheit und Behinderung in Richtung Arbeitgeber aber auch zum Arbeitnehmer verschoben, um Anreize zur Prävention zu setzen. Im Zuge des Gatekeeper-Protokolls wurde eine unabhängige Stelle zur Beurteilung des Gesundheitszustandes von Arbeitnehmern etabliert. Damit wird die Verantwortung vom Hausarzt hin zu einer unabhängigen Einrichtung verschoben.
    Ein weiterer Anreiz für längere Erwerbstätigkeit besteht in einem Steuer-Bonus, wenn Personen im Alter zwischen 62 und 67 Jahren noch arbeiten. Diese arbeitsmarktpolitische Maßnahme dürfte jedoch wenig erfolgreich sein (siehe Euwals, 2009), weil ohnehin jene länger arbeiten, die eine bessere Bildung aufweisen und daher auch besser verdienen. Auch der Effekt auf die Erwerbsquote dürfte relativ gering sein.
    Der sogenannte WGA („Werkhervatting Gedeeltelijk Arbeidsgeschikten“, Wiedereintritt ins Berufsleben bei eingeschränkter Erwerbsfähigkeit) zielt wiederum darauf ab, Personen, die aufgrund einer Krankheit länger berufsunfähig waren, wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Hohe Ersatzraten während der Krankheit vermindern den Anreiz, erneut eine Stelle anzunehmen, vor allem wenn der Job schlechter bezahlt ist. Deshalb können diese Personen einen Bonus – eben den WGA – zu ihrem Gehalt erhalten, der solche Verluste kompensieren soll.
    2004 wurden Arbeitnehmer im Alter von mehr als 57 Jahren dazu verpflichtet, eine aktive Stellensuche beim Arbeitsamt zu melden und nachzuweisen. Bloemen et al. (2011) zeigen, dass dies die Eintrittsrate in den Arbeitsmarkt stark erhöht hat. Zusätzlich führte dies aber auch zu einem stärkeren Andrang auf die Invaliditätspension.
  • Reformen, die den Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt weniger attraktiv machen
    Die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld ist in den Niederlanden so hoch wie in keinem anderen europäischen Land. Sie wurde zwar von 60 auf 38 Monate verkürzt (bleibt jedoch abhängig von der vorherigen Anstellungsdauer). Trotzdem ist dies ein vergleichsweise hoher Wert. Daher ist bereits geplant, die Auszahlung des Arbeitslosengeldes weiter zu beschränken. Zur Erinnerung: In Österreich liegt die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes bei 12 Monaten (obwohl bei Teilnahme an Schulungen der Bezug bis zu 5 Jahre laufen kann). Diese lange Bezugsdauer birgt die Gefahr, dass Arbeitslose gar keinen Job suchen.[6] Um die Verweildauer älterer Arbeitnehmer in der Arbeitslosigkeit zu verkürzen, sind die Niederländer verpflichtet, nach einem Jahr erfolgloser Jobsuche einen angebotenen Job anzunehmen.
    Trotzdem sind die Anreize für einen Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt in den Niederlanden immer noch sehr hoch. So bezieht man in den Niederlanden die ersten zwei Monate 75 Prozent des zuvor erhaltenen Lohns. Dann sinkt der Lohnersatz auf 70 Prozent. Im Vergleich dazu erscheinen die 55 Prozent in Österreich sehr gering. Die niederländische Regierung hat jedoch die Probleme, die mit der Großzügigkeit des Systems einhergehen, erkannt und geht entschlossen dagegen vor. So wird die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds weiter verkürzt und auch die Höhe soll verringert werden.
    Auch der Kündigungsschutz in den Niederlande ist relativ streng, das System ist dem alten österreichischen System recht ähnlich (Abfertigung alt). Trotzdem fällt dieser nicht zu schwer ins Gewicht, da viele ältere Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag haben[7], in dem der Kündigungsschutz weitaus schwächer ausfällt.
    Um nicht nur die Arbeitgeber im Bereich des vorzeitigen Pensionsantritts in die Verantwortung zu nehmen, wurde in den Niederlanden in den 1990er Jahren wie erwähnt das sogenannte Experience Rating schrittweise eingeführt. Das Experience Rating zielt darauf ab, das Invaliditätsrisiko nach dem Verursacherprinzip zu verteilen, um auch von Seiten der Arbeitgeber Anreize zur Prävention zu setzen. Die Arbeitgeberbeiträge zur Invaliditätspension wurden in einen Fixbeitrag sowie einen sektorspezifischen (oder firmenspezifischen) Beitrag geteilt. Dieser sektorspezifische Beitrag basiert auf den Invaliditätsbezügen innerhalb eines Sektors. Sektoren, in denen die Arbeitnehmer also häufiger in Invaliditätspension gehen, müssen mit höheren Beiträgen rechnen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit für Arbeitnehmer, aus dem öffentlichen System auszusteigen und eine private Versicherung abzuschließen.
    Unternehmen haben zwar keinen direkten Einfluss darauf, ob Arbeiter für die Invaliditätspension zugelassen werden (dies obliegt laut dem Gatekeeper-Protokoll einer unabhängigen Stelle), trotzdem können sie durch präventive Maßnahmen maßgeblich dazu beitragen die Arbeitsunfähigkeit zu minimieren. Auch von Seiten der öffentlichen Krankenkassen wurden Maßnahmen zur Prävention beschlossen.
    Das Experience Rating scheint in einer genaueren Analyse (siehe Koning, 2005) sehr erfolgreich zu sein. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2002 hat sich aufgrunddessen die Zulaufrate in die Invaliditätspension um 15 Prozent verringert. Viele Firmen verließen aufgrund des Experience Ratings das öffentliche System, was zu einer weiteren Reduktion der Zulaufrate in die Invalidität von 11 Prozent führte (siehe van Sonsbeek, 2010).
    Es müssen jedoch auch die negativen Aspekte des Experience Ratings erwähnt werden: Es kann zu einer Selektion am Arbeitsmarkt führen, indem Unternehmen Arbeitnehmer nach deren Gesundheitszustand selektieren. Diesen Problemen muss man entgegenwirken. Das macht man in den Niederlanden zum einen dadurch, dass die höheren Beitragssätze auf Sektoren bezogen werden, und nicht auf Einzelpersonen. Zum anderen sind die Beiträge für die Invalidität für Menschen mit Behinderung und für Personen über 50 geringer.
  • Aktive Arbeitsmarktpolitik
    Um die Arbeitskosten zu verringern, erhalten Unternehmen eine Art Lohnkostenzuschuss. Arbeitgeber zahlen keine Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung für Personen ab 50 Jahren, die zuvor arbeitslos oder arbeitsunfähig waren. Diese Ermäßigung gilt auch für bereits angestellte Arbeiter über 62 Jahre.
    Eine Regelung der aktiven  Arbeitsmarktpolitik  betrifft die Probezeit für ältere Arbeitnehmer, die statt drei Monaten nunmehr sechs beträgt. Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer während der ersten drei Monate in einer neuen Anstellung (in Ausnahmefällen sogar alle sechs Monate) weiterhin seine bisherige Sozialleistung (Arbeitslosengeld oder Ähnliches). Die Firma kostet der Arbeitnehmer während der Probezeit also nichts.
    Zwei weitere Bestimmungen machen den Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt für invalide Personen und ältere Arbeitslose zu einem gangbaren Weg: Das Gesetz zur Einkommenssicherung für ältere Arbeitslose (IOW) sowie das Gesetz zur Einkommenssicherung für ältere und teilweise arbeitsunfähige Arbeitslose (IOAW) zielen beide darauf ab, Ältere nach dem Verlust des Arbeitslosengeldes vor der Armut zu bewahren. Das IOW gilt für Personen über 60 Jahre und ist unabhängig vom Einkommen des Partners, während das IOAW bereits für Personen ab 50 Jahre greift, und die Zuerkennung vom Einkommen des Partners abhängig ist. Beide betragen maximal 70 Prozent des Mindestlohns. Dies kann in gewisser Weise mit der österreichischen Notstandshilfe verglichen werden.

Fazit

Ähnlich wie in Deutschland wurden in den Niederlanden, Reformen zur Anhebung der Erwerbsbeteiligung und zur Verringerung von Vorruhestand und Invalidität bereits in den 1990er und 2000er Jahren mit durchaus beachtlichem Erfolg umgesetzt: Trotz des erheblichen Anstiegs der Erwerbsquote ist die Arbeitslosenrate der Älteren seit 2000 zwar etwas gestiegen, sie ist aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau.

Gerade für Österreich könnte die Reformierung des Invaliditätspensionsbereichs als Vorbild gelten, was für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer eine interessante Alternative zum Bonus-Malus-System darstellen könnte. Oder anders gesagt: „Liberale Ansätze dieser Art, die Leistungen, Arbeitsanreize und Anreize zur Prävention miteinander verknüpfen, sind eine wertvolle Lektion, die vor allem aus den niederländischen Erfahrungen in der Invaliditätsversicherung gezogen werden können.“ (siehe Gasior et al., 2012)

Das Experience Rating ist ebenfalls ein erfolgreiches Modell, das so- wohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer Anreize schafft, frühzeitig präventiv tätig zu werden, um Krankheit bzw. Invalidität zu ver- hindern, und das mit Erfolg.

Schweden

Schweden bildet insofern eine Ausnahme der hier vorgestellten Länder, als dass es bereits seit Jahrzehnten eine hohe Erwerbsquote der älteren Arbeitnehmer aufweist.

Erwerbsquote und Arbeitslosenrate in Schweden – 55- bis 64-Jährige (in Prozent)

Abbildung 26. Quelle: OECD (Stand 2014).

Trotz des bereits hohen Niveaus ist die Erwerbsquote der Älteren seit 2000 um weitere sieben Prozentpunkte gestiegen. Ähnlich wie in Deutschland nimmt auch in Schweden die Arbeitslosigkeit unter den Älteren nicht zu, sondern ist relativ konstant. Dies war nur während der zwei Jahre der Wirtschafts- und Finanzkrise kurzfristig anders.

Reformen, die den Arbeitsanreiz erhöhen

Der Hauptgrund für die hohe Erwerbsquote in Schweden ist die Ausgestaltung des Pensionssystems, das 2003 reformiert wurde. Der fundamentale Unterschied zum österreichischen Pensionssystem liegt darin, dass das schwedische System auf einem fixen Beitrag der Einzahler basiert und nicht auf einer von Vornherein feststehenden Pensionshöhe. Das bietet nicht nur eine hohe Flexibilität, sondern auch einen bedeutenden Anreiz länger zu arbeiten. Der Beitragszahler kann frei entscheiden, in welchem Alter er in Pension geht (innerhalb eines Korridors). Zusätzlich kann man innerhalb dieses Korridors (61 bis 69 Jahre) frei entscheiden, voll im Arbeitsmarkt tätig sein oder die Pension zu einem Viertel, zur Hälfte, zu drei Viertel oder voll zu beziehen, und die Arbeitszeit dementsprechend zu reduzieren. Egal für welche Variante man sich entscheidet, die bezogene Pension spiegelt die persönliche Einzahlung in das Pensionssystem wider. Das angesparte Kapital wird auf die erwartete Pensionsdauer (die sich an der Lebenserwartung orientiert) aufgeteilt. Daher ist ein späterer Pensionsantritt besonders attraktiv: aus einem späteren Pensionsantritt ergeben sich nicht nur höhere Einzahlungen, sondern auch eine geringere Auszahlungsdauer und damit eine höhere monatliche Pension. Um eine Teilpension zu beziehen, erlaubt man den Arbeitnehmern, sich schrittweise aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen, ohne die Erwerbstätigkeit ganz aufzugeben.

Reformen, die den Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt weniger attraktiv machen
In Schweden wird für die ersten 200 Tage 80 Prozent des letzten Lohnes als Arbeitslosengeld ausbezahlt (mit einer Untergrenze von 320 SEK bzw. Obergrenze von 680 SEK pro Tag). Bleibt man länger als 200 Tage arbeitslos, hat ein Arbeitnehmer weiter einen reduzierten Anspruch von 70 Prozent seines Lohnes. Die maximale Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld liegt in Schweden bei 300 Tagen bzw. 450 Tagen, wenn der Betreffende Kinder unter 18 Jahren hat. Wird in diesem Zeitraum ein vom Staat als angemessen erachtetes Jobangebot abgelehnt, gibt es für acht Wochen ein um 25 Prozent niedrigeres Arbeitslosengeld. Lehnt der Versicherte das Angebot zweimal ab, wird das Arbeitslosengeld für denselben Zeitraum um 50 Prozent reduziert. Eine dreimalige Ablehnung eines Arbeitsangebots hat den völligen Anspruchsverlust zur Folge: bei der Neuforderung müssen die Voraussetzungen des Arbeitslosengeldes wieder erfüllt werden.

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Zu den größten Stärken des schwedischen Arbeitsmarktes gehört die niedrigere Langzeitarbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer. 2007 wurde eine Initiative („Nystartsjobb“) gegründet, die dazu dienen soll, dass (Langzeit-)Arbeitslose schneller und leichter eine Anstellung über reduzierte Sozialbeiträge und Lohnsteuern finden können. Für jemanden, der über ein Jahr lang arbeitslos ist, stellt der Staat eine Förderung in der Höhe vom bis zu Zweifachen der für ihn aufgewendeten Sozialbeiträge in Aussicht. Die maximale Dauer des Bezugs ist ein Jahr für Arbeitnehmer zwischen 20 und 25 Jahren, fünf Jahre für Personen zwischen 26 und 54 Jahren und zehn Jahre für Berechtigte über 55 Jahren. Obwohl diese Maßnahmen nicht unumstritten sind[8], galt in Schweden 2010 nur jeder dritte ältere Arbeitslose als langzeitarbeitslos, während dies in Österreich auf jeden zweiten zutrifft.[9]
Sehr kontrovers diskutiert wird die sogenannte LIFO-Regelung. Das „Last-In First-Out“- Prinzip (LIFO) wurde Anfang der 1980er-Jahre eingeführt und besagt, dass im Falle einer Kündigung derjenige den Betrieb verlassen muss, der am kürzesten angestellt ist. Ältere Arbeitnehmer waren durch diese Regelung doppelt geschützt. Einerseits sind zumeist ältere Beschäftigte länger bei einer Firma angestellt, andererseits zählt ein Beschäftigungsmonat eines über 45-Jährigen doppelt bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer (maximal 60 zusätzliche Monate). Schweden erkannte die Probleme dieses starken Kündigungsschutzes im Fall längerer Dienstzeit und daher wurde auch dieser schrittweise wieder abgebaut. So gilt er seit 2001 nur mehr für Firmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern. Below und Thoursie (2010) zeigen jedoch, dass der starke Kündigungsschutz für Ältere kaum Auswirkungen auf deren  Beschäftigung  hatte. Dies begründen die Autoren vor allem damit, dass die LIFO-Regelung relativ leicht umgangen werden kann[10]: Sie gilt nämlich nur dann, wenn die Aufgaben des zu kündigenden – meist jüngeren – Arbeitnehmers von einer anderen Person innerhalb des Betriebs übernommen werden können. Ob dies so ist, entscheidet der Arbeitgeber selbst. Die Kosten einer Kündigung (Abfertigung) werden übrigens zumeist nicht vom Betrieb, sondern aus einem Fonds finanziert, in den alle Betriebe einzahlen. Auch kann der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft über eine Kündigung verhandeln. Daher hatte die bereits erwähnte Aufweichung der LIFO-Regelung 2001 nur geringe Auswirkungen. Auch aus diesen Gründen darf angezweifelt werden, dass der Kündigungsschutz für Ältere für das „Beschäftigungswunder“ Schwedens ausschlaggebend ist.
Warum hat ein schwedischer Arbeitgeber einen höheren Anreiz einen älteren Arbeitnehmer anzustellen als ein österreichischer? Schweden profitiert bei der Aktivierung älterer Arbeitnehmer insbesondere davon, dass das Senioritätsprinzip vergleichsweise schwach ausgeprägt ist. Während es in Österreich nicht untypisch ist (siehe Abbildung 27), einen mit dem Alter stetig steigenden Lohn zu erhalten, hängen die Löhne in Schweden stärker von der Arbeitsproduktivität ab. Diese steigt mit der Arbeitserfahrung an, ab einem bestimmten Alter geht sie jedoch tendenziell zurück.[11] Daher verlaufen die schwedischen Lohnkurven ziemlich flach, was die Kosten für die Arbeitgeber – anders als in Österreich – unabhängig vom Alter der Arbeitnehmer relativ konstant hält.
Die Aktivierung der älteren Arbeitnehmer hat Schweden mit gesundheitspolitischen Maßnahmen unterstützt. Um die Beschäftigung der Älteren zu erhöhen, wurde der Arbeitgeber dazu verpflichtet, für den Arbeitnehmer, der länger als 90 Tage im Krankenstand war, eine andere, den Bedürfnissen des Arbeitnehmers angepasste Tätigkeit anzubieten. Damit die Aktivierung der Älteren nicht zu Mehrkosten des Gesundheitssystems führt und ältere Arbeitnehmer statt in Beschäftigung im Krankenstand landen, wurde eine enge Zusammenarbeit mit Hausärzten und einer staatlichen Gesundheitsbehörde eingeführt. Es wurden zahlreiche medizinische Richtlinien zur Reduktion krankheitsbedingter Fehlzeiten eingeführt.

Fazit

Für einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt für Ältere gibt es keine Patentlösungen. Dass Schweden große Erfolge bei der Integration Älterer in den Arbeitsmarkt verzeichnen konnte, ist aber kein Zufall. Als Schweden in den 1990er-Jahren in der Krise steckte, hat die damals sozialdemokratische Regierung mit der Pensionsreform einen großen Anreiz zum längeren Arbeiten gegeben. Der größte Unterschied zum österreichischen Arbeitsmarkt ist die flache Lohnkurve, also das schwache Senioritätsprinzip in Schweden. Damit haben schwedische Unternehmen einen höheren Anreiz, Ältere zu beschäftigen. Diese Eigenschaft, kombiniert mit gesundheitspolitischen Maßnahmen und Reformen, die zur Senkung des Kündigungsschutzes und der Langzeitarbeitslosigkeit führten, unterstützen den Arbeitsmarkt für Ältere umfangreich. So ist die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen Arbeitnehmer fast doppelt so hoch wie in Österreich.

Zusammenfassung

Die drei Vergleichsländer besitzen bei ihren institutionellen Rahmenbedingungen für ältere Arbeitnehmer viele Gemeinsamkeiten. Welche Faktoren für Erfolge ausschlaggebend sind, dürfte aber besser aus den Unterschieden abzulesen sein. Daher soll nochmals auf diese aufmerksam gemacht werden.

So stellen schon alleine die unterschiedlichen Arten des Pensionssystems unterschiedliche finanzielle Anreize für längeres Arbeiten dar. Im österreichischen Pensionssystem sind Anreize für längeres Arbeiten, obwohl zum Teil gegeben, nicht für jeden klar ersichtlich. Weiters sind die Schlupflöcher in den Vorruhestand zu einem großen Teil immer noch vorhanden. Die Probleme mit der Invaliditätspension werden mittlerweile zwar angegangen (Streichung der befristeten Invaliditätspension,…) es herrscht aber immer noch Handlungsbedarf in diesem Bereich.

Österreichs Pensionssystem ist deutlich intransparenter als jenes in Schweden oder Deutschland – wobei die Umstellung auf ein Pensionskonto in den nächsten Jahren eine Verbesserung mit sich bringen wird. Vor allem in Schweden ist der Anreiz zum längeren Arbeiten für jeden klar durchschaubar und trägt damit stark zur Aktivierung älterer Arbeitnehmer bei. Diese Transparenz wäre deswegen wichtig, damit sich die Menschen in Österreich über die finanziellen Konsequenzen, die ein Ausstieg aus dem Arbeitsleben für sie persönlich haben würde, ein möglichst genaues Bild machen können und sie keine bösen Überraschungen erleben.

Was sich in den verglichenen Ländern stark unterscheidet ist die Dauer, für die Arbeitslosengeld bezahlt wird. Während die Niederlande einen relativ langen Bezug erlauben, ist dieser in Schweden und Deutschland stark gekürzt worden. In Österreich ist die Bezugsdauer auf ein Jahr begrenzt. Trotzdem kann diese auf 5 Jahre verlängert werden, wenn man sich in Schulung befindet. Bei dieser langen Bezugsdauer besteht die Gefahr, dass Arbeitslose gar nicht nach Arbeit suchen und zu einem späteren Zeitpunkt nur mehr schwer in den Arbeitsmarkt integrierbar sind (siehe Euwals et al., 2009).

Das größte Problem der Älteren am Arbeitsmarkt ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Um diese zu bekämpfen, werden in allen Ländern finanzielle Anreize zur Anstellung dieses Personenkreises geboten. Mit unterschiedlichem, aber zumeist mäßigen Erfolg, obwohl die Anreizsysteme in allen Ländern sehr ähnlich strukturiert sind. Es fällt jedenfalls auf, dass jegliche Subventionen von Beschäftigungsverhältnissen älterer Arbeitnehmer in Ländern mit hohem Senioritätsprinzip (Niederlande, Österreich) nur mäßig erfolgreich sind. Vor allem in Österreich zeigt sich, dass die Kombilohnbeihilfe sowie die Eingliederungsbeihilfe nicht die erwünschten Ergebnisse erzielt – nicht zuletzt, weil lediglich Symptome bekämpft werden, nicht aber die Ursache. So verlieren rund 50 Prozent der Kombilohnbezieher nach Auslaufen der Subvention wieder ihren Job.

Dies könnte an den unterschiedlichen Ausprägungen des Senioritätsprinzips liegen. Vergleicht man die Lohnkurven in den genannten Ländern, so zeigt sich recht klar, dass das Senioritätsprinzip, das in den Niederlanden und auch in Österreich sehr stark ausgeprägt ist, den Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt offensichtlich nicht sehr förderlich ist. Während das Verhältnis zwischen den Löhnen junger Arbeitnehmer und Älterer im Jahr 2012 in Deutschland und Schweden in der Nähe des EU- Schnitts von 1,35 lag, so verdienen in den Niederlanden und Österreich die älteren Arbeitnehmer im Schnitt um das 1,6-fache mehr als Jüngere.

Lohn eines Vollzeitbeschäftigten 2012 – Vergleich 55- bis 59-Jährige zu 25- bis 29-Jährige

Abbildung 27. Quelle: OECD. Anmerkung: Index des Verhältnisses der Löhne.

In Schweden ist dies gelungen, indem man im öffentlichen Sektor mit gutem Vorbild voranging und das Senioritätsprinzip durch ein Leistungsprinzip ersetzte. Mehr als 90 Prozent der schwedischen Beamten sind aktuell von diesem Leistungsprinzip erfasst. Jährlich wird dort die Leistung der Arbeiter objektiv erfasst – mit den entsprechenden Konsequenzen. Bei höherer Leistung steigt das Gehalt, bei niedriger Leistung sinkt es.

Der lange Bezug von Arbeitslosengeld in Kombination mit einer hohen Lohnkurve dürfte dazu beigetragen haben, dass die Aktivierung von älteren Arbeitnehmern in den Niederlanden weniger erfolgreich war (trotz der positiven Reformmaßnahmen durch das Gatekeeper-Protokoll und die Einführung des Experience Ratings) – dort ist die Arbeitslosenrate kontinuierlich gestiegen, blieb aber trotzdem auf überschaubarem Niveau. In welchem Ausmaß beide Faktoren dazu beigetragen haben ist schwer feststellbar. Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass in Ländern wie Schweden und Deutschland die Kombination aus flacheren Lohnkurven und einer kürzeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld die Integration der Älteren in den Arbeitsmarkt erleichtert. Daher ist in Anbetracht des stark ausgeprägten Senioritätsprinzips und der langen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes in Österreich zu befürchten, dass die Aktivierung von älteren Arbeitnehmern unter den gegebenen Rahmenbedingungen ein schwieriges Unterfangen werden wird. Nicht weil diese den Jüngeren Arbeitsplätze wegnehmen, sondern weil die Älteren selbst nur schwer in Arbeit zu halten sind bzw. gebracht werden können.

Die interessantesten Reformen der untersuchten Länder werden abschließend nochmal in Tabelle 1 zusammengefasst.

Reformen in den untersuchten Ländern

Tabelle 1. Quelle: Eigene Darstellung.

 


Fußnoten

  1. Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Klaus Brandner zum Spiegel (2008): http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundesrat-aeltere-erhalten-wieder-laenger-arbeitslosengeld-i-a-535529.html.
  2. Diese Entwicklung ist jedoch hauptsächlich auf den definitorischen Effekt zurückzuführen und muss keineswegs bedeuten, dass sich die Situation dieser Altersgruppe verschlechterte.
  3. Siehe Brussig et al. (2006).
  4. Siehe Bernhard et al. (2007).
  5. Das Pensionssystem wurde finanzmathematisch neutral gestaltet, d.h. ein Pensionist bekommt im Schnitt nicht mehr ausgezahlt, als er einbezahlt hat.
  6. Siehe Euwals et al. (2009).
  7. Laut Gasior et al. (2012) rund 80 Prozent.
  8. Siehe Lundberg (2007).
  9. Siehe Gasior et al. (2012).
  10. Siehe Gasior et al. (2012).
  11. Siehe OECD (2006).
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