Die Mieten steigen, Wohnen wird teurer. Kein Wunder, dass die Rufe nach einer Obergrenze für Mieten lauter werden. Da bei zählt Österreichs Mietmarkt schon zu den am stärksten regulierten – vor allem in Ballungszentren.
Viele Regelungen stammen aus dem Jahr 1917, als Kriegsrecht herrschte und Witwen vor rasant steigenden Mieten zu schützen waren. Sind Preisbremsen heute die richtige Antwort? Nein. Steigende Mieten sind nur über ein höheres Angebot zu bekämpfen. Auch nützen Mietpreisbremsen nur den Besserverdienern.
In Österreich wohnt man zur Miete – rund 40 Prozent der Bevölkerung leben nicht in den eigenen vier Wänden. Nur in zwei europäischen Ländern ist der Anteil der Mieter noch höher: in Deutschland und in der Schweiz. Das ist übrigens auch einer der Gründe dafür, dass die Vermögen hierzulande besonders ungleich verteilt sind: es gibt zu wenig Eigentümer – was nicht zuletzt daran liegt, dass der Staat in den vergangenen Jahrzehnten über Regulierungen und den öffentlichen Wohnbau für niedrige Mieten gesorgt hat. Aus Sicht vieler Bürger war es rational, günstig zur Miete zu wohnen, statt sich selbst Eigentum anzuschaffen. Das gilt insbesondere für die großen Ballungszentren. Allein in Wien leben nahezu 80 Prozent aller Haushalte zur Miete. Heute ist es vielen Menschen angesichts der stark gestiegenen Steuern- und Abgabenbelastung nicht mehr möglich, Vermögen aufzubauen.
Weshalb Österreichs Bürger von den steigenden Mieten hart getroffen werden. Allein in den vergangenen vier Jahren sind die Mieten doppelt so stark gestiegen wie das allgemeine Preisniveau. Auffallend ist, dass die Preise im sozialen Wohnbau ähnlich stark zugelegt haben wie im privaten Bereich. Ebenso bemerkenswert ist, dass selbst in Gemeindebauten die Betriebskosten deutlich kräftiger steigen als das allgemeine Preisniveau.
Was aber treibt die Preise? Es ist die starke Nachfrage. Ausgelöst durch das erhebliche Bevölkerungswachstum einerseits und die wachsenden Ansprüche in puncto Ausstattung und Wohnfläche andererseits: Immer mehr kleine Haushalte fragen immer mehr Wohnraum nach.
Besonders hoch ist die Nachfrage in den Ballungszentren, insbesondere in Wien. Zwischen 2008 und 2014 ist die Bevölkerung um mehr als 100.000 Menschen gewachsen, bis 2020 wird sich die Stadt noch einmal um dieselbe Zahl auf fast 2 Millionen Einwohner vergrößern, die Flüchtlingssituation nicht eingerechnet. Während vor allem in den Ballungszentren große Nachfrage herrscht, hat sich die Lage in den Bundesländern beruhigt. Nach einem deutlichen Anstieg zwischen 2004 und 2008 liegen die Mieten „auf dem Land“ auf konstantem Niveau.
Überall dort, wo die Nachfrage schneller wächst als das Angebot, steigen die Preise. Jedenfalls dort, wo sie das auch können. Bestehende Mietverträge können höchstens mit der Inflationsrate mitwachsen, sie sind also vor Preissprüngen geschützt. In Deutschland können selbst bestehende Verträge schrittweise an das Marktniveau herangeführt werden – nicht so in Österreich. Aber auch für Neuverträge gilt ein starker Preisschutz: Nur ein Viertel aller Mietverträge ist frei verhandelbar, für drei von vier Mietverhältnissen gibt es Preisobergrenzen, in Wien sind es sieben von acht. Das betrifft Mieten in Gemeinde- bzw. gemeinnützigen Bauten sowie die durch das Mietrechtsgesetz streng regulierten Vermietungen in Privatwohnungen.
Was aber lässt sich gegen die starken Preisschübe tun? Wie sind vor allem junge Menschen, die von zu Hause ausziehen und noch wenig verdienen, vor hohen Mieten zu schützen? Nicht zuletzt junge Familien, die jede Menge Platz brauchen? Aus Sicht der Arbeiterkammer ist die Lösung denkbar einfach: Mit einer noch strengeren Regulierung durch den Gesetzgeber. Mietpreisbremsen und ein Verbot zeitlicher Befristungen von Mietverträgen sollen das Wohnen wieder leistbar machen.
Aber warum noch mehr Regulierung, wenn schon die aktuelle nicht greift? Jene Mieten, die dem Richtwertgesetz und damit einer gesetzlichen Obergrenze unterliegen, sind in den letzten Jahren in Wien sogar noch stärker gestiegen als die Preise am freien Markt:
Kaum ein Land reguliert seinen Mietmarkt derart streng wie Österreich. Aus Sicht der OECD finden Vermieter nur in fünf Ländern schlechtere Bedingungen vor als in Österreich. Mieter wiederum sind über unterschiedlichste Preisbremsen geschützt, etwa durch den Kategoriemietzins oder durch die Richtwertmieten.
Der Kategoriemietzins legt die Miethöhe je nach Qualität der Wohnung fest – in Wohnungen der Kategorie D fehlen WC und Wasserentnahmestelle im Inneren, sie dürfen seit 2014 maximal 1,71 Euro pro Quadratmeter kosten. Eine Wohnung der Kategorie B hingegen muss neben WC und Badegelegenheit auch über eine Küche oder Kochnische verfügen und bringt monatlich höchstens 2,57 Euro pro Quadratmeter ein. Der Großteil aller Wohnungen fällt mittlerweile unter die Kategorie A; diese Wohnungen sind mindestens 30 Quadratmeter groß und dürfen pro Quadratmeter höchstens 3,43 Euro kosten. Richtwertmieten wiederum unterliegen verbindlichen Höchstwerten, die mit gesetzlich festgelegten Lagezuschlägen und Aufschlägen für Qualität und Ausstattung kombiniert werden. Insgesamt fällt auf, dass das österreichische Mietrecht aufgrund vieler Ausnahmen und Sonderregelungen zu einer kleinen Wissenschaft geworden ist und so zu vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten führt.
Zudem können in Österreich günstige Altmietverträge über Generationen hinweg an Familienmitglieder weitergegeben werden. Die alten Mietpreise gelten grundsätzlich weiter, eine Anpassung an den aktuellen Marktwert ist nicht möglich. Das wiederum führt zu zusätzlichen Problemen für Neumieter, die wesentlich höhere Mieten bezahlen müssen, um die Vermietung für den Eigentümer attraktiv zu machen und die geringeren Einnahmen aus Altmietverträgen zu kompensieren. Die Miete bei Altverträgen (länger als 30 Jahre) liegt im Schnitt bei 3,0 Euro netto pro Quadratmeter und liegt damit bei der Hälfte eines neu abgeschlossenen Mietverhältnisses. So kommt es, dass selbst in besten Wiener Lagen der Mietzins nicht selten niedriger ist als die Betriebskosten. Zinshäuser mit vielen Altmietern erkennt man an der heruntergekommenen Fassade, die sich aus den zu versteuernden Einnahmen oft nicht kostendeckend reparieren lässt.
Die Kosten für Investitionen in die Wohnung können in Österreich nur schwer an die Mieter weitergegeben werden: Eine Erhöhung des regulierten Hauptmietzinses ist nur über ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle möglich. Die Inflationsanpassung der Miete erfolgt für Richtwertmieten alle zwei Jahre, und für Kategoriemieten immer dann, wenn der Verbraucherpreisindex um mehr als fünf Prozent gestiegen ist.
Kurzfristig sind solche Regulierungen vorteilhaft für die Mieter, weil damit niedrigere Mieten zu bezahlen sind als am freien Markt. Langfristig jedoch überwiegen die Nachteile sowohl für Mieter als auch für Vermieter. Die Vermieter erleiden einen Einkommensverlust, der sich auch auf die Rücklagen zugunsten der Instandhaltung ihrer Immobilie auswirkt. Ohne die Aussicht auf höhere Mietzahlungen in der Zukunft fehlt der Anreiz, in den Erhalt oder die Qualität des vermieteten Wohnraums zu investieren.
Zudem schützen Mietpreisobergrenzen nicht zuletzt die Besserverdiener. Werden die Mieten für Altbauten in guten Wiener Lagen begrenzt, steigt die Nachfrage sprunghaft an. Die Mieten werden auch für die Bezieher niedriger Einkommen scheinbar leistbar – der Vermieter wird sich aber für die Besserverdiener unter den Bewerbern entscheiden, weil damit das Risiko des Zahlungsausfalls minimiert wird. Entscheidend ist letzten Endes der höhere Lohnzettel. Hinzu kommt, dass in allen Märkten, in denen Preisobergrenzen eingezogen werden, Schwarzzahlungen angeboten werden, um die gewünschte Wohnung auch tatsächlich zu bekommen.
Der größte Nachteil entsteht allerdings durch den sinkenden Anreiz, Wohnraum überhaupt zur Verfügung zu stellen. Mit der Politik des billigen Geldes wurden Staatsanleihen plötzlich unattraktiv, jede Menge Geld wurde in „sicheren“ Immobilien veranlagt (sogenanntes „Betongold“). Dadurch stiegen die Preise enorm an – gleichzeitig aber sind die Renditen der Immobilien gesunken, weil die Mieten durch die strenge Regulierung nicht mitwachsen können. Viele Immobilienentwickler haben sich nach Deutschland verabschiedet oder bauen hierzulande nur noch Eigentumswohnungen.
Ungeachtet dessen ist für viele Österreicher klar: Gegen steigende Preise hilft nur deren Begrenzung. Auch wenn Preisbremsen noch in keinem Markt funktioniert haben. Weder bei Brot, noch bei Treibstoffen und auch nicht bei Wohnungen. Mietobergrenzen taugen zum politischen Aktionismus, weil sie schnell umgesetzt werden und ungewollte Preissteigerungen kurzfristig unterbinden können. Langfristig dämpfen sie das Angebot, womit die zu bekämpfenden Folgen verschärft werden. In Frankreich und Großbritannien können die langfristigen Folgen einer Mietpreisbremse bereits beobachtet werden. Investitionen in Mietobjekte sind in beiden Ländern drastisch zurückgegangen, die Qualität der Mietwohnungen hat sich verschlechtert und in beiden Ländern nimmt der Anteil an Eigen- tumswohnungen zu.[1]
Das ist auch nicht weiter überraschend. Preise haben auf dem Markt eine Signalwirkung. Sie liefern die wichtige Information, ob ein Gut knapp wird oder im Überfluss vorhanden ist. Eingriffe in die Preisbildung des Markts setzen diese Signalwirkung außer Kraft. Gerade am Wohnungsmarkt dauert es ohnehin sehr lange, bis auf Preissignale reagiert und das Angebot an die veränderten Bedürfnisse angepasst werden kann. Insbesondere der Bau von Wohnungen und Häusern braucht seine Zeit. Werden die Preissignale eliminiert, wird das Angebot aber nicht auf die gestiegene Nachfrage reagieren – eine weitere Wohnraumknappheit wäre die Folge.
Gerade deshalb lehnen Ökonomen Mietobergrenzen größtenteils ab. Weil sie sehen, dass die negativen Effekte überwiegen.[2]
Nun könnte Österreich natürlich dazu übergehen, die letzten Regulierungslücken in einem ohnehin schon weltrekordverdächtig regulierten Wohnungsmarkt zu schließen und sich davon Besserung zu erwarten. Die Aussichten auf Erfolg sind aber gering. Wären Preisobergrenzen das Heilmittel, müssten sich gerade Österreichs Mieter nicht über steigenden Kosten beklagen.
Leistbares Wohnen für alle ist nur über ein schneller wachsendes Angebot zu erhöhen. Wir müssen also mehr bauen. Darin sind sich auch alle einig – gestritten wird darüber, wer denn bauen soll: der Staat oder der private Sektor? Angesichts historisch niedriger Zinsen könnte das natürlich die öffentliche Hand erledigen. Allerdings sind die öffentlichen Haushalte bereits schwer verschuldet, allein in Wien hat sich der Schuldenstand seit 2009 fast verdreifacht.
Nicht zuletzt deshalb spricht sehr viel dafür, dass der Staat das private Kapital arbeiten lassen sollte. Investoren werden aber nur dann auf die Wohnraumknappheit reagieren, wenn sie davon ausgehen dürfen, dass sie getätigte Investitionen wieder zurückverdienen können. Dazu gehören angemessene Mieteinnahmen und vor allem ein langfristig stabiles gesetzliches Umfeld. Ständig neue Eingriffe in gesetzliche Rahmenbedingungen führen zu Unsicherheit aufseiten der Vermieter und Investoren und damit zu einem Rückgang des Angebots. Strenge Eingriffe sind für die Politik verlockend – aber gerade in Zeiten stark steigender Nachfrage verschärfen sie die Wohnraumknappheit.
Stattdessen sollte man den Schutz von Eigentum stärken. Ähnlich wie in Deutschland könnte man ein Vergleichsmietensystem einführen, um bei bestehenden Verträgen eine schrittweise, angemessene Anpassung an gebietsübliche Marktmieten durchzusetzen. Umschlag und Effizienz auf dem Wohnungsmarkt könnten so deutlich erhöht werden. Auch die Zweiteilung des österreichischen Wohnmarkts – hier die privilegierten Altmietverträge, dort die teuren Neuvermietungen – wäre endlich Geschichte. Dass über Generationen hinweg alte Mietverträge innerhalb der Familie weitergegeben werden, passt nicht mehr zu den Anforderungen unserer Zeit. Sinn der Regelungen zur Abtretung von Mietverträgen an die engste Verwandtschaft war immer der soziale Aspekt eines Bestandsschutzes für bedürftige Familienmitglieder. Sie führt heute aber dazu, dass Menschen mit einem Einkommen aus dem Jahr 2016 Mieten bezahlen wie anno 1950 – auf Kosten des Wohnungseigentümers. Familienmitgliedern könnte weiterhin ein Eintrittsrecht gewährt werden – aber nur zu Marktpreisen.
Zudem sollten alle Verträge mit einer angemessenen Frist aufgelöst werden können, z. B. Mietverträge, die schon länger bestehen, mit entsprechend langen Kündigungsfristen von bis zu zehn Jahren. Kein Vermieter hat Interesse an unzufriedenen Mietern und oft wechselnden Vertragspartnern. Aber kein Vermieter wird dauerhaft Wohnraum zur Verfügung stellen, wenn Verträge nur vonseiten der Mieter aufgelöst werden können.
Um soziale Verwerfungen zu vermeiden, sollte Österreich die Wohnbauförderung radikal umstellen. Nicht die Gebäude sollen subventioniert werden, sondern die bedürftigen Mieter, die sich den Mietzins nicht leisten können. Die Subjektförderung sollte ausgebaut, die Objektförderung zurückgefahren werden. Damit wäre sichergestellt, dass nur jene Mieter gefördert werden, die auch förderwürdig sind – und nicht auch jene, die sich höhere Mieten leisten könnten, aber die großen Profiteure der strengen Regulierung sind.
Und zu guter Letzt sollte die öffentliche Hand den Aufbau von Wohnungseigentum fördern, statt den Menschen günstige Mieten auf Kosten Dritter zu bieten. Das beginnt mit niedrigeren Steuern und Abgaben auf das Arbeitseinkommen und endet beim Verkauf von öffentlichen Wohnungen an die Mieter. Um zu verhindern, dass Spekulanten zuschlagen, könnte etwa die Stadt Wien ihre Gemeindewohnungen nur jenen Mietern, die mindestens fünf bis zehn Jahre darin gewohnt haben, günstig zum Kauf anbieten. Damit hätten nicht nur Tausende Mieter die Möglichkeit, Eigentümer ihrer Wohnungen zu werden – auch die oft beklagte Ungleichverteilung bei den Vermögen würde sich schlagartig verbessern.
Aber das ist vermutlich genau das, was die Politik nicht will.
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Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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