Digitalpotenzial #3: Verwaltung

Was Österreich von Estlands digitaler Verwaltung lernen kann

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Säule III – Digitale Bildung

Selbst die besten Angebote an digitalen Dienst­leistungen sind nutzlos, wenn der Bürger nicht weiß, wie er sie nutzen kann. Zudem spielt die „digitale Hygiene“ jedes Nutzers, also die Fähigkeit, sich sicher im Internet zu bewegen, eine entscheidende Rolle für die Sicherheit der digitalen Infrastruktur im Ganzen. Neben der digitalen ID und dem Datenhighway X-Road ist deshalb die digitale Bildung der gesamten Bevölkerung eine weitere wichtige Säule des estnischen Erfolgsmodells.

In Estland vertrauen die Nutzer den E-Services und können mit ihnen umgehen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis eines umfassenden Bildungsangebots für alle Esten. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die Look@World Foundation[1], die landesweit Nutzer im Umgang mit der digitalen Infrastruktur schult.

In Estland vertrauen die Nutzer den E-Services und können mit ihnen umgehen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis eines umfassenden Bildungsangebots.

Das kostenfreie Weiterbildungsangebot von Look@World ist auf die jeweilige Bevölkerungsgruppe abgestimmt und liefert eine Reihe an Praxisbeispielen für vier entscheidende Bereiche der Digitalisierung an: Smart Devices[2], Sicherheit, E-Services und Onlinesuche. Besonderes Augenmerk wird auf die Weiter­bildung älterer Bürger gelegt, die neuen Technologien möglicherweise skeptischer gegenüberstehen als jüngere. So werden auch gezielt Schulungen angeboten, bei denen die Ausbilder zur selben Altersgruppe gehören wie ihre Schulungsteilnehmer. Während sowohl in Österreich als auch in Estland zwei Drittel der 55- bis 74-Jährigen im Internet aktiv sind, nutzen in Estland hingegen knapp doppelt so viele Personen der älteren Generation digitale Dienstleistungen.

In Estland wurde erkannt, wie wichtig es ist, möglichst zeitig den Grundstein für einen souveränen Umgang mit Technik und Informationen zu legen. Das frühzeitige Erlernen konkreter Fähigkeiten, beispielsweise des Programmierens oder des Umgangs mit Robotik, hat in Estland einen hohen Stellenwert, weil sie als nachhaltige Investition in die
Zukunft gelten. In Estland wird es deshalb auch in den nächsten Generationen nicht an klugen Köpfen mangeln, die die digitale Infrastruktur des Landes weiterentwickeln können und für den Arbeitsmarkt der Zukunft gerüstet sind.

Die Organisation Hariduse Infotehnoloogia Sihtasutus (HITSA)[3] koordiniert seit Beginn des Aufbaus der digitalen Infrastruktur in Estland landesweit verschiedene digitale Bildungsinitiativen, die vor dem Wechsel in die höhere Berufsbildung oder an Hochschulen zum Tragen kommen. Die ProgeTiger-Initiative ist hierfür ein Beispiel – mit ihr werden Kinder ab dem Kindergarten spielerisch und altersgerecht im Umgang mit Computercodes und Robotik geschult.

Abbildung 3: E-Government-Nutzung in Österreich und Estland

Die hohe Autonomie im estnischen Bildungssystem trägt ihr Übriges dazu bei, dass der Vermittlung digitaler Fähigkeiten viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Grundsätzlich haben Schulen in Estland große Entscheidungsspielräume, was die konkrete Gestaltung des Unterrichts betrifft. Es gibt einheitliche nationale Zielvorgaben, die nach bestimmten Schulabschnitten erreicht werden müssen, aber es bleibt den Schulen überlassen, wie sie den Schülern das hierfür notwendige Wissen vermitteln. Zu Beginn der Schul­laufbahn werden digitale Fähigkeiten meist in bestehende Fächer integriert, später dann in einem separaten Fach unterrichtet.

In Estland genießen die Schulen Autonomie. Wie die einheitlichen Zielvorgaben erreicht werden, bleibt den Schulen selbst überlassen.

Nach der dritten, sechsten, neunten und zwölften Schulstufe finden landesweit einheitliche verpflichtende Tests statt, die den Wissensstand der Schüler im Bereich digitaler Technologien überprüfen. Bei Nichtbestehen dieser Tests muss der Schüler gegebenenfalls die letzte Schulstufe wiederholen. Durch die nationale Vergleichbarkeit und Transparenz der Ergebnisse können lokale Engpässe bei der Vermittlung digitaler Fähigkeiten schnell erkannt und behoben werden. HITSA akquiriert für diese Fälle Mentoren, die mit den jeweiligen Schulen vor Ort vertraut sind und die Lehrkräfte in ihrer Arbeit unterstützen. Bei der Schulung von Lehrpersonal steht dabei für HITSA die Integration digitaler Hilfsmittel in die Wissens­vermittlung im Vordergrund: Lehrern und Schülern wird gezeigt, dass digitale Fähigkeiten in jedem Fach den Unterricht einfacher und verständlicher machen.

Kostenfreie Bildungsangebote sorgen für einen sicheren Umgang der Esten mit den digitalen Dienstleistungen.

Ebenso wichtig wie die Autonomie der Schulen ist der Zugang zu Informationen, also die flächen­deckende Verfügbarkeit von Ressourcen. In Estland sind in einer nationalen Bildungscloud alle relevanten Materialien zum digitalen Unterricht frei verfügbar, neue Ideen und Unterrichtskonzepte einzelner Schulen können ohne großen Aufwand geteilt werden. Ergänzend dazu will HITSA in Zukunft lokale Schulcluster ausbauen, um deren Austausch untereinander zu fördern.

Säule IV – Rechtliche Grundlagen

Die digitale Infrastruktur und die daraus entstehenden Möglichkeiten im Umgang mit Personendaten spiegeln sich auch in der rechtlichen Architektur Estlands wider. Als wesentliche Rechtsgrundlage dient in Estland das Gesetz zum Schutz persönlicher Daten.[4] Zur Überwachung von Einrichtungen, die personenbezogene Daten sammeln, wurde das Datenschutz-Inspektorat (Andmekaitse Inspektsioon / Estonian Data Protection Inspectorate) eingerichtet.

Daten sollen nur mit einem bestimmten Ziel gesammelt werden.

Seit 2008 gibt es in Estland ein Gesetz, das die Rechte natürlicher Personen in Bezug auf deren Privatsphäre schützt und die Risiken, die aus der Verarbeitung persönlicher Daten entstehen können, abwägt. Grundsätzlich orientiert sich das Gesetz an der Idee „soviel wie nötig, so wenig wie möglich“. Daten sollen nur mit einem bestimmten Ziel gesammelt werden und nur in dem Umfang, der für das Erreichen dieses Ziels notwendig ist. Ebenso soll eine Verarbeitung der Daten nur mit dem Einverständnis der Betroffenen oder mit Erlaubnis einer amtlichen Autorität möglich sein. Betroffene müssen über die Anfrage ihrer Daten informiert werden, sie erhalten Zugriff auf ihre Daten und dürfen diese gegebenenfalls korrigieren.

Abbildung 4: Rechtliche Grundlagen der digitalen Infrastruktur

Das Gesetz unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die Bürger den Verlauf der Verarbeitung ihrer Daten lückenlos nachverfolgen können. Bei sensiblen Daten muss der Betroffene auf die Sensibilität dieser Daten hingewiesen werden und er muss deren Nutzung ausdrücklich zustimmen.

Bei sensiblen Daten muss der Betroffene deren Nutzung ausdrücklich zustimmen.

Ebenso kann ein Betroffener die Löschung persönlicher Daten erwirken. Das Inspektorat ist außerdem für die Einhaltung zweier weiterer zentraler Gesetze zuständig: Daten der öffentlichen Verwaltung[5] müssen im Sinne einer offenen Informationsgesellschaft für alle Bürger frei zugänglich sein,[6] ebenso achtet das Inspektorat auf die Einhaltung des freien Wettbewerbs zwischen Technologiedienstleistern.[7]

Das Datenschutz-Inspektorat erwartet, dass in den kommenden Jahren die Menge an Daten – insbesondere auch der sensiblen Daten – weiterhin stark ansteigen wird. Grund hierfür sind neue Datenquellen wie etwa die Verbindung von Videokameras oder Drohnen in der Öffentlichkeit mit Gesichtserkennungsalgorithmen. Auch die intensive Nutzung sozialer Netzwerke stellt das Inspektorat vor neue Herausforderungen: Dem Schutz der einzelnen Bürger voreinander und der Abwehr und Verfolgung von Cyberkriminalität wird eine immer größere Bedeutung zukommen.


Fußnoten

  1. http://www.vaatamaailma.ee/en
  2. Moderne Mobiltelefone, Tablets, u.a.
  3. HITSA kümmert sich um die Bildung im Bereich digitaler Technologien in der Sekundarstufe (https://www.hitsa.ee/about-us).
  4. Siehe Riigikogu (2008).
  5. Zu diesen Daten zählen alle Informationen, die die Verwaltung des Staates betreffen, aber auch Statistiken, die von der öffentlichen Hand erhoben werden, beispielsweise Verkehrs- oder Wetterdaten.
  6. Public Information Act.
  7. Electronic Communications Act.
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