Im Rahmen der Diskussion betreffend die steigende Partizipation älterer Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt wird oft argumentiert, dass diese Entwicklung negative Arbeitsmarkteffekte für jüngere Arbeitnehmer mit sich bringt.
Diese Prämisse geht davon aus, dass die beiden Gruppen um Arbeitsplätze konkurrieren, das heißt, dass Ältere und Jüngere (perfekte) Substitute sind und es in der Volkswirtschaft ein fixes Volumen an Arbeitsbedarf gibt („lump of labour hypothesis“).[1]
Abbildung 10 zeigt die Entwicklungen am Arbeitsmarkt in Österreich seit 2004 als Index. Demnach ist die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 55 und 64 Jahren von rund 261.100 auf 442.200 gestiegen – das entspricht einem Anstieg von 69 Prozent. Im selben Zeitraum ist die Arbeitslosenzahl dieser Altersgruppe von circa 11.700 auf 17.300 gestiegen – also um 48 Prozent. Die Arbeitslosenzahl der 15- bis 24-Jährigen ist von 57.300 auf 55.800 gefallen und damit praktisch konstant geblieben. Selbst wenn in dieser Betrachtung einige Faktoren (Kohortengröße, Konjunktur,…) nicht berücksichtigt werden, zeigt sich, dass die Zahl Arbeitsloser in unteren Al- terssegmenten (15- bis 24-Jährige) nicht stieg, während – und gerade weil – gleichzeitig deutlich mehr Ältere (55- bis 64-Jährige) in Beschäftigung gingen. Auch die Zahl der arbeitslosen Älteren stieg bis 2010 kaum.
Auf Basis dieses Befunds können nun andere Einflussfaktoren berücksichtigt werden, um den Zusammenhang zwischen der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und der Arbeitslosigkeit älterer sowie jüngerer Arbeitnehmer im Detail zu analysieren. Auch in der Literatur gibt es Zweifel daran, dass es in einer Volkswirtschaft ein fixes Volumen an Arbeitsbedarf gibt und dass ältere durch jüngere Arbeitnehmer ersetzbar seien (siehe Eichhorst et al., 2014). Da sich der Bedarf an Arbeit entsprechend der konjunkturellen Entwicklung stark verändert und höhere Beschäftigungszahlen gewöhnlich eine höhere Inlandsnachfrage mit sich bringen, erhöht ein Zuwachs an Beschäftigung und die damit steigende Kaufkraft der Arbeitnehmer die Nachfrage nach Arbeit. Zudem weisen jüngere und ältere Menschen unterschiedliche Arbeitseigenschaften auf. Ältere Arbeitnehmer zeichnen sich üblicherweise durch viel Arbeitserfahrung aus. Gleichzeitig sind sie häufiger in traditionelleren Wirtschaftszweigen vertreten, die sich möglicherweise weniger dynamisch entwickeln. Oftmals sind sie physisch nicht so belastbar wie jüngere Arbeitnehmer.[3] Ihre schulische und universitäre Ausbildung liegt meist lange zurück. Jüngere Arbeitskräfte hingegen folgen oftmals neuen Trends und Technologien, die es in der älteren Generation in der Form gar nicht gegeben hat. Sie sind am Anfang ihrer Wissensakkumulation und dahingehend flexibler in ihrer Ausrichtung, haben aber natürlich wenig Erfahrung. Daraus folgt, dass sich das Arbeitsprofil beider Altersgruppen wesentlich voneinander unterscheidet, was die Hypothese der direkten Substituierbarkeit tendenziell widerlegt.
Eine hohe Zahl empirischer Studien kann keine Bestätigung dafür liefern, dass sich eine höhere Beschäftigung Älterer negativ auf jene der Jüngeren auswirkt. Eine Studie der OECD (2013) zeigt für ihre Mitgliedsländer sogar einen positiven Effekt: Demnach erhöht eine höhere Beschäftigung Älterer jene der Jüngeren. Ebenso stellen Munnell und Wu (2012) für die USA fest, dass eine hohe Beschäftigung im Alter die Arbeitslosigkeit der Jüngeren gesenkt und deren Gesamtarbeitsstunden erhöht hat. Gruber und Wise (2010) finden in ihrer Auswertung von 12 Länderstudien kaum Anzeichen dafür, dass ältere Arbeitnehmer die Arbeitsmöglichkeiten der Jüngeren blockieren. Die Studie von Kalwij et al. (2010) findet ebenso keinen signifikanten Effekt. Dahingegen analysierte Vestad (2013) die Effekte für Norwegen von 1994 bis 2004 und machte dabei die Feststellung, dass in einer Zeit wachsender Beschäftigung Älterer die Arbeitslosigkeit unter den Jüngeren gestiegen ist.
In der Folge untersuchen wir die angesprochene Fragestellung methodisch unter Einbeziehung der aktuellsten Zahlen. Dazu wird eine Paneldaten-Regressionsanalyse auf Basis von OECD-Jahresdaten von 20 Mitgliedern über den Zeitraum 1960-2013 herangezogen (Details siehe An- hang). Überprüft wird dabei der Einfluss der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer auf jene der Jüngeren. Permanente strukturelle Unterschiede in den Ländern wie bspw. arbeitsmarktpolitische oder institutionelle Unterschiede werden durch die länderspezifischen Effekte kontrolliert.
In einer weiteren Spezifikation wird der Effekt der Beschäftigungsquote der älteren Arbeitnehmer auf die Beschäftigungsquote der Arbeitnehmer im mittleren Alter (25- bis 54-Jährige) untersucht. Zusätzlich analysieren wir die Auswirkung der Beschäftigungsquote der älteren Arbeitnehmer auf die Arbeitslosenrate der jüngeren und mittleren Altersgruppen. Als Robustheits-Test werden die Effekte in unterschiedlichen Regionen der EU und unterschiedliche Modellspezifikationen untersucht.
Unsere empirische Analyse zeigt, dass eine höhere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer keine negativen Effekte auf jüngere Arbeitnehmer mit sich bringt. Tabelle 3 und Tabelle 4 im Anhang stellen die Auswirkung der Beschäftigung der Älteren (55- bis 64-Jährige) auf die Beschäftigung und Arbeitslosigkeit der jungen Bevölkerungsgruppe (15- bis 24-Jährige) und jener im mittleren Alterssegment (25- bis 54-Jährige) in den EU-Ländern dar. Das Basismodell (Modell 1, Tabelle 3) zeigt keinen signifikanten Effekt einer höheren Beschäftigungsquote auf.[3]
Wie Tabelle 4 (im Anhang) zeigt, führt eine höhere Beschäftigungsquote der Älteren nicht zu einer höheren Arbeitslosenrate bei den Jüngeren und den Personen im mittleren Alter: Eine um einen Prozentpunkt höhere Beschäftigungsquote der Älteren reduziert die Arbeitslosenrate der Jüngeren im Basismodell um 1,5 Prozentpunkte (Modell 5, Tabelle 4).[4] Die Auswirkung auf die mittlere Altersgruppe ist sehr ähnlich: Eine um einen Prozentpunkt höhere Beschäftigungsquote der Älteren reduziert die Arbeitslosenrate der mittleren Kohorten zwischen 0,97 und 1,28 Prozentpunkte (Modell 7 und 8, Tabelle 4).
Trotz Anstrengungen der EU-Politik, die Wirtschaft zwischen den Mitgliedsstaaten anzugleichen, bieten diese dennoch weiterhin erhebliche Unterschiede. Um diese Unterschiede zu berücksichtigen, wird ein Robustheit-Test für unterschiedliche Ländergruppen mit ähnlicher Arbeitsmarktstruktur durchgeführt. Die EU-Länder lassen sich in puncto Arbeitsmarkt grob in vier Gruppen einteilen:[5]
Obgleich sich die Länder in ihren Arbeitsmarktstrukturen wesentlich unterscheiden, so sind die Ergebnisse in allen Gruppen robust. Für eine detailliertere Analyse Österreichs wird jene Gruppe untersucht, deren Charakteristika den österreichischen am nächsten kommen (die westlichen EU-Länder). Dabei ist ein hochsignifikanter Effekt der Beschäftigungsquote der Älteren auf die Beschäftigungsrate der jüngeren Arbeitnehmer festzustellen: Eine um einen Prozentpunkt höhere Beschäftigungsrate der Älteren führt zu einer zwischen 0,5 und 0,9 Prozentpunkte höheren Beschäftigungsrate der Jüngeren (Modell 9 und 10, Tabelle 5). Darüber hin- aus zeigen die Ergebnisse auch, dass eine erhöhte Altersbeschäftigung nicht in einer höheren Jugendarbeitslosigkeit mündet (Modell 13 und 14, Tabelle 6).[6]
Die Erhöhung des faktischen Pensionsalters in Österreich könnte gemäß diversen Studien dazu führen, dass eine höhere Zahl älterer Menschen arbeitslos wird. Staubli und Zweimüller (2011) argumentieren bspw., dass die stufenweise Anhebung des Pensionsantrittsalters in Österreich von 2000 und 2006 neben einem Anstieg der Beschäftigung (in der entsprechenden Altersgruppe) für Männer um sieben Prozentpunkte und für Frauen um zehn Prozentpunkte zu einem Anstieg der Arbeitslosenrate um zehn Prozentpunkte bei Männern bzw. um elf Prozentpunkte bei Frauen geführt hat. Dies allerdings vor dem Hintergrund, dass Österreich 2004 die „vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit“ aufgehoben hat (also während des Un- tersuchungszeitraums 2000-2006). Somit konnten arbeitslose Ältere nicht mehr in die Pensionsstatistik fallen. Dies würde den Anstieg der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer in dieser Studie erklären.
Insgesamt ist die Forderung nachvollziehbar, dass es eine entsprechende Nachfrage nach älteren Arbeitskräften geben muss, wenn diese denn in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Die Befürchtung, dass ältere Arbeitnehmer arbeitslos werden und damit die Erhöhung des Pensionsantrittsalters zwangsläufig zu einer höheren Arbeitslosigkeit führt, wird noch behandelt, in dem die Modelle aus später ausgewählten Ländern untersucht werden. Staubli und Zweimüller (2011) relativieren letztendlich:
„In einem flexibleren Arbeitsmarkt (wie zum Beispiel dem amerikanischen) hätte ein höheres Frühpensionsantrittsalter vermutlich eine schwächere Auswirkung auf die Arbeitslosigkeit.“[7]
Fußnoten
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
Schwerpunkt 1: Mehr Wachstum braucht das Land! Wirtschaftswachstum ist in Österreich zu einem Fremdwort geworden. Nicht nur in der Statistik und in den Prognosen der Institute ist es inzwischen weitgehend der Stagnation gewichen. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien kommt es kaum noch vor. Man sollte ja erwarten, dass ein Land, dessen reales Br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
Lernen Sie uns kennenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen