Ein Pensionssystem beruht in der industrialisierten Welt prinzipiell auf drei Säulen: der staatlichen Vorsorge, der betrieblichen Vorsorge und der privaten Vorsorge. Die Ausprägung der jeweiligen Säulen kann zwischen den Ländern deutlich variieren.
Die staatliche Vorsorge wird meist über ein Umlageverfahren organisiert, so auch in Österreich.
Wesentlich für das Umlageverfahren ist es, dass es auf einem ungeschriebenen „Solidar-Vertrag“ zwischen den Generationen beruht: Die im Erwerbsleben stehende Bevölkerung kommt für die anfallenden Pensionen auf.[1] Eine Alternative dazu ist das Kapitaldeckungsverfahren, bei dem – analog zur privaten Pensionsvorsorge – jeder Aktive selbst für seine Rente anspart.
In Europa dominiert das Umlageverfahren, einige Länder bevorzugen mittlerweile aber eine Mischform beider Systeme: Ein Teil der Beiträge läuft in ein Umlageverfahren, ein anderer in ein kapitalgedecktes System. In Großbritannien und der Schweiz ist die Rolle des kapitalgedeckten Systems bedeutend, in Schweden zwar vorhanden, aber von untergeordneter Bedeutung.
Das österreichische Pensionssystem kennt zahlreiche Spielarten. Die Arbeiter und Angestellten sind anders organisiert als die Bauern, die Selbstständigen oder die Beamten. Wir konzentrieren uns auf das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das für den weitaus größten Teil der Bevölkerung gilt. In dieses Pensionssystem zahlt jeder Arbeitnehmer 10,25 Prozent seines Bruttolohnes ein, zusätzlich werden 12,55 Prozent vom jeweiligen Arbeitgeber eingezahlt, monatlich also 22,8 Prozent des Bruttolohns. Das ist ein europäischer Spitzenwert.
Zentrales Element ist ein fiktives Pensionskonto, auf das jeder Versicherte einzahlt. Dahinter steht die Idee, dass jeder Versicherte bis zum Alter von 65 arbeitet, 45 Jahre ins Pensionssystem einzahlt und dann 80 Prozent seines durchschnittlichen Bruttolohns als Rente ausbezahlt bekommt. Wer früher in den Ruhestand geht, bekommt weniger, wer länger arbeitet, mehr.
Aufgrund verschiedener Reformen gilt dieses Pensionskonto jedoch erst für alle nach 1954 Geborenen und dann auch nur für die Beitragszeiten ab 2005. Beitragszeiten davor werden in Form einer Kontoerstgutschrift berechnet. Im Pensionskonto selbst sollte jeder seine persönlichen Einzahlungen und sein angesammeltes Pensionseinkommen einsehen können.[2] Das auf das Pensionskonto eingezahlte Geld wird mit der Wachstumsrate der durchschnittlichen Bruttolöhne verzinst. Laufende Pensionszahlungen werden normalerweise an die Inflationsrate angepasst, um einem Kauf-kraftverlust entgegenzuwirken. Das österreichische Pensionssystem sieht derzeit eine Mindestpension von 857,53 Euro brutto im Monat vor. Darunter liegende Pensionsansprüche werden vom Staat aufgefüllt, damit niemand unter die Mindestpension fällt.
Mit der Pensionsreform 2004 wurden für alle nach 1954 Geborenen die Pensionsansprüche nach unten korrigiert: Wurden zuvor die 15 besten Einkommensjahre als Grundlage für die Pensionsberechnung angesetzt, sind nun die besten 40 Jahre entscheidend. Dieser Betrag ist aufgrund des längeren Zeitraums und der mit fortschreitendem Alter ansteigenden Lohnkurven (Senioritätsprinzip) üblicherweise deutlich niedriger. Um die Einbußen gegenüber dem alten System zu begrenzen, wurde der „Pensionsverlust“ begrenzt.[3]
Seit der letzten Pensionsreform 2004 ist es zudem schwieriger, in Frühpension zu gehen, wobei diese Änderungen erst schrittweise in Kraft treten. Die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer wird 2017 abgeschafft. Die Hacklerregelung II besteht weiterhin und ermöglicht Männern und Frauen mit mindestens 45 beziehungsweise 42 Beitragsjahren den Ausstieg aus dem Erwerbsleben mit 62 bzw. 57 Jahren.[4] Die Hacklerregelung III (Schwerarbeiter) wiederum öffnet die Tür zum Pensionsantritt mit 55 (Frauen) bzw. 60 Jahren (Männer), wenn 40 bzw. 45 Jahre eingezahlt und in zehn der letzten 20 Jahre vor der beantragten Pensionierung eine besonders belastende Tätigkeit ausgeübt wurde.[5] Die sogenannte Korridorpension ermöglicht den früheren Pensionsantritt mit 62 Jahren, allerdings ist dies mit Einbußen von 5,2 Prozent pro früherem Antrittsjahr verbunden.[6] Abgeschafft wurde die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit. Schlupflöcher bei der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension wurden nur teilweise geschlossen, daher verlassen immer noch viele Menschen das Erwerbsleben über diese Regelung.
Die Pensionsreform 2004 hat also zweifellos Verbesserungen mit sich gebracht, sichert das staatliche Rentensystem aber nicht nachhaltig ab:
Ab den 1980er-Jahren erkannten immer mehr Menschen in Schweden, dass das Pensionssystem so nicht länger funktionieren würde. Immer weniger Beitragszahler mussten immer mehr Pensionisten finanzieren – immer höhere Beiträge wären die Folge gewesen, wollte man verhindern, dass die Pensionen gekürzt werden. Ab 1990 erzeugte eine Immobilien- und Bankenkrise, verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit, zusätzlich Druck auf das System. Politiker und Experten waren sich einig, dass etwas geschehen müsse.
Die Ziele der schwedischen Pensionsreformen waren klar definiert (siehe Palmer 2000):
So wie das österreichische, fußt auch das schwedische Pensionssystem auf einem fiktiven Pensionskonto. Der fundamentale Unterschied liegt darin, dass in Schweden die Beiträge der Einzahler fix sind und nicht die Höhe der Pensionen. Der Beitrag beläuft sich auf 18,5 Prozent des Bruttolohns (vgl. Österreich 22,8 Prozent). Das schwedische Modell ist also nicht nur finanziell gesichert, sondern auch um knapp ein Fünftel günstiger. 9,25 Prozent werden vom Arbeitnehmer bezahlt (vgl. Österreich 10,25 Prozent) und weitere 9,25 Prozent vom Arbeitgeber (vgl. Österreich 12,55 Prozent) beigesteuert. 16 Prozent der geleisteten Einzahlungen werden über das Umlageverfahren auf dem Pensionskonto gutgeschrieben, 2,5 Prozent werden über die staatlich organisierte kapitalgedeckte Komponente auf dem Kapitalmarkt angelegt. Die Schweden können zwischen unterschiedlichen Fonds wählen. Das hier angesparte Kapital wird dann anschließend auf dem Pensionskonto verbucht.
Die Pensionshöhe ergibt sich also aus dem auf dem Pensionskonto angesparten Kapital. Bei Pensionsantritt wird die Pensionshöhe errechnet, indem das angesparte Kapital am Pensionskonto auf die erwartete Pensionsdauer[8] aufgeteilt wird:
Wer früher zu arbeiten aufhört, bekommt automatisch eine niedrigere Pension, weil die erwartete Pensionsdauer steigt und weniger auf das Konto eingezahlt wurde. Wer statistisch eine höhere Lebenserwartung hat, bekommt ebenso eine niedrigere Pension, weil der Kontostand über einen längeren Zeitraum ausbezahlt wird. Das sind – stark verkürzt dargestellt – die zwei „Geheimnisse“ des schwedischen Modells.
Für den Pensionsantritt gibt es einen Korridor. Es ist möglich, in einem Alter zwischen 61 und 69 Jahren in Pension zu gehen. Darüber hinaus können die Schweden auch in Teilpension gehen, um gleichzeitig noch Teilzeit zu arbeiten. Die Verzinsung auf dem Pensionskonto richtet sich, wie in Österreich, nach dem Anstieg der Durchschnittslöhne. Dasselbe gilt für die ausgezahlten Pensionen. In Österreich werden diese nur an die Inflationsrate angepasst, was für die Pensionisten im Vergleich meistens schlechter ist. Wie bereits erwähnt, gibt es in Schweden eine Mindestpension, die – ähnlich wie in Österreich – durch staatliche Zuschüsse garantiert wird. Sie beträgt 875 Euro und liegt damit nominell etwas über, kaufkraftbereinigt aber unterhalb der österreichischen Mindestpension.
Nachhaltig ist das schwedische System deshalb, weil es sich automatisch an sich ändernde demografische und ökonomische Entwicklungen anpasst. Weil die Pension von der Lebenserwartung abhängt, ist das Ergebnis für alle Generationen fair. Wenn zwei Personen mit unterschiedlicher Lebenserwartung (unterschiedliche Jahrgänge) gleich viel ins System einbezahlt haben bekommen sie in Summe auch real gleich viel ausbezahlt. Die Politik muss nicht eingreifen, um dieses Ergebnis zu erzielen und um das System finanziell stabil zu halten. Ein Element des schwedischen Systems ist der sogenannte ABM (Automatic Balance Mechanism). Er sorgt dafür, dass sich das System an demografische Veränderungen (wie einen Babyboom) anpasst. Auch Fehlprognosen beim Berechnen der Lebenserwartung werden korrigiert. Damit ist die langfristige Stabilität des Umlageverfahrens gesichert. Die genaue Funktionsweise des ABM wird im Appendix beschrieben.
Ein exakter Vergleich der beiden Systeme ist nicht ganz einfach, weil das schwedische zu einem kleinen Teil über Kapitaldeckung funktioniert. Dennoch sind einige Vor- und Nachteile des schwedischen Systems klar ablesbar:[9]
Manche dieser Punkte können, je nach Perspektive, natürlich auch als Nachteil gesehen werden:
In Österreich steigt der jährlich wachsende Zuschuss aus dem Budget an, da das Pensionssystem nicht ausreichend reformiert wurde. Das wiederum trägt zur steigenden Verschuldung des Landes bei. Eine wichtige Rolle für die Finanzierung spielt das Verhältnis von Einzahlern (also Berufstätigen) zu Pensionsbeziehern.[11] Abbildung 1 zeigt, dass die Ausgaben für das Pensionssystem in Schweden (am BIP gemessen) weit unter jenen in Österreich liegen. Und das, obwohl in Schweden weniger Berufstätige auf dieselbe Zahl von Pensionisten kommen.
Fußnoten
Fast schon im Wochentakt schlagen bei den Unternehmen neue Regeln auf. Es kann schon längst nicht mehr als EU-Bashing gelten, den Regelungswahn der Brüsseler Schreibtischakrobaten als unmäßig zu kritisieren. Wir werfen einen Blick in die Giftküche der Bürokratie.
Schwerpunkt 1: Mehr Wachstum braucht das Land! Wirtschaftswachstum ist in Österreich zu einem Fremdwort geworden. Nicht nur in der Statistik und in den Prognosen der Institute ist es inzwischen weitgehend der Stagnation gewichen. Auch in den Wahlprogrammen der Parteien kommt es kaum noch vor. Man sollte ja erwarten, dass ein Land, dessen reales Br
Wohnen ist in Österreich nicht teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Wohnkostenbelastung liegt unter dem EU-Schnitt. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf: Künftige Regierungen sollten den Aufbau von Wohneigentum in der Mitte der Gesellschaft erleichtern, den geförderten Mietmarkt treffsicherer machen und dafür sorgen, dass ausreiche
Der Sozialstaat ist eine Errungenschaft, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden – aber auch eine finanzielle Belastung, die sich immer schwerer stemmen lässt. Die nächste Regierung wird um Sparmaßnahmen nicht herumkommen, wenn das System zukunftsfit bleiben soll. Für die Bürger muss das nicht unbedingt Verschlechterungen mit sich br
Eigentlich wollte die Regierung ja die Staatsschulden senken und die Bürger entlasten. Beides ist leider spektakulär misslungen. In der kommenden Legislaturperiode muss die Politik das Ruder herumreißen und einen Sparkurs einschlagen. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich viele Maßnahmen, die man setzen kann.
Österreich gibt sehr viel Geld für Bildung aus – und bekommt dafür nur mittelmäßige Resultate. In Schulnoten ausgedrückt verdient der Bereich bestenfalls ein „Befriedigend“. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Einserschüler zu werden, auf dem Bildungsmarkt gibt es viele gute Ideen. Die nächste Regierung muss das Rad also nicht neu erf
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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