Fiskalregeln: Dem Sirenengesang der Verschuldung widerstehen

LEISTUNG. AUFSTIEG. SICHERHEIT.

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Schuldenmachen ist in Österreich der Normalfall, egal ob die Konjunktur gut, mäßig oder schlecht läuft. Vernünftige und strengere Fiskalregeln helfen dabei, den Hebel umzulegen: Sparen, wenn die Wirtschaft läuft, Schulden machen in der Rezession.

Auf den ersten Blick genießen Österreichs Staatsfinanzen einen ziemlich untadeligen Ruf. Die Republik finanziert sich spottbillig an den Kapitalmärkten. Das geht zwar auch auf die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zurück, doch auch im europäischen Vergleich sind die Zinsen nur in Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Litauen und Luxemburg niedriger. Auch bei den Ratingagenturen hat Österreich zwar nicht den besten, aber immer noch einen sehr guten Ruf.

Normalfall Schuldenmachen

Die Staatsschuldenquote lag auch 2018 noch bei 73,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. Will die nächste Regierung weiter von den Schulden herunterkommen, sollte sie sich noch stärker als bisher darum kümmern, dass die Budgetdisziplin hoch bleibt. Besser noch als Disziplin einzumahnen oder zu versprechen wäre es, die Fiskalregeln in Österreich konkreter zu formulieren und automatische Sanktionen einzuziehen.

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Abb. 9: Ein Budgetüberschuss für den Staat ist in Österreich die absolute Seltenheit. Während Schweden, Finnland oder Dänemark regelmäßig mehr Geld einheben, als sie ausgeben, war der positive Budgetsaldo in Österreich 2018 eine Ausnahme.

Viele Regeln, wenige Konsequenzen

Fiskalregeln werden eingeführt, um die Haushaltspolitik nachvollziehbarer, planbarer, aber auch disziplinierter zu machen. In der EU gelten mittlerweile mehr als hundert verschiedene Fiskalregeln, die prominentesten sind die sogenannten Maastricht- Kriterien aus 1992.[1]Sie sehen vor, dass die Neuverschuldung in der Eurozone nicht höher als drei, die gesamte Staatsverschuldung nicht höher als 60 Prozent des BIP betragen sollte oder sich diesem Wert in einem bestimmten Zeitintervall zumindest deutlich annähert. Doch die Maastricht-Kriterien zeigen auch ein wesentliches Problem mit Fiskalregeln auf: Wenn ihre Verletzung keine Konsequenzen hat, dann werden sie auch deutlich seltener eingehalten. Tatsächlich wurde etwa die Defizitregel der Maastricht-Kriterien seit 1999 exakt 168 Mal verletzt, dreimal von Österreich. Durch die politische Einflussnahme wurden die Regeln zudem großzügig ausgelegt, und trotz zahlreicher Verstöße wurden die vorgesehenen Sanktionen verhindert.

Ausgabenbremse statt Defizitregel

So sind auch in Österreich mittlerweile mehrere Fiskalregeln in Kraft, 2011 etwa verständigte man sich darauf, dass man strukturell ein Nulldefizit erreichen möchte. Doch der Gesamtstaat aus Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung hat erst im Jahr 2018 den ersten gesamtstaatlichen Überschuss seit 1974 erzielt. Der Bund schreibt sogar seit 1954 Defizite. Luxemburg, Schweden, Dänemark, die Niederlande oder Deutschland zahlen nicht ohne Grund niedrigere Zinsen an den Kapitalmärkten, sie haben in den vergangenen 25 Jahren zumindest siebenmal einen Überschuss geschafft.

Damit künftig in guten Jahren regelmäßig Überschüsse anfallen, braucht es eine glaubwürdige und strenge Ausgabenbremse.

Wie könnte eine Fiskalregel bei der Budgetdisziplin helfen? Zuallererst müsste sich dafür der Fokus verschieben. Wer langfristig die Schulden der Republik abbauen möchte, muss bei den Staatsausgaben beginnen. Denn schon US-Ökonom Milton Friedman wusste, dass die Ausgaben von heute die Schulden von morgen sind. Auch der Internationale Währungsfonds beschreibt die Vorteile, sich auf eine Ausgabenbremse zu konzentrieren: Sie ist einfacher zu kommunizieren als eine komplizierte Fiskalregel, bindet eine Regierung effektiver, lässt zugleich aber den Spielraum, in Krisenzeiten gegenzusteuern.[2]Und die Ausgaben sind im Gegensatz zu einem Budgetdefizit viel besser planbar. Außerdem lässt sich mit einer Ausgabenbremse, solange sie gut ausgestaltet ist, auch die Schuldenlast senken.

Handlungsempfehlungen

Eine strenge Ausgabenbremse einführen: Österreich hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem. Damit künftig in guten Jahren regelmäßig Überschüsse anfallen, braucht es eine glaubwürdige und strenge Ausgabenbremse. Vorbild könnte hier Schweden sein: Dort gibt es seit 2010 für den Bund und das Pensionssystem ein Überschussziel von einem Prozent des BIP. Weil diese Vorgabe für den Zeitraum eines ganzen Konjunkturzyklus gilt, ist das Land in Krisenzeiten dennoch handlungsfähig. Begleitet wird die Regel von einer Ausgabenbeschränkung. Hierbei wird im Parlament das Budget für mindestens drei Jahre unter der Prämisse des Überschussziels beschlossen.

Budgetdisziplin verankern: Für Österreich sollte daher Folgendes umgesetzt werden: Ein Haushaltsplan teilt für die kommenden fünf Jahre den Ressorts die öffentlichen Gelder je nach Bedarf zu. Dieser Haushaltsplan definiert die maximal zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für diesen Zeitraum. Solange die Verschuldung bei über 60 Prozent des BIP liegt, sollte das Wachstum der gesamten Ausgaben dabei die allgemeine Teuerung nicht übersteigen. Die Einhaltung ist gerade dank der aktuell niedrigen Zinsen im Rahmen des Möglichen, Strukturreformen werden die Einhaltung der Regel auch in einem normalen Zinsumfeld gewährleisten.

Druck auf EU-Ebene machen: Auf europäischer Ebene ist das geltende Regelwerk mittlerweile undurchschaubar komplex und sollte reformiert werden.[3]Das dichte Geflecht an unterschiedlichsten Regeln, die oft nicht wirklich aufeinander abgestimmt sind, muss einem klaren, auf eine Ausgabenregel fokussierten Regime weichen.[4]Die kommende Bundesregierung sollte sich aktiver in die aktuelle Debatte einbringen. Der Vorschlag des deutschen Sachverständigenrats sollte auch von Österreich unterstützt werden: Die Ausgaben sollten nominell nicht schneller wachsen als das langfristige Bruttoinlandsprodukt. In Ländern mit einem übermäßig hohen Niveau der öffentlichen Verschuldung wie Italien sollten sie langsamer wachsen.[5]


Fußnoten

  1. Vgl.EU-Kommission (2019c).
  2. Vgl. Eyraud et al. (2018).
  3. Vgl. Darvas et al. (2018).
  4. Vgl. Wieser (2018).
  5. Vgl. Sachverständigenrat (2018).
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