Die Inflation hält sich in Österreich hartnäckig. Und schuld daran seien in erster Linie Unternehmer, die (zu) hohe Preise verlangten. Dieser Vorwurf kommt immer wieder und er hat inzwischen sogar einen passenden Begriff: „Gierflation“. Klingt nach einer praktischen, einfachen Erklärung. Das Problem: Die Daten sprechen eine andere Sprache.
Sogar die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZBDie Europäische Zentralbank (EZB; englisch European Central Bank, ECB; französisch Banque centrale européenne, BCE) mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein Organ der Europäischen Union. Sie ist die 1998 gegründete gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion und bildet mit den nationalen Zentralbanken (NZB) der EU-Staaten das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).), Christine Lagarde, schloss sich jüngst den Stimmen an, die über die sogenannte „Gierflation“ klagen. Die Unternehmen hätten „den Vorteil genutzt, die höheren Kosten völlig auf die Kunden abzuwälzen“, so Lagarde. „Und einige von ihnen haben die Preise über den bloßen Kostendruck hinaus erhöht.“ Nun mag der Mensch dazu neigen, nur seinen eigenen Vorteil zu sehen. Doch wie plausibel ist es, dass Unternehmen auf der ganzen Welt zur gleichen Zeit auf die Idee gekommen sind, mit steigenden Preisen ihre Gewinnmargen zu erhöhen? Warum hatten sie diese Idee nicht früher? Sind sie plötzlich noch gieriger geworden? Oder ist es vielleicht doch so, dass die boomende Nachfrage der letzten Jahre und das hinterherhinkende Angebot die Unternehmen einfach in die Lage versetzt haben, höhere Preise am Markt unterzubringen?
Im Wortsinn würde Gierflation bedeuten, dass Unternehmen ihre Preise bösartig und aus reiner Gewinnsucht so deutlich anheben, dass dies den Hauptgrund für die derzeit hohen Inflationsraten darstellt. Dieser Vorwurf enthält eine starke moralische Komponente. Daher treten selbst die größten Proponenten der Gierflationsthese deutlich verhaltener auf und verwenden stattdessen den Ausdruck „sellers’ inflation“. Ihre Argumentation setzt auf der Mikroebene an und versucht über das Verhalten von Unternehmen das zu erklären, was wir dann auf der Makroebene in Form von steigenden Preisen beobachten. Diese Kritiker gehen davon aus, dass viele Unternehmen im Aufschwung nach Corona die Preise kräftig erhöhen konnten – zum Beispiel Energieunternehmen, Reedereien usw. Die Unternehmen weiter unten in der Wertschöpfungskette erhöhten dann ebenfalls die Preise.
Und hier wird es nun spannend: Erhöhten sie die Preise stärker, als es aufgrund der gestiegenen Kosten „nötig“ gewesen wäre? Aus Sicht der Gierflationstheoretiker macht es dabei nicht einmal einen Unterschied, ob Unternehmen ihre Gewinnmargen angehoben oder sie nur verteidigt haben; rechnerisch können die absoluten Gewinne sogar bei sinkenden Gewinnmargen steigen. Die Inflation soll also in die Welt gekommen sein, weil die Unternehmen es so wollten. Mit anderen Worten: Hätten sie einfach auf Extra-Gewinne verzichtet, indem sie eine Art umgekehrtes Kartell bilden (d.h., sich absprechen, die Preise nicht zu erhöhen), dann hätte es auch keine Inflation gegeben. Haben sie aber nicht. Ergo: Die Inflation ist gewinngetrieben.
Doch machen wir einen Schritt zurück und rufen uns die Hintergründe der aktuellen Inflationskrise kurz in Erinnerung, um dann zu prüfen, wie die Gierflationsidee dazu passt: Jahrelang hat die EZBDie Europäische Zentralbank (EZB; englisch European Central Bank, ECB; französisch Banque centrale européenne, BCE) mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein Organ der Europäischen Union. Sie ist die 1998 gegründete gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion und bildet mit den nationalen Zentralbanken (NZB) der EU-Staaten das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). den Markt mit Geld geflutet und damit die Geldmenge aufgebläht. Im Zuge der Corona-Krise kam es dann zu zahlreichen angebotsseitigen Einschränkungen. Bei einer gleichzeitig hohen Nachfrage führte das zu steigenden Preisen. Zugleich lief die Erholung von den Corona-Schocks des Jahres 2020 schneller als erwartet. Dadurch begannen die Energiepreise nach oben zu klettern. Der Ukrainekrieg heizte diese Situation noch weiter an. Die so deutlich und sehr schnell gestiegenen Energiekosten wurden jetzt Zug um Zug an die Kunden weitergegeben. Rasch war dann die Regierung mit Hilfen zur Stelle, um die Haushalte großflächig zu entlasten. Auch die Unternehmen begannen, ihre gestiegenen Kosten für Vorprodukte (wie eben Energie) an die Kunden weiterzureichen, wodurch sich die Inflation zu verfestigen begann.
Die Teuerung hätte sich allerdings nicht in diesem Ausmaß verfestigt, wenn der Staat nicht so umfassend mit Antiteuerungshilfen um sich geworfen hätte. So ist es wenig verwunderlich, dass Österreich eine der höchsten Inflationsraten in der ganzen Eurozone vorzuweisen hat. Allein 2022 pumpte der österreichische Staat 6,8 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf (siehe Abb. 1). Dadurch wurde der nominale Privatkonsum deutlich befeuert; selbst bei einer Korrektur um die gestiegenen Preise und saisonale Effekte zeigt sich ein kaum gesunkenes Konsumniveau. Auch Nachholeffekte infolge des zurückgegangenen Konsums während der Coronakrise spielten hier eine Rolle. Im ersten Quartal 2023 zog die Kauflaune sogar wieder leicht an (siehe Abb. 2). Die Menschen können (und wollen) sich also die gestiegenen Preise weiterhin leisten – nicht zuletzt dank der staatlichen Antiteuerungshilfen.
Abbildung 1: Staatliche Hilfspakete
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