Mit Fortlauf der Verhandlungen wurden die kritischen Stimmen vehementer und auch lauter. Die Debatte erinnert ein wenig an die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union. Ein Schreckensszenario jagte das nächste, der Untergang der hohen „österreichischen Standards“ schien nah.
„Damals wurde sogar vor der Blutschokolade gewarnt, die nie gekommen ist, und vor Billigware aus dem (europäischen, Anm.) Ausland, die uns überrollt. Das Gegenteil war der Fall“, erinnert sich Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin vom Fachverband der Lebensmittelindustrie.[1]
Das Ergebnis des EU-Beitritts kennen wir. Die Osterweiterung war für Österreich ein voller Erfolg. Statt von Billigprodukten überschwemmt zu werden, fand man einen zusätzlichen Absatzmarkt für österreichische Produkte. Die Ostöffnung 1989, der EU-Beitritt 1995, der Beitritt zum Euro 1999 und die EU-Osterweiterung 2004 und 2007 brachten Österreich mehr als 480.000 zusätzliche Arbeitsplätze.[2]
Aber worauf zielt die Kritik an TTIP nun genau ab?
Schiedsgerichte treten zusammen, weil das zwischen den Streitparteien im Rahmen eines Vertrags so verabredet wurde. Schiedsgerichte sind nicht-staatliche Institutionen, die ein faires Verfahren sicherstellen sollen und von den Vertragsparteien im Vorhinein als Schlichtungsstelle akzeptiert werden. Ihre als Schiedssprüche bezeichneten Urteile sind für beide Streitparteien in der Regel rechtlich bindend. Eingeführt wurden sie, um Investoren die Sicherheit zu geben, sich im Falle unfairer Behandlungen durch nationale Regierungen auch rechtlich wehren zu können, etwa gegen kompensationslose Enteignungen. Könnten sie das nicht, würden sie in einigen Ländern nie investieren.
Obwohl die Kritik an Schiedsgerichten im Zusammenhang mit TTIP gerade jetzt laut wird, so haben sie eine lange Tradition, vor allem in den Investitionsschutzabkommen. Die EU-Mitgliedstaaten unterhalten rund 1.400 Investitionsschutzabkommen, Österreich über 60.[3] Während die österreichische Regierung öffentlich gerne gegen die Schiedsgerichte Stellung bezieht, weigert sie sich aber gleichzeitig in der EU, ältere Abkommen aufzugeben, die Schiedsgerichte zur Streitschlichtung vorsehen.
Für Konflikte zwischen Konzernen werden in der Regel die nationalen Gerichte bemüht. Auch Klagen zwischen multinationalen Unternehmen und Staaten werden oftmals vor nationalen Gerichten erörtert. Bei Klagen gegen den Staat kann von der hierfür erforderlichen Neutralität aber nicht immer bedenkenlos ausgegangen werden. Besonders (aber nicht nur) in Ländern mit Korruption und wenigen Kontrollinstanzen über politische Entscheidungsträger befürchten Investoren eine Abhängigkeit der nationalen Gerichte vom Staat. Unter anderem daraus entstand die Idee der Schiedsgerichte, die sich aus gemeinsam bestellten Schiedsrichtern zusammensetzen.
Geklagt werden kann gegen eine kompensationslose Enteignung, bei einem Verstoß gegen eine gerechte und billige Behandlung[4] oder gegen die Diskriminierung eines Investoren gegenüber Inländern, die in einer vergleichbaren Situation (etwa im gleichen Sektor) wirtschaftlich tätig sind.[5]
Sinkende Standards können nicht über Klagen erzwungen werden. Kein Land kann über den Weg der Klage zur Zulassung von Fracking oder genmodifizierten Lebensmitteln bis hin zum Verkauf von Chlorhühnern gezwungen werden. Den nationalen Gesetzgebern bliebe auch mit TTIP das Recht zur Regulierung vorbehalten. Selbst wenn ein Land eine Klage verliert, wird ein Staat allenfalls zur Leistung einer Kompensation verpflichtet, aber nicht zu einer Verhaltensänderung.
Entgegen der vielfach geäußerten Behauptung zielt Vattenfall nicht auf die Verhinderung des deutschen Atomausstiegs ab. Der im Besitz des schwedischen Volkes stehende Energiekonzern klagt wegen der Verletzung individueller Abmachungen zwischen der Regierung und dem Energiekonzern. Das schwedische Unternehmen hat in Deutschland hohe Investitionen im Bereich der Kernenergie vorgenommen und konnte davon ausgehen, dass sich die Regierung an die von ihr beschlossene Verlängerung der Laufzeiten hält. Der plötzliche Atomausstieg Deutschlands unmittelbar nach dem Erdbeben in Fukushima ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts[6] ohne gesetzliche Grundlage erfolgt. Vattenfall war der einzige Konzern, der sämtliche AKW abschalten musste. Die Unterlagen zur Klage sind nicht öffentlich zugänglich. Es ist davon auszugehen, dass die Klage auf Verstoß der gerechten und billigen Behandlung im Zuge der Vereinbarung der Energiecharta basiert.[7] Eingebracht wurde die Klage sowohl vor einem deutschen Gericht als auch vor einem internationalen Schiedsgericht. Die Entscheidung in diesem Prozess steht noch aus.
Richtig ist, dass das Unternehmen Lone Pine (USA/ Kanada) den kanadischen Staat verklagt hat. Ziel der Klage ist jedoch keine Erlaubnis zum Fracking. Grundlage für die Klage ist, dass die Regierung in Quebec dem Unternehmen eine zuvor ausgestellte Explorationslizenz für Fracking kompensationslos wieder entzogen hat. Die Klage läuft daher auf Entschädigung für eine staatliche Enteignung. Die Entscheidung durch das Schiedsgericht ist noch offen.
Der Fall Veolia (Frankreich) gegen Ägypten wird in der Öffentlichkeit gerne als skandalöser Fall inszeniert, der zeigt, wie ein Konzern über Schiedsgerichte die Schwächsten der Schwachen schwächen will. Veolia Environment hat mit der Stadtverwaltung in Alexandria (Ägypten) einen Vertrag zur Entsorgung und Verwertung des anfallenden Mülls geschlossen. In den Verträgen wurde festgehalten, unter welchen Umständen Vertragsänderungen vorgesehen sind. So sollte die Vergütung an den Wechselkurs, die Bevölkerungsentwicklung in Alexandria und die Lohnkosten angepasst werden. Die Einführung des Mindestlohns führte zu einem Anstieg der Lohnkosten für Veolia. Die Stadtregierung verweigerte aber eine Anpassung der Vergütung an das französische Unternehmen. Veolia klagt aufgrund eines Investitionsschutzabkommens aus dem Jahr 1975 zwischen Frankreich und Ägypten auf Entschädigung. Geklagt wird nicht gegen den Mindestlohn, sondern auf Schadensersatz durch die Vertragsverletzung der nicht angepassten Vergütung. Die Entscheidung durch das Schiedsgericht ist noch offen.
Hinter dieser Kritik steht ein Streit des US-Pharmariesen Eli Lilly gegen Kanada. Der Pharmakonzern Eli Lilly ließ zwei Medikamente in Kanada patentieren. Die kanadische Regierung führte nach erfolgter Patentierung das Recht ein, Patente nachträglich abzuerkennen, wenn deren Nutzen nicht nachweisbar ist. 2010 reichte ein kanadischer Konkurrent (Novopharm) Klage auf Aberkennung des Patents von Eli Lilly ein. Der Klage wurde stattgegeben. Novopharm verkaufte daraufhin die Medikamente ebenfalls. Eli Lilly klagt auf Grundlage von NAFTA auf Enteignung ohne Kompensation und Diskriminierung von ausländischen Investoren. Auch in diesem Fall ist die Entscheidung noch offen.
Australien hat ein Gesetz erlassen, wonach 75 Prozent der Vorderseite und 90 Prozent der Rückseite von Zigarettenschachteln mit Warnhinweisen zu versehen sind. Philip Morris Asia hat seit 1984 seinen Firmensitz in Hongkong, wobei auch Fabriken in Australien vorhanden sind. Grundlage der Klage bietet ein Investorenschutzabkommen zwischen Hongkong und Australien. Philip Morris Asia hat durch die Einschränkung der Verwendung des Markennamens auf den Verpackungen auf Enteignung geklagt. Die Klage wurde wegen eines Formfehlers abgewiesen.
Im Jahr 2006 hat Uruguay seine Tabakgesetze verschärft. Unter anderem durfte jede Marke nur noch in einer Variante vertrieben werden – ein Nebeneinander von Varianten wie „Filter“, „Gold“ oder „Light“ waren damit nicht mehr zulässig. Zudem mussten statt bisher 50 Prozent nun mindestens 80 Prozent der Packungsfläche mit Warnhinweisen versehen sein. Gegen diese Bestimmungen klagte Philip Morris auf Basis des bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen der Schweiz und Uruguay vor einem Schiedsgericht der Weltbank (ICSID, International Center for Settlement of Investment Disputes) mit der Argumentation, Uruguay habe gegen den Schutz von Investitionen sowie von geistigem Eigentum verstoßen (kompensationslose Enteignung). Darüber hinaus wird gegen eine Ungleichbehandlung gegenüber einem heimischen Tabakkonzern beim Verbot der Produktvielfalt geklagt. Die Klage wurde kürzlich zu Gunsten des Staates Uruguay entschieden.
Das in den USA ansässige Ölförderunternehmen Occidental Exploration and Production Company (OEPC) ist gegen den Staat Ecuador vor ein Schiedsgericht gezogen. Der Hintergrund: OEPC hat 1999 einen Explorationsvertrag im Amazonas in Ecuador abgeschlossen. Zur Finanzierung weiterer Investitionen formte OEPC eine Kooperation mit Alberta Energy Corporation Ltd. (AEC). Die ecuadorianische Regierung löste daraufhin den Explorationsvertrag und verstaatlichte die im Land befindlichen Unternehmensanteile, da eine Kooperation mit AEC hätte genehmigt werden müssen. OEPC reichte Klage aufgrund eines Investorenschutzabkommens zwischen den USA und Ecuador auf 2,3 Milliarden US-Dollar Schadenersatz ein. 2012 entschied das Weltbank-Schiedsgericht ICSID, dass eine Kooperation mit AEC einer Genehmigung bedurft hätte. Es wurde allerdings entschieden, dass die Aufkündigung der Nutzungsrechte sowie die Enteignung unverhältnismäßig im Vergleich zu der nicht eingeholten Genehmigung gewesen waren. Ecuador hat an OEPC 75 Prozent der Klagesumme als Entschädigung für die Enteignung zu zahlen.
Der Fall LG&E (USA) gegen Argentinien erhitzte 2002 die Gemüter. Der US-Energiekonzern übernahm Beteiligungen an lokalen Gasverteilungsunternehmen, die Lieferlizenzen bis 2027 besitzen. Als Anreiz für ausländische Investoren garantierte die argentinische Regierung, die Gasversorgungstarife in US-Dollar zu berechnen und halbjährlich an den US-Energiepreisindex anzupassen. Im Zuge der Argentinienkrise nahm die Regierung die Garantien zurück. LG&E klagte Argentinien auf etwa 260 Milliarden US-Dollar Schadenersatz im Zuge einer kompensationslosen Enteignung. Die Entscheidung des Schiedsgerichts: Argentiniens Notlage rechtfertigte einen Eingriff zwischen 2001 und 2003, womit ein Anspruch hierfür entfällt. Darüber hinaus waren die wirtschaftlichen Eingriffe nicht ausreichend, um einer Enteignung gleichzukommen. Jedoch verstieß die Aufkündigung der Garantien gegen das Prinzip der gerechten und billigen Behandlung. LG&E wurde eine Entschädigung von ca. 60 Millionen US-Dollar zugesprochen.
Diese Fälle sollen nicht zeigen, dass Schiedsgerichte völlig unproblematisch seien. Sie sollen zeigen, dass die Anti-TTIP-Aktivisten gerne mit Schauergeschichten über teilweise noch nicht entschiedene Fälle Stimmung machen. Sie schüren auf diese Weise bewusst Ängste und suggerieren, dass jeder Standard als Handelshemmnis interpretiert wird und vor Gericht mit der Begründung entgangener Einnahmen beklagt werden kann.
Zudem wird gerne behauptet, dass Schiedsgerichte nur von Großkonzernen angerufen werden können. Dabei wird etwa jede fünfte Klage[8] durch Einzelpersonen oder Kleinunternehmen eingebracht. Der Anteil der KMU liegt zwischen einem Drittel (ICSID) und der Hälfte bei der UN-Kommission für Handelsrecht UNCITRAL, und ist damit überproportional zum Handelsvolumen. Kritiker warnen außerdem davor, dass US-Firmen Europa mit Klagen überziehen würden. Dabei kommen derzeit mehr als doppelt so viele Klagen bei internationalen Schiedsgerichten aus der EU. Zu beachten ist auch, dass das Einbringen einer Klage noch lange keinen Erfolg garantiert.[9] Zwischen entwickelten Wirtschaftsräumen wird nur eine von vier Klagen vom Investor gewonnen. Klagen gegen EU-Mitgliedstaaten sind nur zu 20 Prozent erfolgreich. 44 Prozent der eingebrachten Klagen werden für den Staat entschieden.[10]
Wahr ist, dass ältere Abkommen durchaus verbessert werden könnten. So sollte Klägern beispielsweise entweder der Rechtsweg vor ein internationales oder ein nationales Gericht gewährt werden. Im kanadisch-europäischen Abkommen CETA ist dies bereits so vorgesehen.
Überaus populär ist die Befürchtung, dass das Ziel des Abkommens die Senkung der Standards auf ein möglichst niedriges Niveau sei. Dabei ist die Frage, wer denn nun die höheren Standards hat, gar nicht einfach zu beantworten. Eine Studie des PEW Research Centers analysierte dazu die Meinung von Konsumenten in den USA und in Deutschland. Das Ergebnis überrascht kaum: Die Amerikaner sehen ihre Standards als die höheren an, bei den Deutschen ist es genau umgekehrt. Der deutsche Politiker Jürgen Trittin von den Grünen kommentierte dies dann auch folgendermaßen: „Es ist lediglich arrogant zu behaupten, dass europäische Standards in jedem Fall besser sind als amerikanische“ und stellte fest: „Die Europäer verabreichen den Hühnern vorher Antibiotika, die Amerikaner tauchen sie hinterher in Chlor. Ich mag nicht entscheiden, was besser ist.“ Es mag also sein, dass sich die Europäer vor Chlorhühnern mit Grauen abwenden. Den Amerikanern wird hingegen bei Rohmilchkäsen flau im Magen.
Während des EU-Beitritts sowie der EU-Erweiterung wurden ähnliche Befürchtungen laut. Die Empirie zeigt, dass es in keinem der beiden Fälle zum Verfall heimischer Standards gekommen ist. Ein Absenken der Standards entspricht auch nicht der Vorstellung der EU-Kommission. Kommissarin Cecilia Malmström hat mehrmals zu Protokoll gegeben, dass dies nicht geschehen wird.[11] Genveränderte Lebensmittel, Chlorhühner oder Fracking wird es in Europa nur dann geben, wenn dies von den europäischen Politikern gewollt und in den Parlamenten so entschieden wird.
Gerade Länder wie Österreich leben aber von der Qualität ihrer Produkte, die durch hohe Standards garantiert werden. Kein österreichisches Unternehmen könnte auf dem internationalen Markt allein auf der Grundlage niedriger Preise konkurrieren. Weder die Empirie noch die Interessen in Europa geben also Anlass zur Vermutung, dass heimische Standards gesenkt werden sollen.
Auch dieser Vorwurf ist immer wieder von globalisierungskritischen Gruppen zu hören. Ihr Argument: Nur sehr wenige kleine und mittlere Unternehmen (KMU) exportieren überhaupt in die USA – also brauchen sie auch kein Freihandelsabkommen. Diese Meinung teilen nicht alle. Fritz Breuss, Leiter des Forschungsschwerpunks „Internationale Wirtschaft“[12] am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), schrieb in einem Kommentar in der Tageszeitung „Der Standard“ im Mai 2016: „Gerade die KMUs in Österreich dürften die Hauptnutznießer von TTIP sein, während die großen Firmen sich auch ohne Abkommen gegen Handelshürden zu helfen wissen. Aber manche in Österreich wollen sich lieber vom Ausland abschotten und auf neuen Wohlstand verzichten.“
Insgesamt gibt es in Österreich etwa 50.000 exportierende Unternehmen. KMUs verkaufen die Hälfte des gesamten exportierten Warenwerts. Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, erklärte im Mai 2016[13], dass Siemens und andere große deutsche Unternehmen TTIP nicht brauchen, „weil wir ohnehin starke lokale Wertschöpfung in den USA haben“. Großkonzerne, die den US-amerikanischen Markt beliefern, haben in der Regel eine zweite Produktionslinie vor Ort. Doppelten Prüfverfahren müssen sie sich nicht unterziehen, sie produzieren einfach in Österreich nach EU-Normen und in den USA nach US-Standards. Österreichische KMU können sich diesen Luxus hingegen nicht leisten. Sie verfügen nur über eine Produktionslinie und müssen diese jedes Mal teuer umrüsten, wenn sie für US-Kunden produzieren wollen. Wenn für ein Produkt in den USA ein anderes Prüfverfahren vorgesehen ist als in der EU, müssen die KMU beide Verfahren durchlaufen, um beide Märkte bedienen zu können. Genau das macht die Erschließung des US-Markts für kleinere EU-Unternehmen so teuer – zusammen mit Kosten für den Transport und mögliche Zölle lohnt sich der Sprung über den Atlantik vielfach nicht.
Der EU-Beitritt Österreichs hat gezeigt, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen von einheitlichen Standards und der Akzeptanz österreichischer Normen in der EU profitieren. Denn eine Belieferung der EU-Mitgliedsländer ist damit kostengünstiger geworden. Die Zahl der exportierenden Unternehmen ist im Zuge der EU-Integration Österreichs seit 1994 von 8.000 auf rund 50.000 Unternehmen angestiegen. Wenn also nur wenige KMU in die USA exportieren, dann vor allem deshalb, weil es für viele von ihnen bis dato zu aufwendig und zu teuer ist. Das ist aber kein schlüssiges Argument gegen TTIP, sondern spricht für ein Freihandelsabkommen mit den USA und ein erhebliches Potenzial für Österreichs KMUs.
Die mangelnde Transparenz in den Verhandlungen ist ein zentraler Kritikpunkt an TTIP – nicht ganz zu Unrecht. Allerdings ist mangelnde Transparenz ein generelles Problem in der Politik und kein TTIP-Spezifikum. Die meisten Gesetzesvorhaben in Österreich lassen die geforderte Transparenz noch deutlich stärker vermissen, ohne dass dies medienwirksam beklagt würde. Es ist daher erstrebenswert, eine breite Transparenz der Entscheidungsfindung in Österreich zu erreichen, aber nicht selektiv nur auf TTIP bezogen. Begrüßenswert wäre es aber auch, wenn der informierte Bürger Gebrauch von den bereitgestellten Informationen machte.
Eine einseitige Offenheit seitens der EU könnte aber auch ein Verhandlungsnachteil sein. Ein Pokerspieler, der seine Karten offenlegt, ist kein guter Pokerspieler. Auch in der großen Koalition laufen die Regierungsverhandlungen so ab. Die Forderung nach mehr Transparenz in den Verhandlungen mit den USA ist deshalb ein zweischneidiges Schwert. Fehlende Offenheit führt auf der anderen Seite allerdings zu einem Vertrauensverlust in die Verhandler und macht es schwieriger, unberechtigte Kritik zu entkräften. Die Kritiker des Abkommens haben diese Schwäche der Verhandler erkannt und erfolgreich genutzt. Sie haben es geschafft, den Österreichern zu suggerieren, dass eine Geheimhaltung zwangsläufig mit Nachteilen für die Bürger einhergehen muss. Die Lobbyisten von Großkonzernen würden hinter verschlossenen Türen erfolgreich gegen die Interessen der Konsumenten mauscheln. Die Kommission hat nach heftigem Widerstand von Anti-TTIP-Aktivisten auch mehr Offenheit zugelassen, was aber nichts am Widerstand gegen das Abkommen geändert hat.
Eine Auswertung des WIFO (2015)[14] zeigt zudem, dass die Ablehnung von TTIP besonders dort hoch ist, wo es an Vertrauen in die Politik fehlt. Wer hingegen Unternehmen vertraut, ist in der Regel auch eher für TTIP zu gewinnen. Die Politik selbst ist offensichtlich nicht in der Lage, auch unpopuläre Meinungen zu vertreten und setzt sich, wenn überhaupt, nur zaghaft für das Abkommen ein.
Vieles von dem, was von den Gegnern des Abkommens kritisiert wird, hat nicht unmittelbar etwas mit TTIP zu tun. Fragen zu Umwelt-, Lebensmittel- und Arbeitsstandards liegen im Kompetenzbereich der nationalen oder europäischen Parlamente – und TTIP erklärt explizit, dass das Regulierungsrecht dort auch weiterhin bleiben soll. Ob wir in Österreich also Fracking oder genmanipulierte Lebensmittel zulassen, hängt nicht vom Vertragstext des transatlantischen Freihandelsabkommens ab, sondern einzig von der Entscheidung unserer Politiker. Dennoch werden diese Themen von TTIP-Gegnern immer wieder als Argumente in Spiel gebracht, um durch öffentlichen Druck einen vorzeitigen Vertragsabbruch zu forcieren.
Es geht weniger um konstruktive, inhaltliche Kritik, sondern darum, ganz grundsätzlich ein Abkommen zwischen der EU und den USA zu verhindern – unabhängig von dessen konkreter Ausgestaltung. Die Rufe nach einem Vertragsabbruch werden auch deshalb immer lauter, weil das Verhandlungsende naht – und sich beim finalen, ausverhandelten Text viele proklamierte Gefahren als nicht haltbar herausstellen werden. Wenn jeder Bürger überprüfen kann, was vereinbart wurde und was nicht, wird es für TTIP-Gegner schwieriger werden, ihre Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten.
Fußnoten
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
Schwerpunkt 1: Mehr Wachstum braucht das Land! Wirtschaftswachstum ist in Österreich zu einem Fremdwort geworden. Nicht nur in der Statistik und in den Prognosen der Institute ist es inzwischen weitgehend der Stagnation gewichen. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien kommt es kaum noch vor. Man sollte ja erwarten, dass ein Land, dessen reales Br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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