In den Augen seiner Befürworter bietet TTIP eine Reihe von Chancen auf Wachstum und damit auf steigende Lebensqualität. Das gilt sowohl für die USA als auch für die EU.
Alle belastbaren ökonomischen Studien zu TTIP zeigen auch positive Effekte eines Abkommens für die Wirtschaft. Allerdings gehen die Schätzungen je nach eingesetztem Rechenmodell und je nach Annahmen über die tatsächliche Ausgestaltung des Abkommens auseinander. Von kaum messbaren Wachstumszugewinnen bis zu einer recht beeindruckenden potenziellen Steigerung der Wertschöpfung ist so gut wie alles dabei. Das Münchner ifo-Institut verweist darauf, dass die bisherigen Berechnungen nicht alle positiven Auswirkungen abbilden und die bisherigen Ergebnisse bezüglich des Wachstums als Untergrenze zu verstehen sind.[1] Nicht vergessen sollte man aber auch, dass mit anhaltender Dauer des Abkommens selbst geringe und zeitlich begrenzte Wachstumsraten zu einem erheblichen Wohlstandsgewinn führen würden. Für die gesamte EU liegen die Prognosen für die nächsten zehn bis zwölf Jahre bei einem zusätzlichen Wachstum von 0,5 bis zu einem Potenzial von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – nicht jedes Jahr, sondern kumuliert. Diese Schätzungen unterliegen natürlich noch unsicheren Annahmen, sie müssten gegebenenfalls an das tatsächlich ausverhandelte Abkommen angepasst werden. Neben den Studien im Auftrag der EU-Kommission bewerten aber auch die großen österreichischen Forschungsinstitutionen ein Abkommen positiv für die Wirtschaft. So kommt beispielsweise das Institut für Höhere Studien zum Schluss, dass „für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich (…) eine weitreichende Liberalisierung des Welthandels durch Freihandelsabkommen mit strategischen Partnern der EU unverzichtbar und zu forcieren“ sei, und dies „in besonderem Maße auf die Handelsabkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA)“ zuträfe.[2]
Für Österreich erwartet das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung, dass die langfristig realisierbare BIP-Zunahme zwischen 1,7 und 2,7 Prozent liegt.[3] In der neuesten Studie im Auftrag der EU-Kommission[4] zählt das TTIP-kritische Österreich zu den größten Gewinnern des Abkommens, so es je abgeschlossen werden sollte.
Wenngleich von positiven Effekten für die Wirtschaft ausgegangen werden darf, wird TTIP die Wachstumsschwäche der österreichischen Wirtschaft nicht beseitigen können. Nicht jedem wird TTIP direkt und unmittelbar nutzen. Auch wenn eine Handelsöffnung in Summe mehr Gewinne als Verluste schafft, so werden dennoch die Karten neu gemischt. Einige Unternehmen und Sektoren werden vom neuen Markt profitieren. Anderen wird die höhere internationale Konkurrenz zu schaffen machen. Es wird, wie immer, Gewinner und Verlierer geben. Welche Branchen und Unternehmen zu welcher Gruppe zählen werden, ist erst zu sagen, wenn klar ist, wie das Endergebnis der Verhandlungen aussieht. Tendenziell war es bei vielen Handelsabkommen in der Vergangenheit so, dass nicht ganze Sektoren zu den Verlierern zählten, vielmehr gerieten weniger effiziente Unternehmen unter Druck.
Aber: Abkommen wie TTIP wirken eher wie Katalysatoren, die ohnehin unumgängliche strukturelle Veränderungen nur beschleunigen, aber nicht auslösen oder verhindern. Auch ohne TTIP werden Unternehmen und Sektoren, die nicht wettbewerbsfähig sind, irgendwann in Schwierigkeiten geraten. Deshalb wäre es wichtig, diesen Betrieben so früh wie möglich eine Perspektive zu bieten – durch die Erleichterung der Betriebsauflösung und die Requalifizierung in anderen, zukunftsträchtigeren Sektoren sowie generell durch ein leistungsfähiges, leistungsorientiertes Bildungssystem und die Verbesserung des Wirtschaftsstandorts. Dass das keine naive Hoffnung ist, zeigt das Beispiel Deutschland.[5] Dort begünstigte eine Erschließung neuer Märkte im Ausland die Umsetzung einer Reihe notwendiger Reformen im Inland. Auch Österreich hat in den vergangenen 20 Jahren den Großteil seines Zugewinns an Wohlstand jenseits der Staatsgrenzen realisiert.
Abseits der direkten ökonomischen Effekte bietet ein Freihandelsabkommen aber vor allem die Möglichkeit, die weitere globale Entwicklung aktiv zu gestalten – also selbst am Steuer zu sitzen, anstatt nur Beifahrer zu sein. Fakt ist, dass die Macht des Westens schwindet. Angesichts der zukünftigen weltweiten Entwicklung wird es schwieriger werden, unsere eigenen Standards halten und verteidigen zu können. 1980 fand noch mehr als die Hälfte (kaufkraftbereinigt) der weltweiten Produktion in den USA und der EU statt. Um die Jahrtausendwende fiel dieser Wert unter 50 Prozent. Im Jahr 2013 wurde nur noch jeder dritte Euro in Europa und den USA erwirtschaftet. Ein Abkommen zwischen der EU und den USA, also den beiden größten Wirtschaftsblöcken der Welt, bietet uns heute vielleicht letztmalig die Gelegenheit, Errungenschaften sowie hohe Arbeits- und Produktionsstandards als globale Normen zu etablieren und eine Vorbildfunktion einzunehmen.
Durch die weltweite Finanzkrise seit 2008 hat die Entwicklung der internationalen Handelsströme einen erheblichen Dämpfer erfahren. Eine Folge der krisenbedingten Verunsicherung ist ein zunehmend protektionistisches Verhalten in den Ländern. Die inländische Wirtschaft soll wieder um jeden Preis gegen ausländische Konkurrenz geschützt werden. Damit schaden wir nicht nur dem weltweiten Wachstum, sondern erhöhen auch das Konfliktpotential zwischen den Ländern.
Europa steht gewissermaßen am Scheideweg. Es muss sich entscheiden, ob es mit TTIP und allen folgenden zukünftigen Abkommen die globale Entwicklung aktiv mitgestalten, am Fortschritt teilhaben und international eine wichtige Rolle auf gesellschaftlicher wie wirtschaftlicher Ebene spielen will – oder ob Europa seine Spitzenposition aufgeben, sich abschotten und dem Stillstand hingeben möchte. Die USA haben mit dem Transpazifischen Abkommen (TPP) bereits eine Brücke nach Asien geschlagen. Die Welt dreht sich weiter – mit, aber auch ohne Europa.
Fußnoten
Die Staatsschulden sind rasant gestiegen, das Defizit wächst. Österreich muss rasch Maßnahmen setzen, um das Budget zu sanieren. Aber wie soll das gehen, ohne die Wirtschaftskrise zu verschärfen? Die Agenda Austria hat ein Konzept erarbeitet, mit dem der Staat schon im kommenden Jahr knapp 11 Milliarden Euro einsparen kann. Bis zum Ende des Jah
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
Schwerpunkt 1: Mehr Wachstum braucht das Land! Wirtschaftswachstum ist in Österreich zu einem Fremdwort geworden. Nicht nur in der Statistik und in den Prognosen der Institute ist es inzwischen weitgehend der Stagnation gewichen. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien kommt es kaum noch vor. Man sollte ja erwarten, dass ein Land, dessen reales Br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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