2015 wurden in Österreich 88.151 Asylanträge gestellt. Die Zuwanderung von Menschen auf der Suche nach Schutz oder Wohlstand lässt viele Österreicher befürchten, dass die Aufnahme von Flüchtlingen den Sozialstaat finanziell überfordert.
Andere argumentieren, dass Migration auch ein Wirtschaftsfaktor sei. Sie erhoffen sich ein höheres Wirtschaftswachstum und meinen, dass der Zuzug vieler junger Menschen der Überalterung unserer Gesellschaft entgegenwirkt – die Flüchtlinge von heute bezahlen morgen unsere Pensionen.
Die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen erfolgt, ökonomisch betrachtet, in drei Phasen. Zunächst müssen sie aufgenommen und versorgt werden – die öffentliche Hand kommt für Unterbringung und finanzielle Unterstützung auf. In einem zweiten Schritt stellt der Staat Gelder für die Basis zur Integration bereit – beispielsweise für Sprachkurse. Erst in der dritten Phase stehen den Sozialleistungen des Staats die Arbeitsleistung und Abgaben von bereits integrierten Flüchtlingen gegenüber.
Das alles kostet eine Menge Geld. Während ihres Asylverfahrens, das (Stand Ende 2015) im Durchschnitt fünf Monate dauert, erhalten Flüchtlinge die sogenannte Grundversorgung. Die Kosten für diese schätzt das Finanzministerium auf etwa 900 Euro monatlich pro Flüchtling. Auf das Jahr 2016 gerechnet ergeben sich so Aufwendungen in Höhe von 350 Millionen Euro. Mit der Berechtigung auf Asyl bzw. subsidiären Schutz kommt dann die Mindestsicherung zum Tragen. Der Fiskalrat – ein Gremium, das die Politik in Fragen der Staatsschulden berät – schätzt diese etwas höher auf 800 Millionen Euro. Dazu kommen Ausgaben für Integration (wie Sprachförderung) und weitere direkte Kosten (Versorgung, Sicherheit). Insgesamt belaufen sich die staatlichen Ausgaben laut dem Fiskalrat auf etwa 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Der Internationale Währungsfonds IWF schätzt die Kosten für Österreich auf etwa 1,1 Milliarden Euro.
Es stimmt: Durch die staatlichen Mehrausgaben für Flüchtlinge erhöht sich auch die öffentliche Nachfrage – und damit die Wirtschaftsleistung. Der Fiskalrat geht von einem jährlichen Zusatzwachstum von bis zu 0,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus, der IWF rechnet mit einem zusätzlichen Plus in Höhe von 0,5 Prozent des BIPs.
Wahr ist aber auch: Diese Impulse wirken nur kurzfristig. Und sie müssen über Steuern oder Schulden – also die Steuern von morgen – finanziert werden. Dieser Aspekt ist für Österreich nicht ganz unerheblich. Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge lag die österreichische Schuldenquote im Jahr 2015 bei knapp 87 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zusätzliche Einnahmen durch noch höhere Steuern werden angesichts der Abgabenquote von mehr als 44 Prozent kaum mehr durchsetzbar sein.
Ob sich die Zuwanderung von Flüchtlingen auch langfristig positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt, hängt davon ab, wie gut ihre Integration gelingt. Nach einer ersten Grundversorgung müssen sie auf schnellstem und bestem Wege in den Arbeitsmarkt integriert werden. Eine nachhaltige Beschäftigung ist der Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft – und je besser der Job, desto besser die Wertschöpfung.
Entscheidend für eine erfolgreiche Integration sind verlässliche Daten zu Berufsqualifikation, Sprachkenntnissen, Ausbildungsstand und eine Vergleichbarkeit der Qualifikationsabschlüsse. Tendenziell ist davon auszugehen, dass eine bessere Qualifikation und geringere Sprachprobleme die Integration vereinfachen.
Der deutsche Ökonom Marcel Fratzscher bringt es auf den Punkt: „Ja, die Integration wird teuer und viele Jahre dauern. Die Erfahrung zeigt, dass in den ersten beiden Jahren wohl 90 Prozent aller anerkannten Flüchtlinge arbeitslos sein werden, und nach fünf Jahren könnten es noch 50 Prozent sein. Außerdem sind die Flüchtlinge im Schnitt nicht so produktiv wie deutsche Arbeitskräfte. In unseren Berechnungen gehen wir davon aus, dass sie nur zwei Drittel von dem eines deutschen Arbeitnehmers erwirtschaften.“[1]
Hierfür gibt es gute Gründe: Typischerweise sind Migranten im Einwanderungsland weniger produktiv – nicht nur wegen eventuell niedrigerer Bildungsabschlüsse. Auch fehlende Sprachkenntnisse sowie unterschiedliche kulturelle Werte und soziale Normen spielen eine Rolle.[2] Hinzu kommt, dass Migranten überproportional häufig eine niedrigqualifizierte und geringbezahlte Beschäftigung aufnehmen. Sie haben eine geringere Verhandlungsmacht als Einheimische, und ihr Reservationslohn – jenes Gehalt, ab dem ein Mensch bereit ist, einer Arbeit auf Kosten der Freizeit nachzugehen – ist niedriger.[3] Viele Studien zeigen, dass Migranten oft unter ihrem Qualifikationsniveau angestellt werden.[4] Diese Faktoren führen dazu, dass ihre Arbeitskraft nicht optimal genutzt wird. Prinzipiell entlasten gut qualifizierte Migranten das Sozialsystem und den Arbeitsmarkt. Die Qualifikationen der Flüchtlinge spiegeln aber einen Querschnitt aus der Heimat wider, während Migranten, die mit ihrer Ausbildung auf einen Job im Einwanderungsland hoffen und nicht vor Krieg oder Verfolgung flüchten, tendenziell besser qualifiziert sind. Wir sollen aber nicht erwarten, dass ein Flüchtling aus Syrien per se deutlich besser qualifiziert ist als ein Syrer, der nicht geflüchtet ist. Das zentrale Problem liegt darin, dass es keine verlässlichen Daten darüber gibt, welche Qualifikationen die Flüchtenden mitbringen. Es gibt nur stark voneinander abweichende Schätzungen und Stichproben.
Der Kompetenzcheck des Arbeitsmarktservice (AMS) kam im Jänner 2016 zu dem Befund, dass Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und dem Iran die höchsten Qualifikationen mitbringen. Etwa neun von zehn Iranern und zwei von drei Syrern verfügen entweder über Berufsausbildung, Matura oder ein Studium. Besonders schlecht qualifiziert sind Flüchtlinge aus Afghanistan. Das AMS selbst weist ausdrücklich darauf hin, dass dieses Ergebnis nicht repräsentativ ist.
Der deutsche Bildungsökonom Ludger Wößmann von der Ludwig-Maximilians-Universität gehörte einem Team an, das im Auftrag der OECD die Schulbildung in 81 Ländern miteinander verglichen hat. Die Ergebnisse zeigten, dass zwei Drittel der Schüler in Syrien nur sehr eingeschränkt lesen und schreiben sowie nur einfachste Rechenaufgaben lösen können. Was wiederum bedeuten würde, dass diese Schüler in Deutschland kaum dem Unterrichtsgeschehen folgen könnten – selbst wenn sie Deutsch gelernt haben. Vom Lernstoff hinken syrische Achtklässler laut Wößmann im Mittel fünf Schuljahre hinter gleichaltrigen deutschen Schülern hinterher.[5]
Ungeachtet der Frage, wie hoch das Bildungsniveau nun tatsächlich ist, verdienen Migranten im Schnitt 20 Prozent weniger als ähnlich qualifizierte Inländer. Selbst wenn Flüchtlinge eine ähnliche Qualifikationsstruktur hätten wie Österreicher, würden sie also weniger Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einzahlen. Zudem weisen Flüchtlinge niedrigere Beschäftigungsquoten auf als Einheimische – vor allem aufgrund der sehr niedrigen Beschäftigungszahlen für Frauen. Die formale Ausbildung im Herkunftsland hat sowohl für Arbeitsmigranten als auch für Flüchtlinge keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Aufnahmeland beschäftigt werden. Der deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt deshalb: „Selbst wenn man annimmt, dass diejenigen, die bei uns bleiben werden, den gleichen Bildungshintergrund und die gleichen Sprachkenntnisse haben wie die Migranten der Vergangenheit, dauert es mehr als zehn Jahre, bis diese Zuwanderer eine ähnliche Beschäftigungsquote erreicht haben wie die einheimische Bevölkerung.“[6] Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen werden sich also in Grenzen halten. Erst wenn nach fünf Jahren Integration die Mehrheit der Migranten (57 Prozent) eine Beschäftigung gefunden hat, wirkt sich ihre Zuwanderung positiv auf den Staatshaushalt aus. Die Gesamtkosten für Betreuung und Mindestsicherung in den Jahren zuvor werden nach sieben bis 15 Jahren Vollzeitarbeit ausgeglichen sein. Im Alter werden mit der Pensionierung aber wieder Ansprüche an den Sozialstaat entstehen, womit die Chancen auf eine ausgeglichene Gesamtbilanz nicht allzu hoch stehen.
Unbestritten ist, dass der österreichische Staat jährlich etwa 24 Milliarden Euro ins Pensionssystem zuschießen muss. Davon entfällt je etwa die Hälfte auf Leistungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) sowie auf Beamtenpensionen.
Nehmen wir an, dass 100.000 Flüchtlinge in Österreich bleiben. Sie alle haben einen Job, ihr Durchschnittslohn liegt 20 Prozent unter dem der Inländer, also bei etwa 25.000 Euro brutto pro Jahr. Sie bezahlen Pensionsversicherungsbeiträge in Höhe von 22,8 Prozent ihres Bruttolohnes. Dem Staat stehen damit zusätzliche 570 Millionen Euro zur Verfügung. Bei einem österreichischen Durchschnittslohn wären es knapp unter 700 Millionen Euro. Stellt man diesen Betrag der bestehenden jährlichen Unterfinanzierung in Höhe von 20 Milliarden Euro gegenüber, wird deutlich: Das Pensionsloch wird durch den zusätzlichen Beitrag von Flüchtlingen kaum kleiner. Zudem werden die heute jungen Arbeitskräfte auch älter und in etwa 50 Jahren ein ähnliches Problem verursachen wie heute die „Babyboomer-Generation“.
Es ist nicht die Aufgabe von Kriegsflüchtlingen, unseren Staat durch Einnahmen zu bereichern. Jenen Schutz zu gewähren, deren Leben nachweislich bedroht ist, ist unsere humanitäre Pflicht. Hinter den Meldungen, dass mit den Flüchtlingsströmen unsere Pensionen gesichert werden, steht mehr Wunschdenken als Faktenwissen – und das schadet allen. Um die Lebensumstände der Flüchtlinge und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung zu verbessern, sollten entstehende Kosten offen thematisiert und langfristig minimiert werden. Das geht aber nur durch eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft, in das Miteinander und damit auch in den Arbeitsprozess – und ist nicht nur eine Frage der inneren Einstellung. Verschiedene Studien, die sich mit früheren Migrationswellen beschäftigen, weisen drauf hin, dass flexible Arbeits- und Produktionsmärkte die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern,[7] während strenge Arbeitnehmerschutzbestimmungen die Dauer von Migrationsschocks verlängern. Auch deshalb tut sich Österreich mit der erfolgreichen Integration von Migranten schwerer als Länder mit einer weniger strengen Regulierung des Arbeitsmarkts und des Gewerbes. Nach dem Vorbild Dänemarks sollten alle ankommenden Flüchtlinge (zumindest jene mit hohen Asylchancen) wenige Wochen nach ihrer Ankunft vom Staat einen intensiven und durchorganisierten Wochenplan zur besseren Integration bekommen. Durchorganisiert wie eine Arbeitswoche mit 40 Stunden, die auf Sprachkurse (mindestens 15 Stunden pro Woche), Hausaufgaben und Praktika verteilt werden. Für diese Zeit bekommen sie eine Aufwandsentschädigung in Höhe zwischen Existenzminimum und Mindestsicherung. Wichtig ist, rasch die Chancen auf den Erhalt des Asylstatus zu klären. Spätestens vier Wochen nach der Ankunft in Österreich sollte automatisch die Zuweisung durch das AMS an einen Sprach- und Integrationskurs erfolgen, sowie eine generelle oder zumindest sektorspezifische Arbeitserlaubnis erteilt werden.
Das erhöht die Chancen auf Integration beträchtlich – und genau darum geht es: Die ankommenden Menschen so schnell und gut wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, im Interesse aller Beteiligten.
Fußnoten
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